Jahrelang gab es diese Beschwichtigungssalven der Bildungspolitiker und Experten. Man müsse das Abitur nach zwölf Schuljahren doch erst mal ausprobieren, schoss es Kritikern entgegen, man dürfe die Bürger nicht mit neuen Vorstößen verunsichern, man könne ja noch nachbessern. Und auch mancher Lehrer wollte unbehelligt bleiben von immer neuen Schulreformen, die den eingespielten Unterricht umstoßen. Ein großes Schild "Ruhe bitte" wurde da aufgehängt, so wie bei der Abiturprüfung.
Doch es wurde immer lauter. Denn die Schüler wehrten sich gegen die Last, die ihnen das achtjährige Gymnasium auflädt. Und Eltern merkten, dass der Stress ihre Kinder verändert, ihnen das nimmt, was sie eigentlich ausmacht: eine spielerische Lebensfreude. Da wird Unruhe zur Elternpflicht.
Diese Unruhe war erfolgreich, das zeigt sich nun erneut in Niedersachsen, das am Mittwoch seinen Abschied vom G 8 ankündigte. Ein Bundesland nach dem anderen öffnet die Ventile, um dem Unmut die Wucht zu nehmen. Es ist ein Sieg der Bildungsbasis, der Eltern und Schüler in erster Linie - und darauf können sie zunächst einmal stolz sein. Das Ende des Stromlinien-Abiturienten ist absehbar, glatt geschliffen im Windkanal des G 8.
Das Turbo-Abitur hat als bildungspolitisches Leitbild ausgedient. Es wird als einer der Wege zum Abitur überleben, als Angebot an diejenigen, die Tempo wollen.
Fatale Erinnerungen
Doch dieser Sieg über das allgemeine G 8 birgt auch eine Gefahr. Das lässt sich in Niedersachsen gut beobachten: Dort drängen Lehrervertreter und Elternräte nun zur Eile, mal wieder soll das System von einem Schuljahr zum anderen umgekrempelt werden. Das erinnert fatal an die Anfänge des G 8, das beispielsweise in Bayern in einem November schon für das nächste Schuljahr durchgedrückt wurde. So verständlich es ist, dass man möglichst vielen Jahrgängen den Druck des Turbo-Abiturs ersparen will, so falsch wäre nun eine überstürzte Wende zum G 9. Denn eine Rückkehr zum alten System wird es nicht geben, dafür hat sich viel zu viel verändert.
Das fängt bei den Schulbüchern und Arbeitsblättern an. Und es geht weiter bei den Schulen selbst, die wegen des Nachmittagsunterrichts im achtjährigen Gymnasium Angebote geschaffen, Betreuer eingestellt und Mensen gebaut haben. Es wäre leichtfertig, dies alles nun zu zerschlagen. Und es würde viele Familien in neue Probleme stürzen: Heute arbeiten mehr Mütter als bei Einführung des G 8 - und sie wollen weniger denn je auf Halbtagsjobs festgelegt sein, auf die Zeit, bis Sohn und Tochter von der Schule kommen. Der längere Unterricht im G 8 kam da durchaus gelegen.
Mit diesen Mühen der Umsetzung werden sich die Kultusminister befassen müssen - und wie sie den Wandel koordinieren wollen. Denn mit der neuen Wahl zwischen G 8 und G 9 wird Deutschlands Bildungslandschaft noch komplizierter. Zum Umzug kommt für Kinder auch noch der Wechsel zum Beispiel vom niedersächsischen G 9 zum bayerischen G 8 hinzu. Schwer vorstellbar, dass dies ohne Stress abläuft.