Contra: Bildungsföderalismus:Schämt euch, Länder!

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Digital unterstützter Deutschunterricht an einem niedersächsischen Gymnasium (Foto: picture alliance/dpa)

Der schulpolitische Flickenteppich ist eine Qual für Lehrer, Eltern und Schüler. Das Lamento der Ministerpräsidenten über den Digitalpakt ist ein Lamento über ihre eigenen Defizite.

Kommentar von Heribert Prantl

Es ist bezeichnend, dass über den Föderalismus nur noch dann geredet wird, wenn es ums Geld geht. Dann wachen die Länder auf, dann fällt ihnen ein, dass die Schule und die Bildung ihre Sache ist, um die sie sich kümmern wollen und sollen. Dann raunen sie mit Ehrfurcht und mit Stolz in der Stimme vom Bildungsföderalismus und von der ureigenen Sache der Länder. Sie sollten sich genieren. Die Länder haben die Bildung verkommen lassen, die deutsche Bildungslandschaft ist keine Landschaft, sondern nur noch ein einziger Verhau.

Bildung und Schule sind, so steht es im Grundgesetz, Ländersache. Die Länder pochen auf ihr Recht, aber aus dieser Pocherei besteht der Großteil ihrer Tätigkeit. Für große inhaltliche Debatten reicht die Kraft nicht mehr, für die Harmonisierung der 16 Bildungspolitiken der 16 Bundesländer auch nicht. Aus der ureigenen Sache ist so ein ureigenes Chaos geworden: Tausende Lehrpläne und Lernkonzepte unterschiedlichster Art, Tausende Fußangeln, Tausende Inkompatibilitäten. Die Fußnoten sind in diesem Bildungssystem wichtiger als die Noten.

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Von Paul Munzinger

Der Umzug mit schulpflichtigen Kindern von Bremen nach Stuttgart ist ein hochriskantes Abenteuer. Die Anforderungen an den Gymnasien weichen so voneinander ab, dass Jugendliche besser in Köln bleiben, wenn die Eltern beruflich nach München wechseln. Und ein Juniorprofessor wechselt lieber von Berlin nach Bologna als nach Potsdam; das ist einfacher. Der real existierende Bildungsföderalismus in Deutschland ist ein fortgesetzter Missbrauch des Föderalismus. Er ist verkommen - er ist eine Qual für Lehrer, Eltern und Schüler. Der Föderalismus sollte praktizierte Bürgernähe sein, er soll das Leben leichter, nicht schwerer machen. Im Bereich von Schule und Bildung ist er praktizierter Sadismus. Es ist bitter, dass man das als ein Anhänger des Föderalismus konstatieren muss: An diesem real existierenden Bildungsföderalismus ist nicht mehr viel verteidigenswert.

Die Länder wollen nun den Digitalpakt mit dem Bund scheitern lassen, weil sie die Gefahr sehen, dass der Bund mit seinem Geld zu viel in die Bildungspolitik hineinredet. Dabei wäre es schon einmal gut, wenn überhaupt miteinander geredet und nicht nebeneinander herumgewurstelt würde. Also: Wie soll denn eine Digitalstrategie an den Schulen ausschauen? Sie kann ja nicht schon darin bestehen, dass man in einen einzigen Satz möglichst oft das Wort "digital" hineinpackt. Und es ist auch noch keine Strategie, ein paar Hunderttausend Tablets mit Bundes- und Landesmitteln zu kaufen und dann in gewaltigen Paketen in den Lehrerzimmern abzuwerfen.

Es geht im Kern um die ganz große Frage: Wie lernen Kinder künftig? Und welche Rolle spielen in diesem Lernen Kunst, Literatur und Musik? Darüber sollten die Ministerpräsidenten streiten, darüber sollte die Kultusministerkonferenz verhandeln. Diese KMK ist ein Bürokratiemoloch; sie sollte aber ein kluges Steuerungselement des Föderalismus sein.

Von beruflicher Mobilität ist unendlich viel die Rede. Der Bildungsföderalismus steht ihr im Weg. Der reale Bildungsföderalismus ist ein törichter und enger Föderalismus. In seiner jetzigen Form ist er antiquiert. Das Lamento der Bildungsföderalisten über den Digitalpakt ist ein Lamento über ihre eigenen Defizite.

© SZ vom 05.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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