Schule:Wegen Kopftuch abgelehnte Lehramtsbewerberin klagt - und gewinnt

Türkische Schülerin im Unterricht

Der Streit um das Kopftuch an Berliner Schulen geht weiter.

(Foto: dpa)
  • Eine Berliner Lehramtsbewerberin wurde unter anderem wegen ihres Kopftuches abgelehnt.
  • Die Frau klagte wegen religiöser Diskriminierung und hat nun in zweiter Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Recht bekommen.
  • Ihr steht laut Urteil eine Entschädigung zu - das Land Berlin wird aber wohl in Revision gehen.

Da kann das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) so klar urteilen, wie es will - am Ende schafft es der Bildungsföderalismus doch immer wieder, die Dinge zu verkomplizieren. Bereits 2015 hatte das BVerfG entschieden, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen nicht mit der Verfassung vereinbar ist. Es sei nur zulässig, wenn der Schulfrieden gestört werde.

Seitdem haben die Bundesländer unterschiedliche Regelungen entwickelt. In Berlin zum Beispiel heißt es im Neutralitätsgesetz:

"Lehrkräfte und andere Beschäftigte mit pädagogischem Auftrag in den öffentlichen Schulen nach dem Schulgesetz dürfen innerhalb des Dienstes keine sichtbaren religiösen oder weltanschaulichen Symbole, die für die Betrachterin oder den Betrachter eine Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft demonstrieren, und keine auffallenden religiös oder weltanschaulich geprägten Kleidungsstücke tragen. Dies gilt nicht für die Erteilung von Religions- und Weltanschauungsunterricht."

Das klingt nicht nur nach einem Widerspruch gegen das BVerfG-Urteil, es ist auch einer. Mit selbigem hatte nun das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg wieder einmal zu kämpfen. Eine abgelehnte Lehramtsbewerberin hatte das Land Berlin verklagt. Die Frau hatte sich als Quereinsteigerin mit dem Fach Informatik um eine Stelle bei der Senatsbildungsverwaltung beworben. Erstens gab es allerdings ausreichend Bewerber mit entsprechender Qualifikation, denen das Land vor Quereinsteigern den Vorzug gab. Und zweitens wollte die Frau im Unterricht ihr Kopftuch nicht abnehmen; es zu tragen erlaubt das Neutralitätsgesetz weiblichen Lehrerinnen aber nur an beruflichen Schulen.

Kurzum: Die Frau klagte wegen religiöser Diskriminierung und scheiterte im ersten Anlauf. Das Arbeitsgericht entschied am 24. Mai dieses Jahres zugunsten des Landes und wies die Klage der jungen Frau unter dem Hinweis auf das Neutralitätsgesetz ab.

Die Informatikerin aber ging in Berufung und bekam nun vor dem LAG Recht. Es liege eine Benachteiligung der Klägerin im Sinne des § 7 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vor, heißt es in der Urteilsbegründung. Berlin könne "sich zur Ablehnung der Bewerberin nicht mit Erfolg auf das Neutralitätsgesetz berufen". Das Land sei bei der Auslegung des Gesetzes an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gebunden. Dennoch sei das Berliner Neutralitätsgesetz mit der Verfassung vereinbar - man müsse es eben entsprechend auslegen.

"Ich halte das Urteil für falsch", kommentierte Rechtsanwältin Seyran Ates, die das Land Berlin vertritt, im Tagesspiegel. "Das Neutralitätsgesetz ist in seinem Wortlaut klar und darf nicht verfassungskonform ausgelegt werden", kritisierte sie das Gericht. Das sieht der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) offensichtlich anders. Er schrieb bei Twitter: "Der Konflikt um das Neutralitätsgesetz sollte nicht weiter auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen werden. Das LAG folgt hier der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Deshalb ist es am Berliner Abgeordnetenhaus, das Neutralitätsgesetz verfassungskonform auszugestalten."

Nach dem LAG-Urteil steht der Klägerin nun eine Entschädigung von eineinhalb Monatsgehältern zu, etwas mehr als 5100 Euro. Ob sie die tatsächlich bekommt, wird sich zeigen. Das Land Berlin wird voraussichtlich Revision gegen die Entscheidung einlegen.

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