Zwiesel:Wie eine Stadt versucht, ihren Bürgermeister loszuwerden

Zwiesel: Franz Xaver Steininger ist seit zehn Jahren Bürgermeister von Zwiesel. Lange genug, finden Kritiker.

Franz Xaver Steininger ist seit zehn Jahren Bürgermeister von Zwiesel. Lange genug, finden Kritiker.

(Foto: Stadt Zwiesel/oh)

Vorteilsannahme im Amt, Bankrott und Untätigkeit: Die Vorwürfe gegen den Zwieseler Bürgermeister Franz Xaver Steininger sind zahlreich. Sein Stadtrat will ihn als "dienstunfähig" in den Ruhestand schicken.

Von Lisa Schnell, Zwiesel

Wirft man einen Blick auf die Facebook-Seite von Franz Xaver Steininger, scheint alles wie immer zu sein. Auf seinem Profilbild posiert er im Rathaus vor dem Wappen der Stadt Zwiesel, runde Brille, Stoppelbart. "Was lange währt, wird endlich gut", schreibt er am Sonntag über die Eröffnung eines Hotels in seiner Stadt. Was ein Bürgermeister halt so macht. Nur: Für Franz Xaver Steininger, 55, sieht es gerade alles andere als gut aus. Und Bürgermeister könnte er die längste Zeit gewesen sein, dafür sitzt er bald als Angeklagter vor einem Richter.

Es hat sich ganz schön was zusammengebraut über dem Rathaus von Zwiesel in den vergangenen Tagen. Sein eigener Stadtrat will Steininger als "dienstunfähig" in den Ruhestand schicken. Die Staatsanwaltschaft Landshut wirft ihm vor, sein Amt missbraucht zu haben. Steininger soll Unternehmer bevorzugt behandelt haben, die ihm insgesamt mehr als 100 000 Euro geliehen haben. Er war wohl schon länger in Geldnot. Zumindest stehen in der Anklageschrift auch 45 Fälle des Bankrotts, will heißen: Steininger hat Leuten, denen er Geld schuldet, verschwiegen, dass er Geld hat.

Und als wäre das noch nicht genug, läuft gegen ihn auch noch ein Disziplinarverfahren. Der Vorwurf: Untätigkeit. Die beabsichtigte Konsequenz: Dienstenthebung. Es schwirrt einem fast der Kopf bei so vielen Verfahren und Vorwürfen. Und das bei einem Mann, den die Zwieseler eigentlich schon lange kennen und zweimal gewählt haben, dieses Jahr feiert der Parteilose Steininger sein Zehnjähriges als Bürgermeister. Die Feier könnte eher klein ausfallen. Was ist da passiert?

Angefangen hat alles nach Steiningers Wiederwahl 2016, sagt Andreas Lobenz, SPD-Stadtrat in Zwiesel. Da sei man nicht mehr an ihn rangekommen, da habe Steininger "nur noch gemacht, was ihm gepasst hat". Sie diskutierten im Stadtrat, stundenlang, und am Ende setzte Steininger den Beschluss nicht um. So erzählen das Lobenz und andere Stadträte. Und das nicht nur einmal, bei an die 15 Beschlüssen sei das so gewesen. Die Folge: "Die Stadt Zwiesel lahmt, nichts geht mehr vorwärts", sagt Lobenz.

Eine Grundschule warte seit einem Jahr auf einen Jugendsozialarbeiter, mit der Stadtentwicklung gehe es nicht voran, einige Fördermittel gingen der Stadt durch die Lappen. Dazu komme die "cholerische Art" Steiningers, die sie im Stadtrat zu spüren bekamen, aber auch viele Mitarbeiter, von denen einige gekündigt hätten, etwa die Leitung der Verwaltung oder der Stadtbaumeister. Beim Landratsamt Regen häuften sich die Beschwerden. "Die Stadträte waren nervlich am Ende", sagt Landrätin Rita Röhrl (SPD).

Steininger hat einen Monat Zeit, um Widerspruch einzulegen

Sie selbst teilte der Zweiten Bürgermeisterin mit, dass Steiningers Verhalten darauf hindeute, dass er nicht dienstfähig sei und dachte da auch an E-Mails, die sie von ihm mitten in der Nacht bekam, in denen Steininger etwa darlegte, warum das Schwimmbad in Zwiesel geöffnet bleiben müsse, obwohl der ganze Landkreis wegen Corona dichtmachte. Im März 2020 beschloss der Stadtrat, dass die Dienstfähigkeit ihres Bürgermeisters geprüft werden müsse. Das Verfahren zog sich, Steininger gab erst gar keine Stellungnahmen ab, dann verspätet, es dauerte, bis er beim Amtsarzt erschien, einem weiteren Gutachten entzog er sich. Wegen fehlender Mitwirkung erklärte der Stadtrat ihn nun 2021, fast ein Jahr später, für dienstunfähig. Einen Monat hat Steininger Zeit, um Widerspruch einzulegen, ansonsten wird er in den Ruhestand versetzt. Seine Pensionsansprüche würde er dann behalten, da habe man extra drauf geachtet, sagt Elisabeth Pfeffer (CSU), Zweite Bürgermeisterin von Zwiesel.

Mittlerweile aber scheinen das fast noch die geringsten Sorgen zu sein, die Franz Xaver Steininger hat. Als die Kripo Anfang 2020 das Rathaus durchsuchte, war das schon ein Aufreger in Zwiesel. Bekannt aber waren da nur die Bankrott-Vorwürfe und deshalb winkten viele Zwieseler und Stadträte ab. "Privatsache", das hörte man damals oft. Nun aber ist es gar nicht mehr privat, nun geht es um Vorteilsannahme im Amt, die kleine, nicht ganz so schlimme Schwester der Bestechlichkeit. Zwei Unternehmer sollen Steininger Darlehen gewährt haben, insgesamt mehr als 100 000 Euro. Für ihre Interessen bezüglich eines Grundstücks soll sich Steininger dann im Bauausschuss ins Zeug gelegt haben, am Ende mit Erfolg. Der Stadtrat stimmte im Sinne der Unternehmer. So gibt ein Sprecher des Amtsgerichts die Anklage wieder. Könnte auch sein, dass der Stadtrat eh so abgestimmt hätte, deshalb lautet die Anklage Vorteilsannahme und nicht Bestechlichkeit.

Steininger selbst hat sich auf eine SZ-Anfrage zu den Vorwürfen nicht geäußert. Den Beschluss des Stadtrats zu seiner Dienstunfähigkeit werde er mit seiner Rechtsvertretung besprechen, teilte er dem Bayerwald-Boten mit. Das Disziplinarverfahren ruht, bis das Strafverfahren beendet ist. Sehr deutlich äußern sich dagegen die Einwohner von Zwiesel in den sozialen Medien. "Endlich, der ist schon lange fällig", schreibt einer über Steininger. Ein anderer will, dass der Stadtrat sich selbst für dienstunfähig erklärt. Und dann steht da noch ein ganz bescheidener Wunsch: "Dass Zwiesel wieder mal mit positiven Dingen in den Medien und Nachrichten steht."

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