Außenstelle der TU Berlin in Ägypten:Uni unter Palmen

Jede Stadt braucht eine Universität - meint ein schwerreicher einstiger Student der TU Berlin und hat im ägyptischen Luxus-Ferienort El Gouna einen Auslandscampus der Hochschule errichtet. Draußen: nubisch-orientalischer Stil, drinnen: blanke, deutsche Lehre und eingeflogene Professoren.

Sarah Ehrmann

Außenstelle der TU Berlin in Ägypten: Orientalische Pracht, deutscher Inhalt: Der holzvertäfelte Hörsaal im Nobelort El Gouna mutet eher an wie der Veranstaltungssaal eines Weltkonzerns.

Orientalische Pracht, deutscher Inhalt: Der holzvertäfelte Hörsaal im Nobelort El Gouna mutet eher an wie der Veranstaltungssaal eines Weltkonzerns.  

(Foto: TU Berlin)

In der Welt von Samih Sawiris geht es selten um kleine Dinge. Was der Sohn der reichsten Familie Ägyptens in den vergangenen Jahren anfasste, hat den Flair des Überdimensionalen, den Hang zum Exzentrischen. Vor 20 Jahren erstand Sawiris 40 Millionen Quadratmeter Sand und Geröll am Roten Meer - und stampfte Ägyptens Edelferienort El Gouna aus dem Boden. Inzwischen leben und urlauben jährlich mehr als 20.000 Einwohner und Gäste in "der Lagune", es gibt zwei Jachthäfen und 100 Restaurants. Nach dem gleichen Konzept baute er Resorts in Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, aktuell in der Schweiz.

Geschätztes Investitionsvermögen allein für das Alpental: mehr als eine Milliarde. Daneben wirkt Samih Sawiris' neuestes Projekt fast läppisch. "Jede Stadt braucht eine Uni", ist die Devise des 55-Jährigen. Nun hat er sie in El Gouna verwirklicht: Sawiris hat der Technischen Universität Berlin einen Standort in seinem Ferienort gebaut und geschenkt. Ein Satellitencampus, äußerlich im nubisch-orientalischen Stil, im Inneren: blanke, deutsche Lehre, eingeflogene Professoren und Studiengänge nach Berliner Hochschulrecht.

Damit ist das "Zentralinstitut El Gouna" eine Berliner Exklave unter Palmen, unabhängig vom ägyptischen Staat und Bildungsministerium. In diesen Tagen beginnen 30 Studenten ein Masterstudium. Sie werden zwei Jahre lang in dem eleganten, mit dunklem Holz verkleideten Vorlesungssaal alles über Wasserwirtschaft, Energietechnik und Stadtentwicklung lernen, in der Mittagspause im schattig-mondänen Innenhof die Füße in einem künstlichen Bach kühlen oder in der Lounge, die mehr einem Hotel als einer Uni ähnelt, auf Lederfutons ausruhen. Ihre Anzahl entspricht 0,1 Promille der Berliner TU-Studenten, es gibt drei Studiengänge, sieben Gebäude, 23 Mitarbeiter in Verwaltung und Labor. Manchmal geht es in der Welt von Samih Sawiris doch um kleine Dinge.

Noch haben die Palmwedel vor dem terrakottafarbenen Bau ihre volle Größe nicht erreicht. Wie grüne Pinselborsten zucken sie im Wind, der vom Roten Meer her die erdfarbenen Wohnhäuser mit den Runddächern, die 1001-Nacht-Nobelhotels und den 18-Loch-Golfplatz streift. Über dem Eingang des Gebäudes prangt in roten Buchstaben: "TU Campus El Gouna". "Man fühlt schon ein gewisses Kribbeln, wenn man unser Logo über dem Campus sieht", sagt TU-Präsident Professor Jörg Steinbach.

Für seine Uni ist der Campus in El Gouna die erste Aktivität im Ausland, "eine kleine Perle - und ein strategischer Standort für Nahost und Nordafrika". Nach Schätzungen der TU kostete der Bau die Orascom Hotel&Development, der Samih Sawiris als Chef vorsteht, etwa 38 Millionen Euro. Die jährlichen akademischen Betriebskosten von ein bis zwei Millionen Euro werden sowohl von Sawiris als auch den Studienbeiträgen von 5000 Euro pro Semester getragen. Dass Sawiris die TU für El Gouna auswählte, ist kein Zufall: Er selbst studierte einst, nachdem er die Deutsche Evangelische Oberschule in Kairo besucht hatte, Wirtschaftsingenieurwesen in Berlin. Bis heute spricht er fließend Deutsch mit weichem Zungenschlag.

