Süddeutsche Zeitung

Ausbildung von Migranten:Ehrgeizig, aber hilflos

Eine neue Studie bescheinigt Migranten eine überraschend hohe Wertschätzung für Bildung - doch bei der Umsetzung sind viele Eltern hilflos. Nur in wenigen Milieus glaubt man, dass Bildung nichts bringe.

Von Roland Preuß

Das Bild vom bildungsfernen Migranten ist längst zum Klischee erstarrt: Demnach leben die Eltern desinteressiert und gefangen in überholten Wertvorstellungen, während der kiffende Sohn die Schule abbricht und sich bereits mit einem Leben auf Hartz IV abfindet. Der Bildungsforscher Heiner Barz von der Universität Düsseldorf stellt solchen Klischees nun eine Untersuchung entgegen, die an diesem Dienstag in Berlin vorgestellt wird und die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Hauptbotschaft: Eltern aus Zuwandererfamilien schätzen Bildung mehr als gedacht, doch ihnen fehlen häufig passende Informations- und Hilfsangebote. Barz zeigt aber auch Fehler und Defizite bei den Migranten selbst.

Die meisten wünschen sich mehr interkulturelle Fähigkeiten der Lehrer

Für die Studie "Große Vielfalt, weniger Chancen" hatte das Team um Barz mit Unterstützung der Vodafone-Stiftung und der Stiftung Mercator 1700 Migranten befragt. Die untersuchten Milieus sind sehr unterschiedlich, vom intellektuell-kosmopolitisch orientierten Zuwanderer bis hin zu traditionell-religiösen Migranten. Fast durchgehend stellten die Forscher fest, dass die Eltern hohe Bildungsziele für ihre Kinder anstreben und dafür auch Zeit und Kraft investieren - oft scheiterten sie jedoch, weil die Schulen zu wenige Angebote haben, um diese Ambitionen aufzugreifen.

So legen 92 Prozent der Eltern großen Wert auf die interkulturellen Fähigkeiten der Lehrer, doch tatsächlich haben deutlich weniger, 66 Prozent, diese Fähigkeiten im Schulalltag auch erlebt. Ähnlich hoch sind die Wünsche nach einem speziellen Deutschunterricht für Migranten, einer Beratung über Förderprogramme und spezielle Informationen für Eltern aus Zuwandererfamilien. Die Forscher fordern deshalb, diesen "Bildungsoptimismus" aufzugreifen und die Eltern anzusprechen, je nach Milieu auch zusammen mit Moscheegemeinden, Migrantenverbänden oder in Fremdsprachen.

Die Studie lässt jedoch auch erkennen, dass Bildung manchmal zu wenig geschätzt wird, Barz nennt vor allem das "hedonistisch-subkulturelle Milieu", in dem, grob gesagt, Feiern und Luxus im Vordergrund stehen. Hier ist man, auch wegen schlechter Erfahrungen, oft der Meinung, dass Bildung ohnehin wenig hilft. In religiös geprägten Familien sei man eher hilflos, die eigenen Ziele umzusetzen. "Hier sind auch die Eltern gefordert, sich mehr über die Möglichkeiten in Deutschland zu informieren", sagt Barz.

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SZ vom 24.03.2015/dgr
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