Studium:Uni-Absolventen bekommen immer bessere Noten

Auf dem Weg zum Abschluss nehmen manche Studierende die Arbeit von Ghostwritern in Anspruch.

Absolventen der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn feiern auf dem Campus in Talare gekleidet ihren Abschluss.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Das besagt eine Studie, die die Notenvergabe der vergangenen Jahrzehnte untersucht hat. Sie zeigt auch, welchen Einfluss Faktoren wie das Geschlechterverhältnis haben.

Von Joachim Göres

Fast 140 000 Prüfungsakten seit 1960 hat eine Forschergruppe an der Europa-Universität Flensburg untersucht, um die Abschlussnoten von Absolventen an deutschen Universitäten miteinander zu vergleichen. In den Fächern Deutsch (Lehramt), Mathematik (Lehramt und Diplom) sowie den Diplomstudiengängen BWL, VWL, Chemie, Psychologie und Biologie werden die Noten unabhängig vom Studienort immer besser.

Gleichzeitig gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Hochschulen, die über Jahrzehnte bestehen geblieben sind - so bekommen an der FU Berlin angehende Lehrer der Mathematik über den ganzen Untersuchungszeitraum eine um eine halbe Note schlechtere Abschlussbewertung als an den Vergleichsuniversitäten in Braunschweig, Tübingen, Münster, Göttingen, Karlsruhe und Heidelberg. Diese und zahlreiche weitere Erkenntnisse - auch zu Promotionen - finden sich in dem im vergangenen Jahr erschienenen Band "Noten an Deutschlands Hochschulen. Analysen zur Vergleichbarkeit von Examensnoten 1960 bis 2013".

Um die Gründe für diese Entwicklung aufzudecken, hat Projektleiter Volker Müller-Benedict, Professor für sozialwissenschaftliche Methoden und Statistik an der Uni Flensburg, verschiedene Faktoren untersucht. Danach spielen der Anteil der weiblichen Absolventen, die Intensität der Betreuung der Studierenden, die Konkurrenz zwischen den Prüfern und die jeweilige Prüfungsordnung für die Note keine Rolle.

Dagegen verschlechtert sich die Note, je höher der Anteil der Absolventen mit Migrationshintergrund ist. Der Abschluss verbessert sich im Durchschnitt, je älter die prüfenden Professoren sind und je mehr Professorinnen an der Bewertung beteiligt sind. Zudem werden bessere Abschlusszensuren gegeben, wenn in dem jeweiligen Fach gerade ein akuter Fachkräftemangel besteht. Professoren von privaten Hochschulen beurteilen deutlich besser als ihre Kollegen an staatlichen Hochschulen.

Müller-Benedict stellte seine Ergebnisse Ende Februar auf der Bildungsmesse Didacta vor und diskutierte sie mit Experten wie Stefan Hornbostel, Professor für Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Abteilungsleiter am Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. Hornbostel spricht von bedenklichen Unterschieden zwischen den Universitäten bei den Promotionsnoten. Nach seinen Worten bekommen an der Uni Freiburg 74 Prozent der Doktoranden einen Abschluss für eine hervorragende Leistung ("summa cum laude"), an der Humboldt-Uni nur 20 Prozent.

In Jura ist die Notenverteilung seit Jahrzehnten sehr ähnlich

Hans Peter Klein, Präsident der Gesellschaft für Didaktik der Biowissenschaften und Professor für Didaktik an der Goethe-Universität Frankfurt, sieht einen Grund für diese Entwicklung in den Kriterien für die Drittmittelvergabe - Projekte würden verlängert, je besser die Noten seien. "Wir haben unsere Summa-cum-laude-Abschlüsse bei den Biologie-Promotionen bewusst auf zehn Prozent begrenzt, um die besondere wissenschaftliche Qualität dieser Doktorarbeiten zu unterstreichen. An anderen Fachbereichen liegt dieser Anteil bei mehr als 60 Prozent", sagt Klein.

Müller-Benedict warnt indes vor einer Dramatisierung. Nach seiner Untersuchung gibt es auch Fächer wie Maschinenbau, Germanistik, Soziologie und Jura ohne eine Inflation von guten Noten bei den Studienabschlüssen - vor allem bei den Juristen ist die Notenverteilung seit Jahrzehnten sehr ähnlich.

Das liege auch daran, dass die Jura-Abschlussnoten jedes Jahr veröffentlicht würden. Beim Übergang vom (Vor-)Diplom zum Bachelor beziehungsweise Master habe es bei den Bachelorabschlüssen an den Unis sogar eine Verschlechterung in vielen Fächern gegeben. Letztlich seien nicht die vielen guten Noten das Problem, sondern die mangelnde Vergleichbarkeit wegen unterschiedlicher Standards an den Universitäten. Müller-Benedict ist dennoch gegen eine Standardisierung der Prüfungen, um die Aktualität des Wissens und einen Forschungsbezug der Prüfungsinhalte zu gewährleisten.

Wichtig wäre nach seiner Ansicht eine Rahmenprüfungsordnung, die festlegt, dass die Gewichtung der Examensarbeit in der Endnote an allen Hochschulen gleich ist. Wegen der großen Unterschiede hält er die heute übliche Zulassung zum Masterstudium allein auf der Basis der Bachelor-Note für ungerecht - bis zu 20 Prozent der Plätze sollten verlost werden. Wichtig ist dem Flensburger Professor mehr Transparenz, wie sie zum Beispiel in Norwegen üblich ist: "Auf dem Zeugnis sollte neben der Note des Absolventen auch die Verteilung der Noten der jeweiligen Uni in diesem Fach aus den letzten fünf Jahren stehen, um die individuelle Leistung besser einordnen zu können."

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