Süddeutsche Zeitung

Kellmünz an der Iller:Bahn fordert Schadenersatz nach Zugunglück

  • Eine Frau ist 2013 mit ihrem Auto auf einem unbeschrankten Bahnübergang mit einem Zug kollidiert.
  • Sie und zwei Fahrgäste wurden dabei schwer verletzt, zehn Menschen erlitten leichte Verletzungen.
  • Die DB Netz AG fordert nun vor der Münchner Landgericht einen Schadensersatz von 165 000 Euro.

Von Clara Lipkowski

Sechs Jahre ist es fast her, dass sich eine Autofahrerin an einem Sommermorgen dem Bahnübergang im schwäbischen Kellmünz an der Iller (Kreis Neu-Ulm) genähert hat. Gleichzeitig fuhr an jenem Morgen des 17. Juli 2013 eine Regionalbahn aus Altenstadt auf die Kreuzung zu. Im Zug etwa 50 Menschen, wie die Autofahrerin waren die meisten wohl auf dem Weg zur Arbeit. Was dann um kurz vor sieben in der Früh geschah, berichteten kurz darauf etliche Medien. Die Fahrerin übersah den heranfahrenden Zug und fuhr auf den Bahnübergang. Der Lokführer reagierte schnell, bremste, doch der Zug kollidierte mit dem Auto und entgleiste. Die Frau überlebte, ebenso alle Personen im Zug, allerdings wurden die Autofahrerin und zwei Männer schwer verletzt, zehn weitere erlitten leichte Verletzungen.

Ob die Frau grob fahrlässig gehandelt und das Leuchtsignal am Bahnübergang missachtet hatte oder das Blinken gar nicht sehen konnte, wird nun in einem Rechtsstreit am Münchner Landgericht diskutiert. Denn die Bahn klagt gegen die Haftpflichtversicherung der Autofahrerin. Die DB Netz AG fordert Schadenersatz in Höhe von 165 000 Euro für die entstandenen Kosten: Zahlreiche Rettungskräfte waren im Einsatz, der beschädigte Zug und die Gleise sowie ein Vorgarten, in den der Triebwagen nach dem Aufprall gerutscht war, mussten repariert werden.

Unstrittig war am Donnerstag zunächst, dass der Bahnübergang an jenem Sommermorgen funktionierte wie er sollte, das machten beide Parteien - Bahnanwalt und Versicherungsanwalt - gleich zu Beginn klar: Das Leuchtsignal kündigte den heranfahrenden Zug an. Nicht klar war allerdings, ob die damals 46-Jährige hinterm Steuer womöglich vom Sonnenlicht geblendet wurde. Dadurch sei das Signal "wenn überhaupt, nur schwer ablesbar" gewesen, sagte der Anwalt der Allianz, Jens Muschner. Zudem hätten Büsche am Straßenrand die Sicht auf die heranfahrende Bahn teils ebenfalls eingeschränkt. Letzteres wollte der Richter so nicht gelten lassen. "Wenn die Signalanlage ablesbar war, dürfte es kaum eine Rolle gespielt haben, dass es eine partielle Sichteinschränkung gab", sagte er.

Ein Gutachten soll nun klären, ob die Sonne die Frau wirklich geblendet haben könnte. Dafür sollen Fachleute in einem kleinen Zeitfenster von vier oder fünf Tagen um den Jahrestag an Ort und Stelle den Unfallhergang nachvollziehen, genau dann, wenn die Sonne den Stand am Himmel hat, den sie vor sechs Jahren auch hatte. Ein Schritt, den sich die Bahn lieber gespart hätte. Deren Anwalt Jürgen Völtz rechnet mit Kosten von mehreren Tausend Euro allein für die Untersuchung; auch deshalb hatte er sich für eine gütliche Einigung offen gezeigt: 80 Prozent der Kosten wollte der Konzern demnach von der Versicherung erstattet bekommen. Dass man sich "damit anfreunden könnte", schloss der Anwalt der Haftpflichtversicherung nicht aus. Er bestand aber darauf, dass die Allianz zusätzlich ein Drittel erstattet bekommen müsse, denn 2013 hatte der Versicherer Entschädigung in dieser Höhe für die Verletzten gezahlt. Allianz-Anwalt Muschner sprach von einer Summe, die man "nicht unter den Tisch fallen lassen" wolle.

Diese Forderung wiederum lehnte die Bahn ab.

Nun muss sich zeigen, ob der Bahnübergang "betriebsgefährdend" war. Grundsätzlich gelte, sagte der Richter, dass Autofahrer vorsichtig an eine Kreuzung heranfahren müssten, wenn die Sicht schlecht sei. Doch blende die Sonne so stark, dass man aus dem Auto heraus den Zug gar nicht hätte sehen können, wäre es die Bahn gewesen, die den Verkehr gefährdet hätte. In diesem Fall wäre von grober Fahrlässigkeit der Frau keine Rede mehr.

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SZ vom 12.04.2019/vewo
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