Benoît Peeters ist Tintinologe durch und durch. So nennen sich Wissenschaftler, die sich ernsthaft mit der Comic-Reihe "Tim und Struppi" (Originaltitel: "Les Aventures de Tintin") beschäftigen, die der belgische Zeichner Georges Remi unter dem Namen Hergé von 1929 bis zu seinem Tod im Jahr 1983 veröffentlicht hat. Peeters hält die Reihe für das Meisterwerk der Comic-Kunst schlechthin, weshalb er Essays und Bücher darüber verfasst hat und zudem eine Biografie von Hergé.
In manchen akademischen Kreisen gilt die Beschäftigung mit Comics als banal und unwissenschaftlich. Peeters, 58, hat das nie angefochten. Comics sind eines seiner Lebensthemen, und das heißt nicht, dass er sich nicht auch mit schwereren Stoffen beschäftigen würde. Vor fünf Jahren veröffentlichte er eine hochgelobte Biografie des Philosophen Jacques Derrida.
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"Ein wichtiger und interessanter Moment für die grafische Form"
Als die Universität von Lancaster jüngst beschlossen hatte, die erste Comic-Professur Großbritanniens einzuführen, fragte sie vorsichtig bei Peeters an, ob er sich für so einen Posten interessieren könnte. Peeters zeigte sich begeistert und sagte zu, was heißt, dass die Universität nun stolz verkünden konnte, dass der in Belgien lebende Franzose von 2016 an drei Jahre als "Gastprofessor für grafische Fiktion und Comic-Kunst" im Nordwesten Englands arbeiten wird. Simon Guy, Dekan der Philosophischen Fakultät, befand, die Ernennung bringe "eine neue Dimension" in die Lehre der Universität, und Peeters selbst sagte: "Dies ist ein wichtiger und interessanter Moment für die grafische Form."
Nach seinem Abschluss in Philosophie an der Pariser Sorbonne studierte Peeters bei Roland Barthes an der berühmten École des Hautes Études en Sciences Sociales. Seine Doktorarbeit wollte er über Comics schreiben, was aber damals, wie er erzählt, im akademischen Milieu Frankreichs schlicht nicht möglich war. Peeters zog nach Belgien und veröffentlichte Romane und Sachbücher, er schrieb Essays und drehte Filme. 2007 wurde er an der Sorbonne habilitiert.
Peeters kennt sich nicht nur in der Theorie mit Comics aus
Aus Sicht der Universität in Lancaster sprach für Peeters neben seiner Vielseitigkeit auch, dass er sich nicht nur in der Theorie mit der Kunst des Comics beschäftigt. Mit dem belgischen Zeichner François Schuiten veröffentlicht er bereits seit 1983 die Comic-Reihe "Die geheimnisvollen Städte". Darin geht es um eine Welt, die von der Erde aus gesehen auf der anderen Seite der Sonne liegt. Sie ist mit unserer Welt allerdings durch geheime Portale verbunden, die einige wenige Menschen kennen, was dazu führt, dass zum Beispiel der große Jules Verne immer wieder einmal in den geheimnisvollen Städten auftaucht.
Für die Reihe wurden Schuiten und Peeters mit internationalen Preisen bedacht, unter anderem 1998 mit dem Max-und-Moritz-Preis, der wichtigsten Auszeichnung für grafische Literatur im deutschsprachigen Raum. Diese wird alle zwei Jahre beim Internationalen Comic-Salon in Erlangen vergeben.