Bachelor und Master:Absolventen zweiter Klasse

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Zehn Jahre nach Einführung des Bachelors streiten die Bildungsministerin und Hochschulrektoren über die Bilanz der Reform. Fakt ist: Der straffe Studienplan ermöglicht oft keine Auslandssemester. Und: Die Uni-Abgänger sind zwar jung - aber das ist nicht immer ein Vorteil.

Johann Osel

Eigentlich sollte die Bologna-Reform das Studentenleben erleichtern: Mit dem Sechs-Semester-Abschluss Bachelor, auf den wahlweise ein zweijähriger Master folgt, könne man problemlos zwischen Europas Universitäten wechseln und schneller in den Job einsteigen, versprachen die Reformer. Zehn Jahre nachdem Bologna in Deutschland eingeführt wurde, zog der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), Horst Hippler, kritisch Bilanz. Mobilität und Berufsreife? Nicht wirklich umgesetzt , sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung . Bildungsministerin Annette Schavan spricht dagegen von einer "Erfolgsgeschichte". Der Bachelor wirft viele Fragen auf. Die wichtigsten Antworten.

Was hat sich seit den Studentenprotesten in Dutzenden Städten 2009 getan?

Der Frust der Studenten entlud sich damals vor allem wegen des verschulten Bachelor-Korsetts und der hohen Belastung. Tatsächlich hatten viele Hochschulen einfach die Inhalte des alten Abschlusses in den kürzeren Bachelor gepresst - auch weil die Professoren darauf bestanden, dass bei ihrem Steckenpferd keine Abstriche gemacht werden. Nach den Protesten wurden vielerorts Stundenpläne entschlackt. Heikel daran: Werden Inhalte gestrichen, bestärkt dies Kritiker, die den Bachelor ohnehin als Schmalspurstudium geißeln. Junge Leute, die mit Bologna sozialisiert wurden, sehen das neue System als Selbstverständlichkeit, auch viele Professoren haben sich mit der Reform im Grundsatz abgefunden. "Von einer rosaroten Bologna-Erfolgsgeschichte zu schwadronieren ist genauso unsinnig wie die Rückabwicklung der Reform einzufordern", sagt Kai Gehring, Bildungsexperte der Grünen.

Ist das Ziel der besseren Auslandsmobilität nun verwirklicht oder nicht?

Schavan sagt, es gingen heute im Vergleich zu 1999 doppelt so viele Studenten ins Ausland. Das stimmt, ist aber zu pauschal. Die konkrete Zahl der Auslandsaufenthalte von Bachelor-Studenten stagniert seit Jahren. 2011 sind 22 Prozent der Uni-Bachelor während der Regelstudienzeit ins Ausland gegangen. Rechnet man diejenigen hinzu, die dafür ihren Sechs-Semester-Plan überzogen haben, ist es ein Drittel. In den Träumen der Bologna-Macher hieß es einst, dass mindestens die Hälfte im neuen Regelabschluss internationale Erfahrung sammeln soll. Studenten beklagen, dass in den drei Jahren kein Puffer dafür sei. Ein Versagen der Unis: Selbst in international angelegten Studiengängen wurde oft kein Auslandssemester in den Verlauf eingeplant.

Worunter leidet die Mobilität noch?

In der Theorie gibt es ein grenzenloses Europa der Hochschulen. Die Bologna-Staaten haben das "European Credit Transfer and Accumulation System" (ECTS) eingeführt, um studentische Leistungen zu messen und international vergleichbar zu machen. Der Student von heute belegt "Module", deren Arbeitsaufwand in ECTS-Punkten berechnet ist. Diese Punkte seien "keine echte Währung", sie sagten nicht aus, was ein Student kann, meint HRK-Chef Hippler. Und er hat Recht. Die wechselseitige Anerkennung funktioniert oft nicht. Auf ihrer jüngsten Bologna-Konferenz in Bukarest hatten Europas Bildungsminister "Ungleichgewichte" eingeräumt. Professoren und Dozenten, denen die Anerkennung obliegt, verweisen auf variierende Niveaus trotz des gemeinsamen Hochschulraums.

Was taugt der Bachelor in der Praxis?

Der Bachelor ist ein vollwertiger Hochschulabschluss, den man nicht kleinreden sollte", sagte die Wissenschaftsministerin von Nordrhein-Westfalen, Svenja Schulze, nach der Aufregung um Hipplers Äußerungen. Das mag für die berufsnahen Fachhochschulen gelten, bei den Unis ist es nur die halbe Wahrheit: Zwar ist die Bachelor-Arbeitslosigkeit marginal, in Umfragen klagen Arbeitgeber aber regelmäßig über die schlechte fachliche und persönliche Eignung der jungen Absolventen. In naturwissenschaftlichen Fächern ist eine Karriere allein mit Bachelor fast unmöglich. In Wirtschaftswissenschaften landet ein Bachelor eher im Vertrieb als im Management, Gehaltseinbußen im Vergleich zum alten Diplom sind nachweislich üblich. Die Studenten erkennen das: Der Andrang auf Bologna-Stufe zwei ist enorm, weniger als ein Fünftel aller deutschen Uni-Bachelor-Studenten will laut Umfragen mit dem ersten Abschluss vorlieb nehmen. Sie fühlen sich sonst als Akademiker zweiter Klasse.

Warum macht man dann nicht den Master zum "Regelabschluss"?

Bachelor müssten "endlich das Recht bekommen, selbst zu entscheiden, ob sie ein Masterstudium anschließen", fordert die Bildungsgewerkschaft GEW. Der Master als Regelabschluss würde den Grundgedanken der Reformer - das schnellere Studium - aber konterkarieren. Für Studenten ein Graus sind Hürden bei der Zulassung zum Master. Es gab Fälle, wo nicht mal gute Bachelor-Noten zum Weiterstudieren reichten; oder Lehramtsstudenten der Zugang verwehrt wurde, obwohl es Bachelor-Lehrer offiziell gar nicht gibt. Die Unis quotieren den Master auch aus finanziellen Gründen. "Wir haben ein Kapazitätsproblem. Es macht ja den Hochschulen keine Freude, wenn sie eine Auswahl treffen müssen", hat HRK-Generalsekretär Thomas Kathöfer mal gesagt. Noch existieren die Quoten nicht flächendeckend. Die Hochschulen verbuchen aber gerade einen Rekordansturm an Studienanfängern, 2011 mehr als 500 000 - und könnten diesen in drei Jahren wohl kaum genug Masterplätze offerieren. Der Bachelor muss sich also irgendwie etablieren.

© SZ vom 16.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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