Zuwanderung:Lackmustest für Europa

Seehofer stimmt vor Asyl-Gipfel auf weitere Belastungen ein

Horst Seehofer lässt sich Zeit. Mit 50 Minuten Verspätung beginnt er am Mittwochabend die Pressekonferenz, nachdem er das Kabinett zu einer mehr als dreistündigen Sondersitzung aus dem Urlaub einbestellt hatte. Aber das Thema hat es ja auch in sich: Nach der Finanzkrise und Fukushima sei Asyl "das dritte Megathema in diesem Jahrhundert", beginnt der bayerische Ministerpräsident seine Ausführungen, die mehr einer Regierungserklärung ähneln. Kein Wort über die Wiedereinführung der Residenzpflicht, über die in der Staatsregierung zuvor offen debattiert wurde. Kein Satz über ein Wiedereinreiseverbot für abgelehnte Asylbewerber, das bereits von der ganzen Union gefordert wird. Nichts Konkretes zu Schleusern, für die er lediglich härtere Strafen anmahnt.

Mehr als eine halbe Stunde spricht Seehofer, Einzelheiten nennt er nicht. Dafür ist ihm das Thema offenbar zu wichtig. Am kommenden Sonntag steigt in Berlin mit der SPD der Asyl-Koalitionsgipfel, bis dahin hat sich der CSU-Chef zu Details Schweigen auferlegt. "Es wäre nicht gut", wenn erforderliche Entscheidungen durch verfrühte Äußerungen scheiterten, erklärt Seehofer. Was und wie er es sagt, erinnert an seine Rede vor Wochen im Landtag, als ihm sogar die Opposition Lob zollte.

Null Toleranz für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus; Integration von Schutzbedürftigen; Solidarität mit Kriegsflüchtlingen; die Reaktion der Bevölkerung auf Tausende Asylbewerber in Zügen, die ihn dankbar und stolz mache; Demokraten, die über Parteigrenzen hinweg zusammenstehen müssten: Die Tonlage, die Seehofer vor dem Asylgipfel an diesem Donnerstag mit Vertretern von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen anstimmt, klingt völlig anders als die eines Scharfmachers. Möglicherweise will er die Bevölkerung aber auch nur auf das vorbereiten, was er für unvermeidlich hält. "Klare Entscheidungen auf ethischer und geistiger Grundlage" seien nötig, die Belastungen würden steigen. Ob Bayern seinen Doppelhaushalt erneut nach oben schrauben muss, hänge von der Unterstützung des Bundes ab. Staatlicher Wohnungsbau, mehr Personal für Justiz, Polizei und Bildung - all das werde Milliarden kosten. Für Europa werde das Thema Asyl zum Lackmustest, sagt Seehofer. Ungarn verdiene die volle Unterstützung.

Die erhält auch Joachim Herrmann, der Roberto Blanco als "wunderbaren Neger" bezeichnet hatte. Er kenne den Innenminister seit jeher als Kämpfer gegen Rechtsradikalismus, sagt Seehofer. Nach Herrmanns Bedauern und Blancos "nobler Reaktion" sei der Fall für ihn erledigt.

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