Das Motivationsschreiben ist vielleicht der schwierigste Part der Stipendienbewerbung: Man hat kaum Erfahrung damit, weiß nicht so recht, was erwartet wird, und sitzt ohne Vorbereitung ziemlich ratlos vor dem Bildschirm. Wer ein Motivationsschreiben aufsetzt, sollte sich vorher nicht nur Gedanken über die jeweilige Stiftung, ihr Leitbild und Programm gemacht haben, sondern auch über sich selbst.
Warum will ich ein Stipendium? Warum von dieser Stiftung? Und warum sollte diese Stiftung gerade mich fördern? Diese Frage sollte ein Motivationsschreiben in der Stipendienbewerbung beantworten. Im Kern ist es dem Anschreiben bei einer Jobbewerbung nicht unähnlich: Der Bewerber stellt sich und seine besonderen Fähigkeiten vor und setzt sie in Relation zu den Erwartungen des Adressaten. "Es muss eine Übereinstimmung geben zwischen der Stiftung und einem selbst. Wenn dann noch die harten Fakten wie die Noten stimmen, ist man dem Ziel schon sehr nah", sagt Max-Alexander Borreck, Co-Autor des Buchs "Der Weg zum Stipendium".
Allerdings ist ein Motivationsschreiben weitaus persönlicher, geht stärker in die Tiefe und führt auf ein bis zwei Seiten aus, was das Bewerbungsanschreiben nur anreißt. Es ist die Basis aller weiteren Unterlagen, weil der Verfasser hier erklärt, warum er sich überhaupt bewirbt, warum er sich die Mühe eines wochen- oder monatelangen Zusammenstellens von Zeugnissen, Formularen und Lebensläufen überhaupt macht. Dass Motivation vorhanden ist, zeigt diese Mühe bereits - der Bewerber muss sie jetzt nur noch in Worte fassen.
Deswegen ist jedes Motivationsschreiben anders und muss es sein - es gibt aber einige Grundregeln, an denen man sich orientieren kann:
Warum will ich ein Stipendium? Hier geht es um die Motivation im Eigentlichen: Was erwarte ich mir, wozu bewerbe ich mich? Natürlich ist Geld ein Faktor, aber im Motivationsschreiben hat dieser Beweggrund nichts zu suchen. Der Bewerber muss sich vielmehr darüber klar werden, inwieweit er von der ideellen Förderung profitieren kann. Und sollte davon nicht nur die Stiftung überzeugen, sondern auch selbst davon überzeugt sein - denn Seminare, Sprachkurse, Stipendiaten- und Alumni-Netzwerke sind nicht nur persönlich, sondern auch beruflich einiges wert. Das führt zur nächsten Frage ...
Warum will ich ein Stipendium von dieser Stiftung? Konkretere Gründe als ein allgemeines Lob des Seminarangebots sollte das Motivationsschreiben schon enthalten. Viele Stiftungen stellen ihr Programm ins Internet - hier findet man Informationen, die sich in Bezug setzen lassen zu bisherigen Studieninhalten oder Praxiserfahrungen - oder auch zu künftigen Zielen: Wenn die Stiftung der Deutschen Wirtschaft ein Seminar zum Thema Tarif- und Sozialpolitik anbietet und der Bewerber sich in seiner VWL-Bachelorarbeit mit dem Mindestlohn beschäftigen will, kann er dies entsprechend im Anschreiben erwähnen. Im besten Fall hat er ohnehin so gut recherchiert, dass er diese Stiftung wegen ihrer zum eigenen Profil passenden Angebote in die engere Auswahl einbezogen hat.
Über die ideelle Förderung hinaus sollte das Motivationsschreiben auch zeigen, dass sich der Bewerber mit der Arbeit der Stiftung und ihren Werten auseinandergesetzt hat. Das heißt nicht, dass im Motivationsschreiben absätzelang Geschichte und Leitbild heruntergebetet werden sollen, sondern dass der Bewerber die Aspekte herausgreift, die sich mit den eigenen Vorstellungen überschneiden. Die Heinrich-Böll-Stiftung etwa hat ein besonderes Augenmerk auf Integration - in dem Zusammenhang lässt sich gut im Motivationsschreiben erwähnen, dass der Bewerber seit einiger Zeit Vorlesepate für türkische Kindergartenkinder ist. Das führt zur nächsten Frage ...
Warum sollte diese Stiftung gerade mich fördern? Im Motivationsschreiben greift der Bewerber einige Punkte aus seinem Lebenslauf heraus, die ihn besonders für ein Stipendium qualifizieren und die ihn vor anderen auszeichnen. Er erklärt, was die Stiftung davon hat, ihn zu fördern, inwieweit seine und ihre Ziele übereinstimmen. Er kann also auf seine durchgängig guten Studienleistungen verweisen, auf das Wissen und die Erfahrungen, die er an der Uni oder während Praktika bereits gesammelt hat und inwiefern sie zu den Leitlinien der Stiftung passen. Er kann sein soziales Engagement anführen und erklären, wie und warum er dies - vielleicht mit Hilfe des Stipendiums - fortsetzen oder intensivieren will. Er kann Ziele für Studium und Karriere erläutern, die er erreichen will, und was diese mit der Stiftung zu tun haben.
Diese Fragestellungen sind nicht klar voneinander zu trennen und entsprechen nicht exakt drei Absätzen des ein- bis zweiseitigen Motivationsschreibens; sie bilden aber das Gerüst, das mit Persönlichem unterfüttert wird. Grundsätzlich gilt, dass es jenseits aller Tipps und Empfehlungen keine Bedienungsanleitung für ein Motivationsschreiben geben kann - und auch kein Muster, bei dem nur noch Name, Fach und Daten ausgetauscht werden müssen.
Damit ein Motivationsschreiben gut und glaubwürdig wird, muss der Bewerber tatsächlich in sich gehen und das, was er dort findet, auf dem Papier zusammensetzen. Vor allem mit Blick auf persönliche Gespräche und Auswahlverfahren ist es besser, authentisch zu bleiben als Details aufzublasen. Auch das Rechtschreibprogramm noch einmal darüber laufen zu lassen, schade nicht, sagt Sibylle Kalmbach, stellvertretende Generalsekretärin der Studienstiftung des deutschen Volkes: "Bei manchem, was abgegeben wird, hat man den Eindruck, dass es nur hingeschludert wurde."
Für die Bewerbung insgesamt, aber besonders für das Motivationsschreiben kann es hilfreich sein, sich vorher mit aktuellen oder ehemaligen Stipendiaten auszutauschen. Wer niemanden persönlich kennt, findet möglicherweise Ansprechpartner über Facebook; die meisten Stiftungen sind auch hier mit Gruppen vertreten. Außerdem gibt es Hochschulgruppen einiger Stiftungen, bei denen man ebenfalls vorbeischauen kann.