Süddeutsche Zeitung

Auslandsstudium:Raus aus dem Nest

Wer in einem anderen Land studiert, darf sich nicht zu viel erwarten. Nicht alle Arbeitgeber legen Wert auf interkulturelle Kompetenz.

Von  Christine Demmer 

Eine der besten Erfahrungen, die ich gemacht habe", schwärmt Katherina Schütz. Die 24-Jährige war zum Masterstudium nach England gegangen. Steinig war nur der Weg dorthin. "Als ich mit der Suche nach geeigneten Unis begann, hatte ich durchaus Momente, in denen ich dachte, alles sein zu lassen und doch in Deutschland weiterzustudieren", erinnert sie sich. "Die vielen Dokumente, das unterschiedliche System - da lässt man durchaus einige Nerven." In ihrem Kurs saßen 15 Kommilitonen aus zehn unterschiedlichen Herkunftsländern, darunter Engländer, Polen, Chinesen, Malaien und Thailänder. "Diese Mischung macht es interessant", sagt Schütz lobend. Aber auch schwierig, wenn man auf seinem Fachgebiet rasch Fortschritte machen will: "Der Wissensstand ging weit auseinander."

Auch Stephanie Meybrinck entschloss sich nach ihrem Bachelor in Deutschland zu einem Tapetenwechsel. Ihr Masterprogramm absolvierte sie im südschwedischen Lund an der größten Universität Skandinaviens. "Sowohl die kleine Stadt mit ihren vielen historischen Gebäuden als auch das umfangreiche Angebot der Lund University sprachen mich sofort an", sagt sie. "Mein Studium ist ein einjähriges, englischsprachiges Masterprogramm mit betriebswirtschaftlicher Ausrichtung im Bereich Marketing und Branding", erzählt die Studentin. Die Kurse seien anspruchsvoll und vielseitig. Gelernt wird nach der Action-Based-Methode. "Das ist eine Mischung aus Teamwork und praktischer Umsetzung, also alles andere als Frontalunterricht", erklärt Meybrinck. Noch etwas entdeckte sie in Lund: "Die administrative Organisation und digitale Ausstattung übertreffen die durchschnittlichen Standards deutscher Unis."

Wie viel ein im Ausland absolviertes Studium zählt, hängt von der Branche ab

Auslandserfahrung ist für Hochschulabsolventen ein Muss - die Frage ist nur in welcher Form. "Ein Studium im Ausland ist auch sicherlich nicht verkehrt", meint der Frankfurter Personalberater Ralf Kleine. Was die englische Sprache angehe - die sei inzwischen Standard. Von seinen Kunden in Deutschland weiß er aber, dass sprachliche Fähigkeiten, die einem in Asien und Lateinamerika nützen, höher bewertet werden. Spanisch und Chinesisch spricht hierzulande eben nicht jeder. Und trotzdem: "Im Großen und Ganzen wird interkulturelle Kompetenz überbewertet", warnt Kleine vor überzogenen Karrierehoffnungen. "Hohen Anklang findet ein Auslandstudium fast nur in der Strategieberatung. Da wird es ganz gern gesehen." Es müsse auch nicht ein komplettes Masterstudium sein, sagt Kleine, zwei Auslandssemester genügten, um nicht als Nesthocker zu gelten. "Bei gleicher Eignung der Bewerber ist das Zeugnis der ausländischen Hochschule sicher von Vorteil", sagt der Berater. "Aber grundsätzlich wird Auslandserfahrung nicht übermäßig honoriert. Bei Ingenieuren beispielsweise achtet man viel stärker auf die fachlichen Qualitäten." Das bestätigt Christoph Beck, Professor für Personalwesen an der Hochschule Koblenz. Ein Bachelor- oder Masterstudium im Ausland sei erst mal nur ein Signal, sagt er: "Damit demonstriert man Mobilität, Fremdsprachenbereitschaft, kulturelle Offenheit und, je nach Hochschule, fachliche Exzellenz." Von Personalern und Arbeitgebern werde das sehr unterschiedlich bewertet: "Das Meinungsbild reicht von 'zwingend notwendig' bis 'nice to have.'"

Den meisten Studenten reicht denn auch eine Summer School in den USA oder ein Semester in Australien, um sich einen internationalen Anstrich zu geben. Manche schrecken vor den Kosten zurück, obwohl es Auslands-BAföG gibt, andere den Aufwand für die Anerkennung von Studienleistungen, obwohl es die Verabredung von Bologna gibt. Wer die Mühe nicht scheut, sollte aber einen Plan haben. "Man sollte das Studium dazu nutzen, um all das in Erfahrung zu bringen, auf das man noch keine klare Antwort hat", sagt Gudrun Happich, Professional Coach in Köln. Sie liefert ein paar Denkanstöße: "Will ich in Deutschland oder im Ausland arbeiten? Im Konzern oder bei einem Mittelständler? In einer Agentur, bei einer Beratung oder in einem Unternehmen?" Wer keine Lust auf ein oder zwei Jahre im fremden Land habe, aber die Option auf eine spätere Auslandstätigkeit behalten wolle, könne seine Masterarbeit bei einem ausländischen Unternehmen schreiben. Dafür reichen in der Regel einige Monate am jeweiligen Ort.

Tobias Dauth lehrt Internationales Management an der HHL Leipzig Graduate School of Management. Kürzlich befragte er auslandserfahrene Führungskräfte, ob sich für sie der Schritt über die Grenzen gelohnt habe. Herausgekommen ist: für die Karriere nicht unbedingt. "Arbeitgeber finden es zwar gut, wenn Berufseinsteiger Auslandsmärkte kennengelernt haben", sagt Dauth. "Ab einem gewissen Punkt jedoch wirft umfangreiche Tätigkeit im Ausland zurück." Der Grund: Im Ausland sei es nur schwer möglich, den Kontakt zum beruflichen Netzwerk in der Heimat aufrechtzuerhalten. "Natürlich verhagelt interkulturelle Kompetenz nicht die Karriere", sagt der Professor. "Aber allein deshalb wird man nicht schneller befördert."

Bei den Juristen freilich mag das anders sein. "Ein im Ausland erworbener Masterabschluss dokumentiert verhandlungssichere Fremdsprachenkenntnisse und Vertrautheit mit internationalem Recht", versichert Torsten Schneider, Personaldirektor bei der Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft Luther. "Wer ein komplettes Studium in einem fremden Land gemeistert hat, signalisiert die Bereitschaft, seine Komfortzone zu verlassen." Nicht zu vergessen die Außenwirkung. Schneider: "Da der mit dem Auslandstudium erworbene Titel üblicherweise auch auf der Visitenkarte aufgeführt wird, erhöht dies die Wahrnehmung dieser Kompetenzen im geschäftlichen Kontakt."

Die Webseite www.master-and-more.de bietet eine gute Übersicht zu Masterstudien im Ausland

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SZ vom 18.05.2017
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