Berliner Studenten gründen Diskussionsplattform:Frag doch mal den Wulff!

Hauskredit, Urlaubsreisen, Haute Couture - Bundespräsident Wulff hat in seinen Affären noch lange nicht alles gesagt, da sind sich zwei Berliner Politikstudenten sicher. Deshalb haben sie eine Online-Plattform ins Leben gerufen, auf der die Bürger ihre Fragen stellen können: Direkt zu Wulff. Und das Bundespräsidialamt will antworten.

Verena Wolff

Salamitaktik ist ein schönes Wort für das Verhalten, das Politiker an den Tag legen, die nicht mit der ganzen Wahrheit rausrücken wollen: Sie lügen nicht, sie sagen aber auch nicht mehr als unbedingt nötig und meist nur das, was auf anderem Weg schon bekannt wurde. Karl-Theodor zu Guttenberg, Verteidigungsminister a. D., bediente sich vergangenes Jahr dieser Methode. Christian Wulff, Bundespräsident derzeit noch im Amt, erprobt sie mit seinen Äußerungen zu Krediten und Mailboxansagen.

Vielen Bürgern mutet das zumindest merkwürdig an. Und vor allem bleiben Fragen offen. Viele Fragen. Das dachten sich auch die Politikstudenten Patrick Tammer und Tobias Röcker - und bastelten eine Online-Plattform mit dem Namen "Direkt zu Wulff". Auf dieser Seite können registrierte Nutzer ihre brennendsten Fragen an den Bundespräsidenten stellen.

Die Software stellt nach Angaben der Studenten die relevantec GmbH zur Verfügung - kostenfrei und unentgeltlich, die beiden Gründer lieferten die Idee und betreiben die Seite mit ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Ein Mal pro Woche, am Montagmorgen, werden die drei meistgestellten Fragen an das Präsidialamt übermittelt. "Viele Bürger haben noch Fragen, die sie dem Staatsoberhaupt direkt stellen wollen", sagt Tammer. Mit Hilfe der Software, auf der die Seite läuft, werden die Fragen gebündelt, die Themen sortiert und strukturiert. Nutzer können die Fragen einsehen und bewerten. Durch diese Filterung der Themen und die so erreichte Bündelung auf drei Fragen erhoffen sich die beiden 20-jährigen Politikstudenten, Erfolg im Präsidialamt zu haben. "Wir haben angefragt und die Antwort bekommen, dass Fragen der Bürger in der Regel beantwortet werden." Wie lange das dauert, wissen sie noch nicht. "Aufgrund der aktuellen Ereignisse hat man da gerade viel zu tun." Die Antworten aus dem Schloss Bellevue sollen unter der Frage eingefügt werden, wo sie weiter kommentiert werden kann.

Dennoch verfolgen die beiden angehenden Politikwissenschaftler, die vor wenigen Monaten ein eigenes Unternehmen mit dem Schwerpunkt Politikkommunikation gegründet haben, ein klares Ziel: "Wir wollen kurzfristig dafür sorgen, dass Klarheit geschaffen wird - schließlich steht oft Aussage gegen Aussage." Und: "Auch wenn Journalisten Fragen stellen oder der Anwalt des Bundespräsidenten auf mehr als 400 Fragen antworten will, haben die Bürger ja vielleicht noch ganz andere Fragen", so Tammer.

Wer die Fragen postet, können die beiden studentischen Jungunternehmer nur vermuten: Das Publikum scheint recht gemischt, sowohl was das Alter als auch die soziale Schicht angeht". Anmelden müssen sich die Nutzer nur mit Namen und Mail-Adresse, "schließlich wollen wir ihnen nicht mehr Daten als nötig abverlangen" - daher ist das Führen von Statistiken schwierig. Die Idee zu der Plattform entstand in den Weihnachtsferien: "Wir hatten noch zu viele ungeklärte Fragen", sagt Tammer. Dafür sahen die Politikstudenten das Web 2.0 als ideales Mittel. "Das ist eine Win-win-Situation", so Tammer: Die Bürger könnten die Fragen loswerden, die sie wirklich interessieren - und der Bundespräsident könne für mehr Klarheit sorgen.

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