Bewerbung für ein Stipendium:Wie läuft das Auswahlverfahren ab?

Von der Klausur bis zum Assessment-Center: Nach der schriftlichen Bewerbung für ein Stipendium müssen die Kandidaten die stressigen Auswahlverfahren der Stiftungen überstehen. Belohnt werden sie mit renommierten Förderprogrammen - wenn sie einige wesentliche Punkte beachten.

Sabrina Ebitsch

Wenn die Bewerbung für ein Stipendium im Briefkastenschlitz verschwunden ist, geht das Warten, Hoffen und Bangen los: Reicht es nur für eine höfliche Standard-Absage oder hat sich die Mühe gelohnt?

Bei manchen Stiftungen stapeln sich in regelmäßigen Abständen die Bewerbungsmappen auf den Schreibtischen der Mitarbeiter, bei anderen trudeln alle paar Monate vereinzelte Schreiben ein. Wie es danach weitergeht, handhaben die Stiftungen ganz unterschiedlich. Bei kleineren Stipendiengebern ist es oft mit einem einstufigen Auswahlverfahren getan: Auf Basis der Bewerbungsunterlagen wird gemäß der jeweiligen Förderkriterien entschieden, welcher Bewerber den Zuschlag erhält - da können manchmal schon Wohnort oder Einkommensnachweis ausschlaggebend sein.

Insbesondere in der Begabtenförderung dient die schriftliche Bewerbung aber nur einer Vorauswahl. Die Bewerber, die mit ihren Zeugnissen, ihrem Lebenslauf und ihrem Motivationsschreiben überzeugen konnten, kommen in die zweite Runde eines breiter angelegten Auswahlverfahrens. Hier wollen die Vertreter der Stiftung die Kandidaten in der Regel persönlich kennen lernen.

Je nach Organisation erwarten sie ein oder mehrere Vorstellungsgespräche mit Vertrauensdozenten, ehemaligen Stipendiaten oder Mitarbeitern der Stiftung - wie etwa bei der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Bei anderen Stiftungen werden die Bewerber zu Prüfungen vor Ort gebeten, wo - wie etwa bei der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung - Klausuren oder Essays geschrieben werden und Gespräche mit einem Stiftungsvertreter oder einer Kommission anstehen.

Die Studienstiftung des deutschen Volkes lädt zu einem Auswahlwochenende mit Präsentationen und anschließenden Diskussionsrunden und zwei persönlichen Gesprächen. Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft veranstaltet ein Assessment-Center, das das Schreiben eines Aufsatzes, ein Einzelgespräch, eine Gruppenarbeit und Präsentation umfasst. Bei den meisten Stiftungen kann man sich auf den Webseiten informieren, was einen im Auswahlverfahren erwartet.

Weil die Anforderungen so unterschiedlich sind, müssen sich die Bewerber entsprechend individuell vorbereiten. In jedem Fall ist es hilfreich, Motivationsschreiben und Lebenslauf vorher noch einmal gründlich durchzulesen und die Stationen des eigenen Werdegangs zu reflektieren: Warum habe ich erst ein Freiwilliges Soziales Jahr gemacht, anstatt gleich zu studieren? Warum habe ich in der Kollegstufe aufgehört, die Jugendgruppe zu leiten?

Außerdem sollte man sich mögliche Nachfragen und dazu passende Antworten überlegen - besonders, wenn Brüche oder Defizite offenkundig werden. Auch über Pläne und Ziele für das Studium und die Zeit danach muss man sich spätestens jetzt Gedanken machen. Weil die Stiftungen erwarten, dass der Bewerber ein solides Allgemeinwissen mitbringt und sich - im persönlichen Gespräch und erst recht in Diskussionen - zu aktuellen politischen oder gesellschaftlichen Themen äußern kann, sollte er in den Wochen vorher intensiv Zeitung und (Fach-)Zeitschriften lesen, TV-Nachrichten und politische Magazine schauen.

