Ausbildung von Hochschuldozenten:Ungelernte Lehrende

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Frontalunterricht und Massenabfertigung kritisieren Studierende an den Hochschulen.

(Foto: dpa)

Langweilige Vorlesungen, zu wenig Debatte: Viele Professoren und Lehrbeauftragte haben keine didaktische Ausbildung und scheuen Diskussionen. Wer Karriere an der Uni machen will, konzentriert sich auf Forschung statt auf Lehre.

Von Karin Janker

Die Stunde der Wahrheit schlägt für die Lehrenden in der Mitte der Semesterferien. Dann erhalten sie eine E-Mail mit den Ergebnissen der Evaluation ihrer Lehrveranstaltungen. War der Dozent gut vorbereitet? Haben Sie etwas in dem Kurs gelernt? Solche und ähnliche Fragen müssen die Seminarteilnehmer am Ende jedes Semesters beantworten. Die Evaluation gilt inzwischen an fast allen Hochschulen in Deutschland als probates Mittel, die Güte der Lehre zu prüfen. Doch wie gut kann die Lehre sein unter den Rahmenbedingungen, die an den Unis herrschen? Wo Lehrende keinerlei didaktische Ausbildung haben müssen?

Christiane Florin, Lehrbeauftragte an der Uni Bonn kritisiert in ihrem jüngst erschienen Buch "Warum unsere Studenten so angepasst sind" nicht nur die braven Studierenden, sie übt auch Selbstkritik: Die Lehrenden an der Uni seien weitgehend didaktische Autodidakten, die das Lehren nie gelernt haben. Der Wirtschaftsprofessor Birger Priddat pflichtet ihr bei: "Alles, was Professoren über die Lehre wissen, ist selbst erlernt." Eine Ausbildung in Pädagogik oder Didaktik habe so gut wie niemand.

Selbst er als Dekan habe keine Handhabe, aus schlechten Evaluationsergebnissen für Professoren Konsequenzen zu ziehen, so Priddat. "Bei vielen ist es stinklangweilig in der Vorlesung, aber man kann sie auch nicht zwingen, sich didaktisch weiterzubilden", sagt der ehemalige Präsident der Universität Witten/Herdecke. Studenten seien so jedenfalls nicht zu begeistern.

"Karriere wird ausschließlich über Forschung gemacht"

Zwar formiert sich bundesweit seit etwa zehn Jahren ein Angebot an didaktischen Weiterbildungen für Hochschullehrer, doch dieses erreicht nur einen Bruchteil der Lehrenden. Martina Mörth, Leiterin des Berliner Zentrums für Hochschullehre (BZHL), sagt: "Unser Angebot wird sehr gut angenommen, vor allem von Fachhochschul-Dozenten und akademischem Nachwuchs an den Unis. Universitätsprofessoren kommen dagegen kaum in die Kurse, es ist schwierig, diese Gruppe zu erreichen."

Ihrer Erfahrung nach falle es manchen Professoren schwer, sich in ein Seminar zu setzen, lieber nehmen sie individuelle Beratung in Anspruch. Das BZHL bietet seit 2008 Workshops und Weiterbildung für Lehrende an den 13 öffentlichen Hochschulen in Berlin an. Die Themen solcher Kurse reichen von Stimm- und Präsentationstraining bis hin zu Methoden für Großgruppen.

Wie in den meisten anderen Bundesländern ist das Angebot aber freiwillig. Erste verpflichtende Weiterbildungen werden beispielsweise in Bayern erprobt. Hier müssen neuberufene Professoren zwei Seminare am Zentrum für Hochschuldidaktik (DiZ) absolvieren. Außerdem versucht das DiZ ähnlich wie das Zentrum in Berlin die Lehrenden mit Zertifikaten zur Weiterbildung zu motivieren. Das "Zertifikat Hochschullehre Bayern", das seit 2006 existiert, wurde in diesem Jahr aber erst zum 200. Mal vergeben. Das spricht nicht gerade für einen Ansturm von Interessenten.

Frontalunterricht und Massenabfertigung

Aber wen wundert das, wo gerade Professoren an den Hochschulen unter hoher Arbeitsbelastung und Druck von allen Seiten stöhnen? Zunehmend wird von ihnen erwartet, Drittmittel einzuwerben, also vor allem in der Forschung innovativ und erstklassig zu sein. Es fehlen Anreize, Zeit in eine didaktische Ausbildung zu stecken. Professoren werden in Deutschland noch immer vor allem wegen ihrer wissenschaftlichen Qualität berufen und nicht wegen ihres Talents als Lehrer. Ähnliches gilt für den Nachwuchs und für externe Lehrbeauftragte, bei denen vorrangig die Fachexpertise zählt. Den Rest könne man lernen, heißt es.

Aus der Perspektive der Studierenden ist das allerdings fatal. "Karriere wird an der Uni ausschließlich über Forschung gemacht, die Lehre hat einen viel zu geringen Stellenwert", sagt Sandro Philippi, Vorstandsmitglied im Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften, einem Dachverband von Studierendenvertretungen. Philippi fordert deshalb, Studierende bei der Berufung von Professoren mitentscheiden zu lassen.

"Viele Lehrende sind nicht begabt"

"Lehre wird oft noch sehr klassisch durchgeführt, mit dem Ziel in 90 Minuten alles zum Thema zu erzählen, seinen Stoff durchzubringen", sagt Martina Mörth vom Berliner Zentrum für Hochschullehre. Hier müsse ein Umdenken stattfinden: "Was zählt, ist nicht: Was habe ich als Dozent alles gesagt? Sondern: Was ist bei den Studierenden angekommen?" Studierendenvertreter Philippi ist allerdings überzeugt, dass über die Güte der Lehre vor allem die Rahmenbedingungen an den Hochschulen entscheiden. "Viele Professoren würden besser lehren, wenn die Seminare kleiner und die Raumstrukturen besser wären. Sie sind nicht einfach zu faul, sondern mit einer Masse von 500 Studenten pro Vorlesung konfrontiert", sagt Philippi. So eine Situation lasse nur Frontalunterricht und Massenabfertigung zu.

Hinzu kommt Wirtschaftsprofessor Birger Priddat zufolge die verstärkte Reglementierung seit der Bologna-Reform. "Früher gab es eine natürliche Auslese: Zu Professoren, die schlecht lehrten, ging einfach keiner mehr hin. Heute sind die Module so auf die Dozenten verteilt, dass Studenten auch schlechte Lehre über sich ergehen lassen müssen", sagt Priddat. Für Bachelor und Master seien zwar Lernziele definiert worden, aber nicht, wie das Wissen vermittelt werden soll. Auch deshalb verschwinde die Debattenkultur aus den Hochschulen. "Viele Lehrende sind nicht begabt oder einfach sehr unwillig, in Diskussionen mit Studenten zu gehen, weil dann Fragen kommen könnten, auf die man nicht vorbereitet ist", kritisiert Priddat.

Ob jemand trotz fehlender didaktischer Ausbildung ein guter Hochschullehrer wird, bleibt also Zufall und Learning by Doing. Diejenigen, die an den Hochschulen die zukünftige akademische Elite des Landes ausbilden sollen, sind selbst für diesen Bildungsauftrag nie ausgebildet worden. "In Ländern wie Finnland oder Großbritannien ist das anders", sagt Mörth. In Finnland beispielsweise sei für Lehrende an Hochschulen eine didaktische und pädagogische Ausbildung vorgeschrieben, die ähnlich umfangreich sei wie die eines Gymnasiallehrers.

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