Dresden (dpa/sn) - Sachsens Grundschüler bekommen ab dem kommenden Schuljahr zusätzlichen Deutsch- und Sachunterricht, um die Kompetenzen Lesen und Schreiben zu stärken. Das Augenmerk werde dabei insbesondere auf das Erlernen der deutschen Sprache gelenkt, teilte Kultusminister Christian Piwarz (CDU) am Dienstag in Dresden mit. Im kommenden Schuljahr soll in der Stufe eins eine zusätzliche Wochenstunde Sachunterricht, in der zweiten Stufe eine zusätzliche Stunde Deutschunterricht stattfinden. Ab dem Schuljahr 2025/2026 kommt jeweils eine Wochenstunde für die Stufen drei und vier hinzu. „Ich hoffe mir da wirklich einen qualitativen Gewinn, dass wir noch mehr unserem Anspruch gerecht werden, Schülerinnen und Schüler individuell, aber auch gemeinsam in einer Klasse mehr Unterstützung zukommen zu lassen“, sagte Piwarz.
Das Kultusministerium reagiert damit auf das sinkende Leistungsniveau der Schüler in den sogenannten basalen Kompetenzen Lesen und Schreiben, das beispielsweise der IQB-Bildungstrend 2021 deutlich machte. Man stehe mit dem sächsischen Bildungssystem zwar im deutschlandweiten Vergleich mit Bayern an der Spitze, doch der Rückgang im Vergleich zu vorherigen Studien besorge und alarmiere, sagte Piwarz. „Es reicht uns nicht, da deutschlandweit weiterhin vorn dabei zu sein. Wir müssen positive Entwicklungen, eine Trendumkehr schaffen.“
Der Unterricht, der in den ersten beiden Klassenstufen eingeführt wird, ersetzt den bisherigen sogenannten Anfangsunterricht, den die Schulen flexibel einsetzen konnten. Daher ist diese Maßnahme laut Piwarz Ressourcen-neutral. Für die zusätzlichen Unterrichtsstunden in den Klassenstufen drei und vier muss zusätzliches Personal eingestellt werden. Piwarz schätzte den Bedarf auf eine niedrige dreistellige Zahl an Lehrkräften. Die Schulen im sorbischen Siedlungsgebiet können den Angaben zufolge selbst entscheiden, ob sie den zusätzlichen Unterricht für Deutsch oder Sorbisch nutzen.
Kritik von den Koalitionspartnern
Die beiden Koalitionspartner SPD und Grüne blicken skeptisch auf die Änderung der Stundentafel. Sabine Friedel, bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, hält die Stärkung der basalen Kompetenzen zwar für richtig. Es gehe aber nicht nur um den Umfang des Unterrichts, sagte sie laut einer Mitteilung. „Qualität macht den Erfolg, nicht Quantität. Hier bleiben Hausaufgaben für das Kultusministerium.“
Es sei eine gute Entscheidung, die Basiskompetenzen zu stärken, sagte Christin Melcher, bildungspolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, einer Mitteilung zufolge. Die Änderung dürfe jedoch nicht zulasten anderer wichtiger Stunden gehen. „Die Umwidmung der Stunde aus dem Anfangsunterricht ist nicht unproblematisch“, sagte Melcher. Oftmals sei gerade hier eine differenzierte Förderung oder Kleingruppenarbeit möglich. Auch die Linke kritisiert den Wegfall. „Der Anfangsunterricht ist wichtig, um soziale Kompetenzen auszuprägen“, sagte Luise Neuhaus-Wartenberg, bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion.
GEW fordert Verbesserung der Lernbedingungen
Aus Sicht der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sollte statt Lehrplanänderungen die Verbesserung der Lernbedingungen im Fokus stehen. „Grundsätzlich begrüßen wir mehr Lernzeit in den Kernfächern Deutsch und Sachunterricht“, sagte die stellvertretende Landesvorsitzende Claudia Maaß laut einer Mitteilung. Diese gehe durch das Wegfallen des Anfangsunterrichts jedoch zu Lasten der Flexibilität und der Qualität des Lernumfelds. Maaß forderte stattdessen etwa kleinere Klassen und die gezielte Unterstützung von Schulen in besonderen Lagen.
Der Sächsische Lehrerverband (SLV) fordert einen Ausgleich für die zusätzliche Arbeit, die den Lehrkräften durch die Erhöhung der Wochenstundenzahl entsteht. „Die Forderung des SLV nach einer Klassenleiterstunde zur Entlastung der Lehrkräfte besteht schon lange und muss im Zuge solcher Maßnahmen endlich umgesetzt werden“, sagte der Landesvorsitzende Michael Jung laut einer Mitteilung.
© dpa-infocom, dpa:240312-99-312972/3