Sozialkompetenz statt Selbstdarstellung

Außer bei der Promotionsförderung, wo das Forschungsvorhaben und die Fachkenntnisse des Kandidaten eine entscheidende Rolle spielen, wird kaum eine Stiftung Fachwissen im Detail abprüfen. Oft will sie aber einen Eindruck gewinnen, ob der Bewerber für seine guten Noten viel auswendig lernt oder sich wirklich souverän in der Materie zurechtfindet. Hier kann es helfen, sich bei Lücken noch einmal in Grundlegendes einzulesen und besondere Hausarbeiten oder Studienprojekte durchzusehen, von denen man dann inhaltlich ausführlicher berichten kann. Auch auf Fragen nach der Arbeit und Geschichte der Stiftung und der Motivation für die Bewerbung sollte man vorbereitet sein.

Für Präsentationen oder Diskussionsrunden, die die Bewerber wie bei der Studienstiftung teils selbst moderieren, sollte man sich vorab ein geeignetes Thema überlegen und ausarbeiten. Hier geht es nicht darum zu zeigen, was für ein toller Rhetoriker man ist, sondern um Sozialkompetenz und die Fähigkeit, ein Thema zu strukturieren und allgemeinverständlich vorzustellen. Deswegen ist es auch besser, sich bei der Auswahl an der aktuellen Berichterstattung in den Medien zu orientieren als an den Referatsthemen aus dem letzten Uni-Seminar.

Allgemein gilt für Gruppendiskussionen, die etwa bei der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung dazugehören: die Scheu zu sprechen überwinden, Argumente statt Emotionen, die eigene Meinung selbstbewusst vertreten. Man muss sich nicht zum Moderator aufschwingen, um die Jury zu beeindrucken, das kann auch mit ein, zwei zurückhaltenden, aber klugen Einwürfen gelingen. "In der Gruppendiskussion geht es um soziale Kompetenz: Wenn jemand durch extreme Schüchternheit auffällt und sich gar nicht äußert oder die anderen unterbricht und totquatscht, dann nehmen wir ihn oder sie im Zweifelsfall nicht", sagt Sibylle Kalmbach, stellvertretende Generalsekretärin der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Wer so weit gekommen ist, sollte diese zweite Runde des Auswahlverfahrens nicht als Prüfung missverstehen, die man besteht oder nicht. Hinter all dem Aufwand, den manche Stiftungen betreiben, steckt vor allem der Versuch, sich ein authentisches Bild vom Bewerber zu machen. Deswegen ist auch eine ehrliche, persönliche Antwort allemal besser als ein wohlformulierter Allgemeinplatz.

Stipendiengeber wollen wissen, ob der Bewerber dem entspricht, was ihnen in den Bewerbungsunterlagen versprochen wurde - tricksen funktioniert meist nicht, weil die Prüfer teils extra psychologisch geschult werden und erfahren genug sind, um das zu durchschauen. "Nicht verstellen, das wird nicht gelingen", warnt Kalmbach, "nicht behaupten, man interessiere sich sehr für französische Literatur, um damit zu punkten, wenn es gar nicht der Fall ist. Bewerber sollten zu dem stehen, was sie gemacht haben, und das authentisch rüberbringen."

Absolute No-Gos sind Lügen im persönlichen Gespräch oder das freimütige Bekenntnis, dass man vor allem an der monatlichen Überweisung interessiert ist. Auch Selbstdarsteller und allzu große Egos kommen nicht gut an.

Wer ein Stipendium vergibt, will wissen, wer da möglicherweise Geld und Bildungsangebote von ihm bekommen soll und ob derjenige zur Stiftung passt. "Der Stipendiat ist immer ein Repräsentant dieser Stiftung. Was das im Einzelfall bedeutet und worauf sie besonders Wert legt, sollte man sich vorher überlegen und im Hinterkopf behalten", sagt Max-Alexander Borreck, Co-Autor des Buchs Der Weg zum Stipendium. In jedem Fall sind Einzelkämpfer nicht die Zielgruppe. "In den allermeisten Fällen werden Teamplayer gesucht, nicht diejenigen, die im stillen Kämmerlein alleine vor sich hinarbeiten", sagt Borreck.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: