Schule:Verbeamtete Lehrer in Hessen streiken

  • In Hessen sind die verbeamteten Lehrer für Dienstag zu Warnstreiks aufgerufen. Die Lehrergewerkschaft GEW will eine Übertragung der Gehaltserhöhung erreichen, wie sie die angestellten Lehrer erhalten.
  • Das Kultusministerium verweist auf das Streikverbot für Beamte und droht mit Disziplinarstrafen.
  • Die rechtliche Lage bezüglich des Streikrechts für verbeamtete Lehrer ist eigentlich eindeutig - die GEW beruft sich jedoch auf einen Spruch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Von Matthias Kohlmaier

Hessens verbeamtete Lehrer streiken am Dienstag

Es geht doch mal wieder nur ums Geld, sagen die einen. Nein, eine ordentliche Bezahlung hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun, reklamieren die anderen. Das Ergebnis einer solchen Diskussion - ob nun bei Paketzustellern oder Erziehern - kann man im Jahr 2015 in vielen Branchen sehen: Warnstreiks. Zumindest aus rechtlicher Sicht kann den Streikenden niemand einen Vorwurf machen. Ihre Maßnahme genießt nach Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz im System der Tarifautonomie einen besonderen Rechtsschutz.

Sie sind ja schließlich keine Beamten, die ihrer hoheitlichen Pflichten wegen nicht streiken dürfen. Soweit die Theorie. In der Praxis werden am Dienstag die verbeamteten Lehrer in Hessen trotzdem die Arbeit niederlegen. Dabei geht es um Geld, natürlich, aber vor allem um Gleichbehandlung.

Denn die angestellten Kollegen der lehrenden Beamten erhielten mit dem Tarifabschluss vom 1. April rückwirkend ab März zwei Prozent mehr Gehalt. Von April 2016 an wird ihre Besoldung um weitere 2,4 Prozent, mindestens aber um 80 Euro erhöht. Die Laufzeit beträgt 24 Monate. Für die Beamten ist derzeit für das laufende Jahr eine Nullrunde geplant. 2016 soll es für sie laut hessischem Kultusministerium 1,0 bis 1,5 Prozent mehr Geld geben. Das will die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen nicht akzeptieren.

Wie die GEW den Streik begründet

Die GEW stört sich nicht nur an dem aktuellen Tarifergebnis, das den angestellten Lehrern mehr Geld einbringt, sie protestiert mit dem Warnstreik auch gegen einen Beschluss aus dem Jahr 2009. Ein wichtiger Punkt aus dem Tarifergebnis der Verhandlungen vor sechs Jahren sei den Beamtinnen und Beamten vorenhalten worden, heißt es auf der Webseite der GEW Hessen: "Die 40-Stunden-Woche gilt nur für die Tarifbeschäftigten. Die Beamtinnen und Beamten in Hessen haben mit der 42-Stunden-Woche die höchste Arbeitszeitverpflichtung in Deutschland, die Lehrkräfte die höchsten Stundendeputate." Das Stundendeputat gibt an, wie viele Unterrichtsstunden eine Lehrkraft pro Woche zu erteilen hat.

Die Beamten fühlen sich also zweifach benachteiligt. Im Streikaufruf der GEW-Landesvorsitzenden Birgit Koch und Jochen Nagel heißt es folglich: "Wir fordern die zeit- und wirkungsgleiche Übertragung der Gehaltserhöhung auf alle Beamtinnen und Beamten sowie die Reduzierung der Pflichtstunden um eine Stunde, wie dies bereits 2009 tarifvertraglich vereinbart wurde."

Hintergrund: Von den insgesamt etwa 50 000 Lehrern in Hessen sind etwa 45 000 Beamte, mehr als ein Drittel sind Mitglied in der GEW. In einer Befragung hatten sich der Gewerkschaft zufolge fast 6000 Mitglieder für den eintägigen Streik der verbeamteten Lehrer ausgesprochen.

Dürfen Beamte überhaupt streiken?

Was Hessens Kultusministerium von dem Streik hält

Da Beamten das Streiken verboten und die Arbeitsniederlegung unzulässig sei, droht das Kultusministerium den Teilnehmern mit Sanktionen. "In jedem Fall stellt die Teilnahme an diesem Streik ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst dar, das zum Verlust der Bezüge führt", sagt Sprecher Stefan Löwer. Darüberhinaus seien verschiedene disziplinarrechtliche Maßnahmen möglich, etwa das Aussprechen einer Missbilligung.

Die Landesregierung habe sich die Entscheidung, den Beamten eine Nullrunde zuzumuten, nicht leicht gemacht. Der Schritt sei angesichts der schwächelnden Finanzen des Landes aber unabdingbar. "Wir wissen die Arbeit der verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer sehr zu schätzen. Es greift hier aber ein übergeordnetes Interesse, das besagt: Hessen muss bis 2019 die Schuldenbremse einhalten", sagt Löwer. Zu den notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen müssten auch die Beamten ihren Teil beitragen, wie das bereits im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Regierung formuliert sei.

Dürfen Beamte überhaupt streiken?

Grundsätzlich ist deutschen Beamten, egal in welchem Bundesland oder Beruf sie tätig sind, das Streiken nicht gestattet. Heißt: Weder der Polizist in Schleswig-Holstein noch der Lehrer in Hessen dürfen die Arbeit niederlegen. Die GEW Hessen begründet ihr Vorgehen damit, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) den Streik als ein Menschenrecht definiert habe. Eine entsprechende Klage der Gewerkschaft gegen die deutsche Auffassung liege derzeit beim Bundesverfassungsgericht.

Im einem Urteil des EGMR heißt es sinngemäß, das Streikrecht dürfe nur etwa Polizisten oder Mitgliedern der Streitkräfte verwehrt werden, da nur sie an der Ausübung genuin hoheitlicher Befugnisse beteiligt seien. Auf Lehrer träfe das nicht zu, weshalb ihr Recht zur Arbeitsniederlegung nicht beschnitten werden dürfte - Beamtenstatus hin oder her. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch in einem Urteil von 2014 festgestellt, "dass für alle Beamten unabhängig von ihrer Tätigkeit ein generelles Streikverbot" gilt.

"Nach aktueller Rechtsprechung dürfen deutsche Beamte grundsätzlich nicht streiken", sagt auch Arbeitsrechtsexperte Daniel Hautumm. Sollten verbeamtete Lehrer dem Streikaufruf der GEW Hessen folgen, könnten gegebenenfalls Disziplinarstrafen ihres Dienstherren erfolgen.

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