Er war es dann auch, der vor sechs Jahren auf die Universitätsleitung zukam: "Wir waren überrascht - aber auch hoch erfreut über diese Möglichkeit zum Bildungsexport", erinnert sich Präsident Steinbach. Die drei angebotenen Studiengänge, "Energy Engineering", "Water Engineering" und "Urban Development", sind speziell auf die Bedürfnisse der Mena-Region - Nahost und Nordafrika - ausgerichtet: auf trockene oder halbtrockene Gebiete, in denen die Anzahl der Bevölkerung wächst und der Energiebedarf stetig zunimmt, aber bislang relativ wenig Energie aus regenerativen Quellen genutzt wird.

Bausteine für Ägypten

Zwei Jahre lang arbeiteten TU-Professoren und wissenschaftliche Mitarbeiter daran, die Studiengänge, die nur in El Gouna angeboten werden, aus bestehenden Lehrmodulen der TU und neuen Bausteinen zu entwerfen. El-Gouna-Studenten, von denen etwa die Hälfte aus Ägypten, die andere Hälfte aus aller Welt stammt, müssen einen Bachelor-Abschluss und außerdem ein Jahr Berufserfahrung vorweisen. 100 hatten sich zum Start beworben, 70 von ihnen galten als geeignet. "Dass sich jetzt nur 30 immatrikuliert haben, ist normal", sagt Krystyna Schneider, stellvertretende Geschäftsführerin des Zentralinstituts. "Wir waren eher überrascht über das rege Interesse, denn ein Universitätsbetrieb braucht gewöhnlich ein bis zwei Jahre, bis er sich eingespielt hat." Deutsche Studenten würden in der Bewerbung nicht bevorzugt, sagt sie, erhielten allerdings womöglich einfacher ein Vollstipendium einer deutschen Stiftung.

Einer der zukünftigen Studenten ist Ahmed Aly aus Kairo. Der 26-jährige Elektroingenieur wird in El Gouna Energy Engineering studieren, um, wie er sagt, "durch die Forschung den Menschen gute Lebensbedingungen zu schaffen". Er kennt die Energiesorgen seines Landes, im Fastenmonat Ramadan bekam er die direkte Konsequenz zu spüren: Plötzlich verstummten die Klimaanlagen, die Ventilatoren hörten auf sich zu drehen, Fernsehbildschirme in wurden schwarz - stundenlange Stromausfälle bei Wüstenklima. "Wir konnten nichts tun als abzuwarten", sagt Aly. Denn neben dem Energieproblem stockt in Ägypten auch die Infrastruktur. "Die Strecke in die Stadt ist kurz, aber man braucht zwei Stunden - der Verkehr ist verrückt."

Aly hat zwar in seinen Arbeitsjahren als Elektrodesigner etwas Geld zurückgelegt, aber ohne eines der 15 Stipendien, die ebenfalls Sawiris finanziert, könnte er sich die hohen Gebühren in El Gouna nicht leisten. 5000 Euro bedeuten viel in einem Land, in dem der durchschnittliche Monatslohn bei ungefähr 200 Euro liegt. Nun hofft Aly, einen Wohnzuschuss zu bekommen, um in eines der Campus-Appartements ziehen zu können: 35 Quadratmeter kosten 200 Euro, das etwas größere, zweistöckige Studio ist 100 Euro teurer. Im edlen El-Gouna-Stil sind sie alle.

Ein ähnliches Projekt gab es freilich auch schon zuvor - die Deutsche Universität in Kairo, mit Unterstützung der Bundesregierung und deutscher Hochschulen errichtet und von ägyptischen Investoren finanziert. Dort macht man sich aber bislang keine Gedanken über die Konkurrenz am Roten Meer: "Wir haben für das kommende Semester 2000 neue Studenten aufgenommen, da ist der kleine Campus El Gouna eher eine Ergänzung als ein Konkurrent", sagt Professor Hans Wolff, der als Vizevorsitzender des Stiftungsrates die Universität in Deutschland vertritt.

Ob das Zentralinstitut El Gouna in den kommenden Jahren auf die Größe von 500 Studenten anwächst, auf die es eigentlich ausgelegt ist, hängt wohl auch damit zusammen, ob genügend deutsches Personal aus Berlin dort arbeiten möchte, heißt es von der TU. Dann könnten sogar Bachelorstudiengänge angeboten werden. Einen Unterstützer hätte dieses Vorhaben bereits: "Herr Sawiris sieht uns als soziales Projekt", sagt Vizegeschäftsführerin Schneider. "Und er sagt immer: In El Gouna ist noch viel Platz."

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