Betriebe bilden oft unzureichend aus:Unreife Meister

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden gern die mangelnden Fähigkeiten der Auszubildenden beklagt. Doch es gibt noch ein anderes Problem: Viele Betriebe sind nicht in der Lage, ihre Lehrlinge für den Beruf zu schulen.

Detlef Esslinger

Vor einiger Zeit in einer Backstube bei München: Der Meister erklärte seinen Azubis, dass es zur Herstellung eines Kilogramms Teig exakt 25 Gramm Hefe braucht. Wie viel Hefe braucht man also für 25 Kilogramm Teig? Der Mann konnte kaum fassen, was er erlebte. Er sagt: "Glauben Sie, dass das auch nur einer gewusst hat?" Wer mit Arbeitgebern über Jugendliche spricht, hört immer wieder leicht erschreckende Anekdoten, egal in welcher Branche, egal in welcher Gegend.

Im Grunde laufen alle auf dieselbe These hinaus: Viele Jugendliche seien nicht ausbildungsreif. Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) werden solche Geschichten nicht bestritten, trotzdem hat sich der Dachverband des Problems nun von der anderen Seite her angenommen. Er ist der Frage nachgegangen, wie ausbildungsreif eigentlich die Betriebe sind? Das Ergebnis: Ganze Wirtschaftszweige sind es nicht.

Die Gewerkschafter haben jene Branchen betrachtet, in denen besonders viele Lehrstellen vakant sind: 14 Prozent aller Ausbildungsplätze bei Bäckereien und in Küchen bleiben frei, 16 Prozent sind es bei den Klempnern, mehr als 18 Prozent bei den Metzgern und sogar gut 25 Prozent bei den Restaurantfachleuten (vulgo: Kellnern). Sie haben sodann andere Indikatoren herangezogen, die etwas über eine Ausbildung aussagen: Wie oft wird sie abgebrochen? Wie viel Geld gibt es? Wie viele Azubis fallen am Ende in der Prüfung durch? Und wie beurteilen die jungen Menschen denn selbst ihre Ausbildung? Man ahnt schon, welche Berufe durchgehend schlecht abschneiden: eben diejenigen, in denen auch besonders viele Lehrstellen frei bleiben.

Knapp jeder vierte Ausbildungsvertrag wird in Deutschland vorzeitig gelöst - aber jeder dritte bei Klempnern, Metzgern und Bäckern, fast jeder zweite bei Köchen und Kellnern. In all diesen Berufen liegt die Ausbildungsvergütung unterhalb jener 708 Euro im Westen und 642 Euro im Osten, die im Durchschnitt aller Berufe gezahlt werden. Fast jeder fünfte angehende Bäcker und Kellner besteht die Abschlussprüfung nicht; der Durchschnitt beträgt gut acht Prozent.

Zudem fragte der DGB unter 9000 Jugendlichen in 25 Berufen die Qualität der Ausbildung ab. Keiner der Problemberufe schaffte es in die obere Hälfte des Rankings. Das Fazit von Ingrid Sehrbrock, der stellvertretenden DGB-Chefin: "Viele Betriebe sind schlicht nicht ausbildungsreif: Sie halten viele Überstunden, unregelmäßige Arbeitszeiten und eine niedrige Vergütung für normal."

Woran liegt's? Gastronomen und Bäcker können wenig daran ändern, dass man bei ihnen arbeiten muss, wenn andere feiern oder schlafen - wohl aber stehen die Art der Ausbildung oder auch das Betriebsklima in ihrer Macht. Restaurant- und Hotelküchen haben traditionell einen schlechten Ruf; der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) weist seine Mitglieder darauf hin, dass Überstunden vor allem dann beklagt werden, wenn der Ton in der Küche nicht stimmt.

Er bietet nun Seminare für Ausbilder an und will offensiv mit Vor- und Nachteilen der Branche umgehen: Man verdiene dort zwar weniger als in der Industrie, heißt es in einem Zehn-Punkte-Papier, dafür seien "tolle Karrieren" möglich, mit Etat- und Personalverantwortung in jungen Jahren, ohne Studium. Die Sache ist wohl relativ einfach: Wer als junger Mensch keinen Schulabschluss hat, ist kaum ausbildungsreif. Und wer als Chef Azubis nur drangsaliert, ebenfalls nicht.

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