Studium:Durch die Seitentür ins Medizinstudium

Medizin-Studium

Studienplätze im Fach Humanmedizin sind sehr begehrt.

(Foto: dpa)

Manche Universitäten haben spezielle Zugangsregeln. Dank ihnen können Hochmotivierte auch ohne Spitzen-Abi Medizin studieren.

Von Benjamin Haerdle

Wenn man sagt, dass am 16. Oktober für Malte Tielsch ein Traum in Erfüllung gegangen ist, klingt das erst einmal kitschig. Doch er empfand es als Wunder, dass er sein Medizinstudium an der Universität des Saarlandes am Standort Homburg beginnen konnte. Mit einem Abiturdurchschnitt von 1,5 hatte er im Sommer 2015 das Mannheimer Lessing-Gymnasium verlassen. Schon da wusste er: "Mit dieser Note wird es schwer für mich, in meiner Heimatstadt Medizin zu studieren." In der Tat: Wer in der Mannheimer Universitätsmedizin der Uni Heidelberg einen Medizinstudienplatz ergattern möchte, muss eine 1,0 vorlegen. Also kein Studium nach der Schule für Malte Tielsch wie für viele seiner Freunde, sondern stattdessen: warten.

Ähnlich wie Tielsch geht es Jahr für Jahr vielen Schulabgängern. Zum Wintersemester 2015/16 gab es an Deutschlands Universitäten ungefähr 9000 Studienplätze für mehr als 43 000 Bewerber. Bis zu 15 Semester beträgt die Wartezeit für den Einstieg in das Medizinstudium. Das ist mit ein Grund, warum das Bundesverfassungsgericht derzeit prüft, ob der Numerus clausus gegen das Grundgesetz verstößt." Doch es gibt Möglichkeiten, wie auch ohne brillante Abiturnote der Einstieg ins Medizinstudium glücken kann. Denn jede Hochschule hat Freiräume, den Zugang zum Medizinstudium individuell zu regeln.

Die Universität Rostock etwa hat die Aufnahme von Erstsemestern in das Medizinstudium in diesem Wintersemester neu organisiert. "Unser Ziel war es, dass Studierende mit einer sehr hohen Motivation ihre Abiturzulassungsnote verbessern können", sagt Attila Altiner, Studiendekan der Universitätsmedizin Rostock. Diesen jungen Menschen wolle man eine Chance geben.

Künftig werden je 20 Prozent der Erstsemester über die Abiturnote und die Wartezeit bestimmt, doch für die restlichen 60 Prozent hat die Uni ein eigenes Verfahren beschlossen. Wer daran teilnimmt, muss eine Abinote von mindestens 2,3 vorlegen können. Diese kann sich um 0,3 Punkte verringern, wenn die Bewerber eine medizinnahe Berufsausbildung mit 1,0 abgeschlossen haben. Dazu zählt die Ausbildung zum Altenpfleger, zur Krankenschwester, zur Hebamme, zum Medizinisch-technischen Assistenten oder zum Rettungsassistenten. "Wir wollen eine sehr gut abgeschlossene Berufsausbildung belohnen, denn die Wartezeit wurde sehr sinnvoll genutzt", erklärt Altiner. Um 0,1 kann ein Interessent seine Abinote zudem verbessern, wenn er ein oder mehrere medizinische Module des Juniorstudiums - eine Art von Schnupperstudium für Oberstufenschüler an der Uni Rostock - belegt hat.

