Digitalpakt:Und die Schüler warten weiter auf Tablets und schnelles Internet

Schule - Digitaler Unterricht in Bayern

Die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung für die Digitalisierung von Schulen droht im Bundesrat zu scheitern.

(Foto: dpa)

Wer darf künftig für Bildung zahlen? Darüber streiten Bund und Länder. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Digitalpakt.

Von Paul Munzinger

"Heute ist ein guter Tag für Schüler, Eltern und Lehrer in Deutschland", verkündete Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) am vorvergangenen Freitag. Endlich sei der Weg frei für den Digitalpakt, ein Fünf-Milliarden-Programm für die digitale Aufrüstung der Schulen. Union, SPD, Grüne und FDP hatten sich zuvor darauf verständigt, dem Bund durch eine Grundgesetzänderung mehr Spielraum bei der Finanzierung von Bildungsprojekten zu gewähren. Mittlerweile ist klar: Dieser Kompromiss hat keineswegs den Weg frei gemacht. Er ist Anlass für massiven Widerstand auf Seiten der Länder - und der Grund, warum der Digitalpakt endgültig zum politischen Desaster zu werden droht. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sieht die Verfassungsänderung vor?

Das Grundgesetz setzt dem Bund bislang enge Grenzen, wenn er sich an den Kosten für Bildung beteiligen will. Artikel 104c erlaubt Finanzhilfen aus Berlin bislang nur "für gesamtstaatlich bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden". Union und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das Wort "finanzschwache" zu streichen und das sogenannte Kooperationsverbot so aufzuweichen.

Der nun mit Grünen und FDP erzielte Kompromiss geht darüber deutlich hinaus. Er gäbe dem Bund erstens die Möglichkeit, die Länder auch "zur Sicherstellung der Qualität und der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens" finanziell zu unterstützen sowie Hilfe für "damit verbundene besondere unmittelbare Kosten" zu gewähren. Zweitens soll ein "Zusätzlichkeitskriterium" sicherstellen, dass die Länder die Finanzhilfen des Bundes in "mindestens gleicher Höhe" ergänzen: Für jeden Euro aus Berlin steuern auch die Länder einen Euro bei. Diese Bestimmung soll von 2020 an gelten, also noch nicht für den Digitalpakt. Am Donnerstag stimmte der Bundestag der Grundgesetzänderung zu.

Wie kam es dazu? Um das Grundgesetz zu ändern, ist eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat nötig. Im Parlament waren Grüne und FDP bereit, Union und SPD zu unterstützen, allerdings stellten sie Bedingungen: Der Bund solle nicht nur in die Bildungsinfrastruktur investieren dürfen, in Beton und Steine, sondern auch in Köpfe: in Lehrer und deren Ausbildung. Die Einigung, wenngleich schwammig formuliert, sahen beide Parteien als Erfolg.

Dass die Länder Bundesmittel künftig aufwiegen sollen, geht dagegen dem Vernehmen nach auf eine Initiative der Union zurück, der sich die SPD anschloss. Diese Regelung ist es, die nun den meisten Ärger verursacht - und zwar besonders bei Ministerpräsidenten, die selbst der Union angehören.

"Wir wollen keine Einheitsschulpolitik aus Berlin"

Woran stören sich die Länder?

Wie gesagt: Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit auch im Bundesrat erforderlich. Stand jetzt aber gibt es kein einziges Bundesland, das die Änderung in der geplanten Form mittragen will. Der wichtigste Grund für den kollektiven Widerstand ist das Zusätzlichkeitskriterium - und zwar sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Helmut Holter (Linke), Bildungsminister Thüringens, kritisierte am Montag im MDR-Radio nicht nur den Beschluss selbst; er beklagte auch, dieser sei erst einen Tag vor der Abstimmung im Bundestag bekannt geworden. Die Länder seien "kalt erwischt" worden, das Verhalten des Bundes sei "ungeschickt und frech".

Dass die Länder Bundesinvestitionen kofinanzieren sollen, kritisieren auch die fünf Ministerpräsidenten, die am Sonntag in einem Beitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihr Nein im Bundesrat ankündigten. Dies sei für finanzschwache Länder problematisch und beschneide die Länderautonomie in Haushaltsfragen, schrieben die Unionspolitiker Volker Bouffier (Hessen), Michael Kretschmer (Sachsen), Armin Laschet (NRW) und Markus Söder (Bayern) sowie der Grüne Winfried Kretschmann (Baden-Württemberg). Die Gruppe geht aber noch weiter: Sie warnt vor einem Angriff auf den Föderalismus. Die geplanten Regelungen erweiterten nicht nur die Finanzierungsmöglichkeiten Berlins, sondern auch seine Steuerungs- und Kontrollrechte. "Wir wollen keine Einheitsschulpolitik aus Berlin", fordern sie.

Braucht es überhaupt eine Änderung der Verfassung?

Die Gruppe der fünf Ministerpräsidenten sagt: Nein. Insbesondere Kretschmann setzt sich schon länger dafür ein, das Verhältnis zwischen Bund und Ländern grundsätzlich neu zu ordnen und den Ländern mehr Steuereinnahmen zu überlassen. Das Bildungsministerium in Berlin sagt dagegen: Doch, die Verfassungsänderung ist nötig, deshalb sei sie im Koalitionsvertrag auch vereinbart worden. Eine inhaltliche Begründung gibt es nicht, zumindest nicht offiziell. Immer wieder wird in Berlin aber an schlechte Erfahrungen des Bundes erinnert. Die Grundgesetzänderung soll aus dieser Perspektive sicherstellen, dass die fünf Milliarden Euro aus dem Digitalpakt auch wirklich an den Schulen ankommen.

Wie geht es jetzt weiter?

Das Geld aus dem Digitalpakt sollte von Januar an fließen - dieser Plan wird kaum zu halten sein. Der Streit um die Grundgesetzänderung dürfte vor dem Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat weitergehen, dafür sprachen sich mehrere Landespolitiker aus. Die Debatte über die Zukunft des (Bildungs-)Föderalismus hat womöglich erst begonnen. Bayerns Ministerpräsident Söder sagte am Montag, es sei "ein föderaler Nerv" getroffen worden.

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