Bachelor-Absolventen:Wie der Staat den Bachelor quasi für unbrauchbar erklärt

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Das Innenministerium will Bachelor-Absolventen nicht in den höheren Dienst aufnehmen. Sie büßen für die Studienreform. Wie unanständig.

Kommentar von Johann Osel

Es waren Szenen fast wie aus dem Geschichtsbuch, Kapitel 68er-Revolte: Zehntausende Studenten besetzen Hörsäle, ziehen wütend durch Berlin und Frankfurt, durch Jena und Wuppertal. Zurück blieben auch verwüstete Gebäude, zumindest mit Klopapier verhüllte. Die großen Bildungsproteste gegen das verschulte Bachelor-Studium, das mit der Bologna-Studienreform kam, sind gerade mal sechs Jahre her. Was ist geblieben von Slogans wie "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut" oder "Einbahnstraße Bachelor"? Wenig, heute protestieren höchstens Grüppchen, der große Frust ist verpufft. Schöne heile Bachelor-Welt also? Überhaupt nicht. Das zeigt sich beim Streit um Bachelors im Staatsdienst.

Mit Nachdruck wehrt sich das Bundesinnenministerium dagegen, Bachelors mit Berufserfahrung in den Höheren Dienst aufzunehmen; obwohl das der Koalitionsvertrag so vorsieht. Und die Wirtschaft? Dort werden diese Absolventen zwar nachgefragt, im Grunde aber belächelt. Sie erhalten Jobs, auch passable Konditionen, doch meist mit Einschränkungen: Bachelor-Ingenieure landen eher in Vertrieb und Produktion als in der Entwicklung. Betriebswirte managen Projekte, sind aber kaum auf dem Sprung in die Geschäftsleitung.

Jedes Dorfmuseum wünscht sich Historiker und Ethnologen mit Master oder gar Doktortitel. Kein Patient will beim Bachelor-Arzt auf den OP-Tisch, kein Angeklagter geht mit Bachelor-Anwälten vor Gericht (aus dem Grund stellen Medizin und Jura kaum auf Bachelor und Master um). Man kann den Innenminister verstehen. Trotzdem macht er es sich zu einfach. Der Staat steht in der Pflicht - gegenüber einer verschaukelten Absolventen-Generation.

Ausgerechnet der Staat erklärt die Absolventen nun für unbrauchbar

Es lässt sich ja über den Bachelor zetern und witzeln: Studienabbrecher mit Zeugnis, Fließband-Akademiker, und so weiter. Die Begriffe sind unfair, haben aber einen wahren Kern: Das Bachelor-Studium bedeutet eine Verknappung der Inhalte und der Zeit, zum Lernen wie Reifen. Die Studenten haben sich das nicht ausgesucht.

Anderthalb Jahrzehnte ist es her, da haben Europas Bildungsminister das gemeinsame Bologna-System beschlossen. Das Projekt sah den Bachelor als Regelabschluss vor; mit der Annahme, dass ihm allenfalls ein Quäntchen Tiefgang fehle. Tatsächlich aber streben die meisten Studenten einen Master an, um auf den Stand früherer Magister oder Diplome zu kommen. Der Bachelor nach sechs Semestern gilt im Grunde nur als Option für diejenigen, die an der Uni nicht mehr weitermachen wollen oder die auch so gut in einen Beruf finden.

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Wirtschaft wie Politik drängten auf die Bologna-Reform. Doch Bachelor-Absolventen werden immer noch belächelt, der höhere Dienst wird ihnen gar ganz verweigert. Wie lässt sich das Dilemma lösen?

Diese Option könnte auch der Staat für seine Spitzen-Jobs bieten. Behörden sollen weiterhin bei jeder Stelle den besten Bewerber nehmen - warum sollte das nicht auch ein Bachelor mit Berufserfahrung sein? Er hat sich trotz des Bachelor-Malus auf dem freien Markt bewährt, wo mehr Durchsetzungskraft verlangt wird als in mancher Amtsstube. Es war die Wirtschaft, die diese Reform wollte. Es war die Politik, die sie ihr geliefert hat. Es ist unehrlich, nun die jungen Leute dafür büßen zu lassen.

© SZ vom 30.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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