Süddeutsche Zeitung

Zugunglück:Bayern trauert, die Politiker schweigen

Nach der Tragödie von Bad Aibling sind sich alle Parteien im Freistaat einig: Der Politische Aschermittwoch fällt dieses Jahr aus.

Erstmals nach dem Krieg ist der Politische Aschermittwoch in Niederbayern von den Parteien abgesagt worden. Den Anfang machte am Dienstagnachmittag die CSU: "Aus Respekt vor den Opfern des tragischen Zugunglücks findet der morgige Politische Aschermittwoch der CSU nicht statt", teilte Generalsekretär Scheuer mit. Kurz danach verkündeten Grüne, SPD, Freie Wähler, Linke, FDP und AfD gleichlautende Entscheidungen. Ganz Bayern trauerte am Dienstag um die Toten von Bad Aibling. In Ebersberg und Rosenheim wurden die Faschingszüge abgesagt.

Der Politische Aschermittwoch zählt zu den traditionsreichsten politischen Veranstaltungen im Freistaat. Jedes Jahr kommen dazu Tausende aus ganz Deutschland nach Ostbayern, um den Reden der Parteienvertreter zuzuhören. Die SPD hatte für dieses Jahr in Vilshofen eigens wieder ein Bierzelt aufgestellt.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt "völlig daneben"

Bereits kurz nach dem Unglück wurde in der CSU über eine Absage diskutiert. Erste Überlegungen habe man schon am Morgen angestellt, "als klar war, dass bei dem Zugunglück Menschen gestorben sind", hieß es aus der Parteizentrale. Um 14.15 Uhr schließlich habe es eine Telefonschaltung gegeben, an der unter anderem CSU-Chef Horst Seehofer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sowie Staatskanzleichef Marcel Huber teilgenommen hätten. Der ausschlaggebende Punkt sei letztlich gewesen, dass der Aschermittwoch "so etwas wie eine große Party unserer Anhänger ist". Angesichts so eines großen Unglücks aber wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt "so ein Volksfest völlig daneben".

Aus der SPD hieß es am Nachmittag zunächst noch, man werde die Veranstaltung in Vilshofen abhalten, jedoch zu Beginn eine Schweigeminute einlegen und sich auch bei den Reden zurückhalten. Nach der Entscheidung der CSU folgte jedoch auch die SPD. Ihr Landeschef Florian Pronold sagte: "Der Politische Aschermittwoch lebt von der Auseinandersetzung und dem Schlagabtausch der Parteien. Dafür ist heute und morgen kein Raum. Wir empfehlen unseren Parteigliederungen, diesem Beispiel zu folgen."

Ähnlich äußerte sich auch Grünen-Landesvorsitzende Sigi Hagl: "Das Zugunglück in Bad Aibling ist eine furchtbare Tragödie. Unsere Gedanken sind bei den Hinterbliebenen der Opfer und den vielen Verletzten. Da gebietet es sich nicht, ein politisches Spektakel wie den Aschermittwoch abzuhalten." Die Absage sei eine klare Entscheidung gewesen. Mit der CSU habe dies nichts zu tun gehabt.

Seehofer will die Unfallstelle besuchen

Ministerpräsident Horst Seehofer kündigte für diesen Mittwoch einen Besuch an der Unfallstelle in Bad Aibling an. Den Opfern und Angehörigen sprach er sein Mitgefühl aus: "Das ist eine Tragödie für unser ganzes Land, die uns mit Trauer und Entsetzen erfüllt." Auch die bayerischen Bischöfe Heinrich Bedford-Strohm und Reinhard Marx drückten ihre Verbundenheit mit Opfern und Angehörigen aus. Der bayerische Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm sagte: "Es ist etwas Fürchterliches, wenn man zur Arbeit fährt, mitten im Alltag ist, und dann plötzlich so etwas Schlimmes passiert."

In den Städten und Gemeinden entlang der Unglücksstrecke im Mangfalltal herrschte große Betroffenheit. Holzkirchens Bürgermeister Olaf von Löwis (CSU) verfolgte den ganzen Tag über die Geschehnisse am Fernseher. "Die Stimmung ist sehr gedrückt", sagte er. "Auch wenn wir noch keine Gewissheit haben, so müssen wir doch damit rechnen, dass auch Ortsansässige unter den Opfern sind."

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SZ vom 10.02.2016/bas/cws/dku/wiw/sim
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