Der aufstrebende CSU-Nachwuchspolitiker Karl-Theodor zu Guttenberg entschloss sich bekanntlich vor gut zehn Jahren dazu, eine Doktorarbeit zu verfassen - nach eigenen Worten geschah dies dann "neben meiner Berufs- und Abgeordnetentätigkeit als junger Familienvater in mühevollster Kleinarbeit".
In seiner Absolventenkohorte stand er damit nicht alleine: Jüngst hat das HIS-Institut für Hochschulforschung eine Studie zum Verbleib der Absolventen des Jahrgangs 2001 veröffentlicht. Demnach ist ein Hochschulabschluss die "beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit", 40 Prozent der Absolventen bekleiden gar eine Führungsposition. Ein Nebenaspekt der Studie betrifft die Promotionen: Etwa zeitgleich mit Guttenberg strebten ein Drittel der Absolventen den Doktortitel an und starteten ein Promotionsvorhaben.
Über die Qualität der Arbeiten lässt sich, anders als bei der als Plagiat enttarnten Dissertation des Ex-Ministers, nichts sagen. Wohl aber zu den Schwierigkeiten, die auch Guttenberg in seinen Verteidigungsreden bemühte. 17 Prozent derjenigen, die sich nach dem Abschluss an eine Arbeit wagten, haben das Projekt abgebrochen. Weitere fünf Prozent sind nach gut zehn Jahren immer noch nicht damit fertig. In manchen Fächern ist die Abbrecherquote erschreckend, liegt höher als ein Viertel.
Regelabschluss für Chemiker
Erwartungsgemäß hing die Promotionsneigung des Absolventenjahrgangs eng mit dem Fach zusammen. Mehr als 70 Prozent der Mediziner haben zehn Jahre nach dem Examen den Doktorgrad erworben. Für Chemiker stellt eine Promotion mit 85 Prozent der Absolventen schon quasi den Regelabschluss dar. In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie in Jura begann jeder Vierte mit der Doktorarbeit, in den Geisteswissenschaften jeder Dritte, in Psychologie und Pädagogik jeder Zehnte.
Insgesamt kamen aber mehr als ein Fünftel nicht zum Ziel oder stecken heute noch mitten in ihrem Werk. Während von Vorhaben im naturwissenschaftlichen Bereich nur sechs Prozent ohne den Titel enden, sind es in der Psychologie und der Pädagogik 26 Prozent, in den Wirtschaftswissenschaften 22 Prozent.
Im Schnitt dauerte eine Promotion viereinhalb Jahre - hier sind aber etwa die Mediziner herauszurechnen, die ihre Arbeiten oft abschlussbegleitend anfertigen, zuweilen durchaus als eine Art Schmalspur-Promotion.
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Die Daten liefern wichtige Impulse; denn offizielle Abbruchquoten gibt es gar nicht. Promovierende sind nirgends erfasst, viele arbeiten abseits der Uni im stillen Kämmerlein vor sich hin, häufig dann berufsbegleitend, und haben nur vage Absprachen mit einem Professor. Kritiker führen auf, dass in solchen freien Promotionsformen Fehlverhalten eher stattfinde als etwa bei einem promovierenden Assistenten an einem Lehrstuhl.
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Die amtliche Statistik erfasst nur die erfolgreich abgeschlossenen Arbeiten, es sind jährlich etwa 25.000. Die Universitäten haben auch keine oder nur uneinheitliche Daten über die Zeit zwischen Start und Abgabe einer Arbeit.
Ein Blick in Stellenmärkte zeigt, dass für Führungspositionen in der Industrie und selbst für die Leitung manches Heimatmuseums eine Promotion erwünscht ist. Vielen Beobachtern gilt das Promotionssystem daher heute als eine Art Karriere-Durchlauferhitzer, in dem sich zu viele externe Doktoranden tummeln, von denen viele gar nicht mit Eifer für die Wissenschaft brennen. Berufsbegleitend Promovierende stehen seitdem immer wieder in der Kritik.
Ohne festen Rahmen lässt es sich schlechter promovieren
Im Zuge der Qualitätsdebatte nach der Guttenberg-Affäre hat der Wissenschaftsrat, das wichtige Beratergremium von Bund und Ländern, die fehlende Datengrundlage scharf gerügt. Einige Universitäten haben zuletzt aber damit begonnen, alle ihre Doktoranden enger an die Hochschule anzudocken und vor allem zu registrieren. Durch die Exzellenzinitiative, die spezielle Graduiertenschulen fördert, ist das Promotionswesen auch etwas institutionalisierter geworden als zuvor.
Doch wo liegen die Gründe für den Abbruch? Am häufigsten nennen Gescheiterte in der Studie die Arbeitsbelastung durch ihren Job (72 Prozent) und mangelnde Betreuung (51 Prozent). Dies stützt die These, dass es sich ohne festen Rahmen schlechter promovieren lässt.
Allerdings verweist ein Drittel der Befragten konkret auf eine "berufliche Umorientierung". Das bedeutet, dass eine Doktorarbeit in vielen Fällen vielleicht geplant, anrecherchiert und begonnen, dann aber zugunsten einer Karriere in der Wirtschaft aufgegeben wurde. Womöglich haben auch die prekären Laufbahnen der Wissenschaft abgeschreckt, bis zur Professur reihen sich oft Befristungen aneinander. Zudem hat ein Jungforscher keine Garantie, später tatsächlich Professor zu werden. Auch unter den Befragten mit abgeschlossener Promotion ist nur etwa jeder Dritte zehn Jahre nach dem Examen tatsächlich an einer Hochschule oder Forschungseinrichtung tätig.
Die HIS-Studie hatte zudem gezeigt, dass die guten Berufsoptionen für die Absolventen von 2001 nicht sofort eintraten, sondern erst nach einer Phase der Unsicherheit - je nach Fach in den ersten Monaten oder Jahren. Die Promotion wäre hier also für viele Absolventen offenbar eine Alternative gewesen, wenn es nicht mit dem Traumjob klappt; oder ein möglicher Karriere-Turbo, der sich dann aber doch als zu aufwendig erwies - zeitlich wie fachlich.
Eine Erkenntnis, zur der wohl auch Ex-Minister Guttenberg besser gekommen wäre.