Mitten in Bayern:Das Gute am Zeugnisfünfer

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Die Berchtesgadener Bergbahn AG zeigt ein Herz für jene Schüler, die eine schlechte Note im Zeugnis mitschleppen. Wer mit einem Fünfer oder einem Sechser nach Hause kommt, darf als Trost in den Faschingsferien einen ganzen Tag am Jenner kostenlos Ski fahren.

Glosse von Hans Kratzer

Es herrschen gerade stürmische Zeiten, und da passt es durchaus ins Bild, dass just an diesem Freitag gut eine Million bayerischer Schülerinnen und Schüler ihre Zwischenzeugnisse erhalten. Doch jeder weiß, Zeugnistage sind nicht nur Jubeltage. Umso tröstlicher, dass auch die Schulpädagogen lernfähig sind. Alle Übel, die früher leistungsschwachen Schülern widerfahren sind, kann man in der Romanliteratur nachlesen. Sie ist, von Hermann Hesses "Unterm Rad" bis zu Friedrich Torbergs "Der Schüler Gerber", voller dramatischer Geschichten über Jugendliche, die dem schulischen Druck nicht standhielten.

Bei allem Ehrgeiz, der den modernen Schulbetrieb prägt, besteht zumindest die Hoffnung, dass der Zeugnistag keine Frage von Leben und Tod mehr ist. Auch jener Vater, der seinen Sohn vor Jahr und Tag wegen schlechter Noten das Zeugnis essen ließ, dürfte ein Auslaufmodell sein. Wenden wir uns lieber der Berchtesgadener Bergbahn AG zu, die gerade ihr Herz für all jene öffnet, die eine schlechte Note im Zeugnis mitschleppen. Als Trostpflaster offeriert sie: Schülerinnen und Schüler mit einem Fünfer oder einem Sechser im Zeugnis dürfen in den Faschingsferien einen ganzen Tag am Jenner kostenlos Ski fahren.

Bisher wurden ja oft nur Einserschüler gehätschelt. Sie durften entweder kostenlos mit der Bahn fahren oder mit dem Dampfer über den Chiemsee gondeln. Schon der Wasserburger Gottfried Held bot jedoch bis zur Corona-Krise kostenlose Schifferlfahrten für Fünfer- und Sechserschüler an. "Noten werden oft überbewertet", sagte er sehr richtig. Schließlich war die Schulzeit selbst für den früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber "ein finsterer Fleck in seinem Leben", um es mit Winston Churchill zu sagen. Beide Politiker drehten in der Schule je eine Ehrenrunde, was für Stoiber ein väterliches Verbot zur Folge hatte. Er durfte den örtlichen Fußballplatz nicht mehr betreten.

Nun befürchten Ängstliche, man würde schlechten Schülern mit einer Belohnung einen Anreiz bieten, weiterhin schlechte Noten zu fabrizieren. Dass sie - trotz Ski- und Gondelbonus - Rachegefühle hegen, ist jedoch eher wahrscheinlich. Anschauungsmaterial böten Ludwig Thomas Lausbubengeschichten, in denen einem talkerten Ferienbuben geraten wird, seiner nörgelnden Schwester einfach eine Blindschleiche ins Bett zu legen. Sie werde sich drauflegen, furchtbar schreien und ihn nie mehr wegen seiner schlechten Noten tadeln.

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