Hinzu kommt als dritter Faktor der sogenannte Test für Medizinische Studiengänge (TMS). Er wird von der Medizinischen Fakultät der Uni Heidelberg koordiniert und in der Humanmedizin bundesweit an 22 Hochschulen eingesetzt. Für die Uni Rostock war die Anwendung in diesem Jahr die Premiere. Wer den Test mit der Note eins abschloss, dessen Abiturdurchschnitt verringerte sich um den Wert 0,3; bei der Testnote zwei um den Wert 0,2 und bei der Testnote drei um 0,1. "Wer gut organisiert ist und sich über den TMS informiert, kann seine Chancen auf ein Studium erhöhen", sagt Altiner. In diesem Wintersemester hätten mithilfe dieses Verfahrens einige Abiturienten mit Noten bis zu 1,7 noch einen Studienplatz erhalten. "Ich glaube, wir bekommen dadurch sehr motivierte und talentierte Medizinstudierende", sagt Altiner.

Das Medizinstudium in Osteuropa kann teuer werden

Mehr Erfahrung mit dem spezifischen Zugang ins Medizinstudium hat die Universität Heidelberg gesammelt. Dort wurde der TMS bereits im Jahr 2007 eingeführt. Für ungefähr 50 Prozent der 320 Studienplätze im ersten Semester hat die Uni einen eigenen Modus entwickelt. "Wir verwenden ein Verfahren, das der Abiturnote ein Gewicht von 46 Prozent gibt, dem TMS 44 Prozent und weiteren Kriterien wie einer Berufsausbildung im medizinischen Bereich, einem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder einem Preis wie etwa "Jugend forscht" zehn Prozent", sagt Roman Duelli, Leiter des Studiendekanats der Medizinischen Fakultät Heidelberg. Die niedrigste Abiturnote, die über dieses Verfahren in diesem Wintersemester zu einem Studienplatz geführt habe, sei eine 2,2 gewesen.

Malte Tielsch glückte der Einstieg in das Studium, weil er nach der Schule bei der Johanniter-Unfall-Hilfe ein FSJ im Rettungsdienst machte. Er ließ sich zum Rettungssanitäter ausbilden: Sechs Monate lang Unterricht mit Praktika in Klinik und Rettungswagen, anschließend weitere sechs Monate FSJ-Alltag im Rettungsdienst. "Ich habe einiges zur Medizin und zur Notfallmedizin gelernt, Praktika gemacht und hatte es täglich mit Notärzten zu tun", nennt er die Vorzüge des FSJ. Und es brachte ihm eine Gutschrift von 0,1 auf die Abiturnote ein, was schließlich für einen Studienplatz in Homburg reichte.

Nicht infrage kam für Tielsch, sich bei deutschen Unis einzuklagen, sein Glück an Dependancen ausländischer Hochschulen in Deutschland zu suchen oder ins Ausland zu gehen. Der Weg beispielsweise zum Medizinstudium Richtung Osteuropa ist immer noch beliebt. Doch das Studium in Budapest, Prag oder Pilsen ist kostspielig, zum Teil sind Englischkenntnisse notwendig. Als Klassiker gilt Österreich. Fast 16 000 Interessierte bewarben sich dieses Jahr für einen Studienplatz, nur die besten Teilnehmer des österreichischen Medizinertests Med-AT erhalten diesen. Allerdings können die dortigen Unis nur ein Fünftel der circa 1620 Studienplätze im ersten Semester an EU-Bürger vergeben.

Neue Wege will auch Bayern einschlagen. Fünf Prozent der Studienplätze an bayerischen Unis sollen an junge Mediziner vergeben werden, die sich dazu verpflichten, nach der Facharztausbildung mindestens acht Jahre als Landarzt zu arbeiten. Möglich sein soll dies vom Wintersemester 2019/2020 an.

Über den TMS-Test kann man sich online unter http://tms-info.org oder bei den jeweiligen Unis informieren. Wer es sich vorstellen kann, im Ausland zu studieren, kann folgende Websites aufrufen: www.medizin-studium-ausland.de, www.eu-medizinstudium.de, www.praktischarzt.de/blog/medizinstudium-im-ausland. Spezielle Informationen zum Medizinstudium in Österreich, Ungarn und in Bulgarien finden sich auf folgenden Portalen: www.medizinstudieren.at, http://medizinstudium.semmelweis.hu, www.medigate.eu

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