Zugspitze:Söder besucht den Winter

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Ministerpräsident Markus Söder (Mitte) probierte auf dem Zugspitzplatt die Arbeit mit einer Lawinensonde aus. Er wurde fündig. Allerdings ist die Lawinengefahr in Bayerns Bergen derzeit insgesamt eher gering - mangels Schnee. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Bayerns Ministerpräsident fährt auf Deutschlands höchsten Berg, um sich vor großer Kulisse über die Sicherheit beim Wintersport zu informieren. Denn auf den Pisten verunglücken immer mehr Skifahrer.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Die Lawinensonde steckt schon einen guten Meter im Schnee, als sie auf den erhofften Widerstand stößt. Ihre Spitze ist dort unter der Schneedecke endlich auf den Körper von Sepp Hümmer getroffen. Der erfahrene Bergführer wird schon zum dritten Mal innerhalb weniger Minuten in jener Schneehöhle aufgespürt, die ihm die Retter von der Bergwacht und der alpinen Einsatzgruppe der Polizei zuvor gegraben haben. Das erste Mal hat ihn Polizeihund Bep erschnüffelt, Hundeführer Harald Elsner vom Präsidium Rosenheim hat ihn schnell ausgegraben und dann gleich wieder eingeschaufelt, damit auch Bergwachthündin Thea ihr Können zeigen konnte. Und jetzt ist es eben der Ministerpräsident höchstselbst, der Sepp Hümmer mit der Lawinensonde ortet.

Markus Söder ist am Dienstag zusammen mit Innenminister Joachim Herrmann und großem Gefolge auf die Zugspitze gekommen, um sich und die Allgemeinheit vom Bayerischen Kuratorium für alpine Sicherheit über die Sicherheitslage beim Wintersport informieren zu lassen. Und die schönen Fotos und Fernsehbilder aus dem Schnee auf Deutschlands höchstem Berg nimmt der Ministerpräsident natürlich auch gerne mit ins Tal und ins beginnende Wahljahr.

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Ursprünglich hatte das Kuratorium, ein Zusammenschluss praktisch aller irgendwie alpinen Organisationen vom Alpenverein über die Bergwacht bis zum Skilehrerverband, seine Vorführung eine Etage tiefer am nahen Kreuzeck oberhalb von Garmisch-Partenkirchen anberaumen wollen. Doch die rund tausend Meter Höhenunterschied zwischen dem Skigebiet droben am Zugspitzplatt und dem Kreuzeck machen gerade auch den Unterschied zwischen weiß und grün. Und richtig weiß sollte eine glaubwürdige Kulisse für die Rettung von Lawinenopfern dann schon sein.

Dabei ist eine Skipiste, die aus einem schmalen und oft brettharten Streifen weißen Kunstschnees inmitten grüner Wiesen und grauer Felsen besteht, viel gefährlicher als eine Abfahrt, die auch von tiefem und bestenfalls weichem Schnee umgeben ist. Erst vor wenigen Tagen sind bei Kitzbühel zwei Jugendliche aus Bayern umgekommen, die von der Piste abgekommen und in schneefreies Felsgelände gestürzt waren. In den Bergen drüben in Österreich sind seit Beginn dieses Winters schon 13 Menschen tödlich verunglückt, die meisten davon auf Skipisten, sagt der Vorsitzende der bayerischen Bergwacht, Thomas Lobensteiner. Im gesamten Alpenraum sind es derzeit 18 Todesopfer. In den bayerischen Alpen gab es in diesem Winter bisher keine Toten - noch keine, wie aus Erfahrung zu befürchten ist. Denn in der Wintersaison 2021/22 kamen laut Lobensteiners Bergwacht-Statistik 19 Menschen in Bayerns Bergen um, davon vier bei Lawinenabgängen.

Der belgische Schäferhund Bep und sein Hundeführer Harald Elsner von der Rosenheimer Polizei im simulierten Sucheinsatz. (Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Die Zahl der Toten ist demnach in den vergangenen Wintern kontinuierlich gestiegen, während die Zahl der Bergwacht-Einsätze zwischenzeitlich zurückgegangen war. In der Saison 21/22 war die Bergwacht laut Lobensteiner mit fast 5500 Einsätzen aber wieder genauso gefordert wie vor der Corona-Pandemie, was laut Innenminister Herrmann mit 121 "wintersportbedingten" Einsätzen auch für die bayerische Polizei gilt. Bei knapp 60 Prozent aller winterlichen Bergwacht-Einsätze waren Skifahrer betroffen, bei gut zwölf Prozent Snowboarder und zu rund vier Prozent Rodler. Abseits präparierter Pisten stellen diese Schlittenfahrer die größte Gruppe der Verunglückten mit deutlichem Abstand zu Langläufern, Touren- und Schneeschuhgehern. Auch etliche Bergsteiger mussten im vergangenen Winter gerettet werden. Nach Lobensteiners von der Statistik gestützter Erfahrung haben zuletzt auch die winterlichen Unfälle bei Sommersportarten wie dem Mountainbikefahren zugenommen. So habe dieser Tage im Bayerischen Wald ein Bikepark geöffnet, während der gewohnte Skibetrieb aus Schneemangel kaum möglich sei.

Der Klimawandel sei im Alpenraum stärker spürbar als im Flachland, sagt auch Ministerpräsident Söder, was sich etwa am schwindenden Permafrost auf der Zugspitze ablesen lasse. Man müsse "manchmal auch den Berg vor den Menschen schützen", es brauche "eine sensiblen Umgang mit unserer Heimat" ebenso wie eine gewisse Anpassung an den Klimawandel. "Auch Beschneiungsanlagen wird es brauchen", sagt Söder, denn "wir glauben an die Zukunft des Wintersports".

Stefan Winter, Ressortleiter für Sportentwicklung beim Deutschen Alpenverein und Vorstandsmitglied im Kuratorium für alpine Sicherheit, erinnert an die Eigenverantwortung der Wintersportler. Skifahren abseits der präparierten Pisten zum Beispiel ist in seinen Augen "nicht per se Leichtsinn", erfordere aber Erfahrung und das nötige Wissen. Dieses Wissen will das Kuratorium auf verschiedene Weisen vermitteln, neuerdings auch mit einem Memory-Spiel zu verschiedenen Wetterlagen, Schneekristallen und Lawinenarten. Das spielerisch erworbene Wissen soll Wintersportlern eine bessere Risikoprognose ermöglichen. Der Kuratoriumsvorsitzende und Rosenheimer CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Stöttner hofft, es möge auf Berghütten bald ebenso oft gespielt werden wie bei Ausbildungsabenden. Wichtig ist neben der Prognose äußerer Risiken laut Minister Herrmann aber auch die richtige Selbsteinschätzung und eine gute Vorbereitung bei der Tourenauswahl.

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