Bildung - Hannover:Lehrermangel auf Rekordniveau: Gewerkschaft warnt

Bildung - Hannover: Ein Lehrer steht im Unterricht an der Tafel. Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild
Ein Lehrer steht im Unterricht an der Tafel. Foto: Marijan Murat/dpa/Symbolbild (Foto: dpa)

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Hannover (dpa/lni) - Der Lehrermangel in Niedersachsen wird immer dramatischer. Wie Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) am Mittwoch bekanntgab, ist die Unterrichtsversorgung an den Schulen auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Statistik vor 20 Jahren gesunken. Der aus dem Verhältnis von Schülern und Lehrerstunden ermittelte Wert lag demnach zum Stichtag am 8. September 2022 bei 96,3 Prozent (Vorjahr: 97,4 Prozent). "Die Zahlen bestätigen einmal mehr den großen Handlungsbedarf", sagte Hamburg.

Die Unterrichtsversorgung gibt wieder, ob für die errechnete Zahl an Unterrichtsstunden auch genügend Lehrerinnen und Lehrer vorhanden sind. Werte von über 100 Prozent sind möglich, wenn über das Pflichtangebot hinaus Lehrer für weitere Angebote oder etwa Vertretungsstunden zur Verfügung stehen. Unterrichtsausfall wegen kurzfristiger Erkrankungen von Lehrern erfasst die Statistik nicht.

Was hat zu dem erneuten Rückgang geführt?

Die Ministerin verwies zur Erklärung darauf, dass es zum einen mehr Schülerinnen und Schüler gebe als in den Vorjahren und zum anderen mehr Lehrkräfte wegen Schwangerschaft, langanhaltenden Krankheiten oder Teilzeitbeschäftigungen nicht zur Verfügung standen. Hinzu kämen gestiegene Anforderungen an den Schulen etwa durch Inklusion und Ganztagsunterricht. Besonders ausgeprägt ist der Lehrermangel laut Statistik an Haupt- und Förderschulen. Gymnasien und Grundschulen stehen dagegen vergleichsweise gut da.

Was unternimmt das Land gegen den Mangel?

Gegensteuern will Hamburg kurzfristig mit Entlastungspersonal abseits von Lehrkräften - dazu könnten IT-Helfer und Sozialpädagogen zählen. Längerfristig soll vom kommenden Jahr an die Bezahlung von Grund-, Haupt- und Realschullehrern auf das Niveau von Gymnasiallehrern angehoben werden. Außerdem strebt das Ministerium höhere Ausbildungskapazitäten und eine bessere Planung an, wie viele Lehrkräfte wann und wo benötigt werden. Zudem müsse es gelingen zu vermitteln, dass man als Lehrerin oder Lehrer einen herausfordernden, aber zugleich attraktiven Job ergreifen kann, erklärte Hamburg.

Wie schnell kann die Lage verbessert werden?

Die Hoffnung der Ministerin liegt darin, dass sich jede der geplanten Maßnahmen "in Nuancen positiv auswirken" wird, so dass in den nächsten Jahren eine klare Verbesserung zu sehen sein wird. Weil jedoch auch weiterhin Lehrer aus dem Beruf ausscheiden werden und sich etwa die Wirkung von mehr Studienplätzen erst in sechs bis acht Jahren zeigen wird, dürfte noch einige Zeit Geduld gefragt sein. Zudem gehen Prognosen von weiter steigenden Geburtenzahlen aus.

Wie aussagekräftig ist die Statistik?

Hamburg erklärte, die Unterrichtsversorgung allein sage nichts darüber aus, welche Lehrkräfte tatsächlich fehlten, so dass der Wert kaum helfe, um die Situation an den Schulen zu verbessern. Allerdings erkannte die Ministerin an, dass die Belastungen für Schüler und Lehrer in den vergangenen Jahren enorm gewesen seien - durch Corona, durch die Aufnahme von Flüchtlingen und durch fehlendes Personal. Daher mache jeder Prozentpunkt weniger in der Unterrichtsversorgung einen spürbaren Unterschied an den Schulen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Der Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) zeigte sich entsetzt - die neuen Zahlen seien noch schlechter als erwartet. Die Gewerkschaft GEW erklärte, es brauche eine Unterrichtsversorgung von 107 Prozent, damit dauerhaft alle Unterrichtsstunden stattfinden können - davon ist das Land also weit entfernt. GEW-Landeschef Stefan Störmer warnte: "Wer jetzt nicht sofort alles daran setzt, die Rahmenbedingungen für die Schulbeschäftigten zu verbessern, lässt das ganze System kollabieren." Auch der Trend bei den Neueinstellungen zum neuen Schulhalbjahr sei katastrophal. Laut Ministerium konnten zum Februar erst 941 neue Lehrkräfte eingestellt werden, obwohl inklusive Nachträgen 1335 Stellen ausgeschrieben worden waren.

© dpa-infocom, dpa:230201-99-435957/3

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