Elektronische Unterrichtsmaterialien:Das beamende Klassenzimmer

Kinder schleppen täglich Tornister in die Schulen, die fast schwerer sind als sie selbst. Dabei gibt es Alternativen zu Lesebüchern und Atlanten: Elektronische Bücher, die in den Klassen an die Wand gebeamt werden können. Doch es gibt einen Haken an der schönen neuen Schulwelt.

Daniel Wüllner

Digitalisierte Kinderbücher sollen das gemeinsame Lesen fördern. Dazu bedarf es nur eines Beamers in jedem Klassenzimmer. Eine utopische Vorstellung? Die Internetplattform onilo.de setzt sie in die Tat um, auch, um den Grundschülern eine Last abzunehmen. Jeden Tag schleppen sie ihre Tornister, voll mit Lesebüchern, Heften und Atlanten. Während eBook-Reader und Tablet PCs deutsche Wohnzimmer entschlacken, setzt sich dieser Trend in den Klassenzimmern der Nation nicht fort. Könnte ein digitales Angebot das Lesen sowie das Tragen erleichtern?

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Wie im Konferenzraum eines Wirtschaftsunternehmens wird es nie in deutschen Klassenzimmern aussehen - dennoch hält die Technik über kurz oder lang Einzug in den Schulen.

(Foto: dpa)

Das Ende des zentnerschweren Ranzens will die Internetplattform onilo.de einläuten. Ausgezeichnet mit dem Giga-Maus-Preis 2012 als "bestes Lernprogramm Deutsch für Kinder von 6-10" bietet die Internetseite 130 Boardstories an. Das sind digitalisierte und animierte Versionen von Kinderbüchern aus renommierten Verlagen, wie Carlsen, Egmont und Oetinger. Die Bücher lassen sich ganz leicht auf einem Whiteboard darstellen oder mittels Beamer an die Wand projizieren. Alle Kinderbücher sind mit entsprechenden Alterskennzeichnungen und Unterrichtsmaterialien versehen. Zum Sortiment gehören auch englische Boardstories.

Ganz neu ist diese Idee nicht. Für den Schroedel Verlag hat Albert Hoffmann das Programm Antolin entworfen, das bereits seit 2001 im Einsatz ist. Für onilo.de hat Hoffmann die Idee weitergedacht und die Verwendung von Whiteboards und Schülercodes eingeführt. Außerdem besteht die Möglichkeit, eigene Dateien hinzuzufügen. So schafft der Anbieter nicht nur ein Download-Portal, sondern erstellt ein digitales Lehrerzimmer, in dem Pädagogen Empfehlungen und Materialien austauschen können.

Und die digitale Revolution kann am heimischen Computer fortgesetzt werden. Mit einer onilo.de-Jahreslizenz (199 Euro pro Klasse, 12,99 Euro für eine Boardstory pro Klasse) werden auch Schülercodes erworben, mit denen alle in der Schule besprochenen Inhalte auch zuhause gelesen werden können.

Auf die Anfrage, ob inzwischen onilo.de und Antolin in deutschen Grundschulen verwendet werden, bestätigte der Experte für neue Medien vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Bayern, Johannes Philipp, dass Antolin bereits flächendeckend benutzt wird, wenn die technische Ausrüstung der Schule es möglich macht. Onilo.de sehe er wegen der neue Features als sinnvolle Ergänzung. Im Lehrplan Bayerns werden diese Programme jedoch nicht aufgenommen. Es werden nur Empfehlungen ausgegeben, da jede Schule für ihre technische Einrichtung und deren Kosten selbst verantwortlich ist.

Die Utopie vom digitalen Lesen scheitert wahrscheinlich genau dort, wo sie beginnen sollte, im Klassenzimmer. Anstelle eines Whiteboards, so Johannes Müller, der für den VBE als Mitglied in der Stiftung Lesen sitzt, prangt in den meisten Schulen noch die gute alte grüne Kreidetafel und Computer finden sich nur in speziell dafür eingerichteten Computerräumen - von einem Beamer ganz zu schweigen. Der Traum vom leichten Tornister und vom Lesen am Bildschirm sollte aber nicht vorschnell zur Utopie erklärt werden. Vielmehr regen onilo.de und Antolin dazu an, die technische Ausstattung in deutschen Schulen neu zu überdenken.

Doch auch Johannes Müller bestätigt, um Lesen zu lernen und es zu lieben, braucht es neben den digitalen Medien immer noch Lehrer und Eltern, die die Begeisterung gerade der Anfänger fördern und unterstützen.

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