Zu wenig Steuerfahnder in Bayern:Nur alle 250 Jahre eine Kontrolle

Was der Prüfer nicht schafft, wird eben nicht geprüft: 20.000 Stellen fehlen in Bayerns Steuerverwaltung - in keinem anderen Bundesland ist die Personalsituation so schlecht. Die Folge: Ein Kleinstbetrieb im Freistaat wird nur alle 250 Jahre geprüft.

Sarah Ehrmann

Der Job eines Steuerfahnders ähnelt nicht selten dem von Sherlock Holmes - zumindest was die detektivische Suche nach Ungereimtem betrifft, auch ohne vorherigen Verdacht so manche Schummelei aufzudecken.

Die "Zwei-Jahres-Steuererklärung" ist als Wahlmöglichkeit angedacht. Wer möchte kann statt nach einem Jahr, erst nach zwei Jahren die Steuer einreichen.

Was der Prüfer nicht schafft, wird nicht geprüft - das kann bei der Steuererklärung beginnen.

(Foto: dpa)

Der Alltag der bayerischen Steuerfahnder und Betriebsprüfer ist allerdings selten literarisch. Von schierer Überforderung und immer häufigerer Erschöpfung der Angestellten spricht die Bayerische Finanzgewerkschaft, von Tausenden fehlenden Stellen in der Steuerverwaltung der Bayerische Oberste Rechnungshof.

Im Innendienst sind alle belastungsmäßig an der Oberkante", sagt ein Mitarbeiter im Finanzamt München, der ungenannt bleiben will. "Wird einer krank, ist niemand da, der ihn ersetzen könnte." Im Jahresbericht 2012 hat der Oberste Rechnungshof (ORH) erstmals die Personalsituation der gesamten Steuerverwaltung unter die Lupe genommen.

Ergebnis: Bayern nimmt im Bundesvergleich fast immer den letzten Platz ein. Im Haushaltsplan waren 16.457 Planstellen für das Jahr 2011 festgeschrieben, doch nur 14.554 besetzt. Rechnerisch gibt es laut internen Berechnungen des Finanzministeriums einen Personalbedarf von insgesamt fast 20.000 Stellen.

Bei der Betriebsprüfung im Außendienst sorgt die Unterbesetzung für groteske Auswüchse: So wird ein Kleinstbetrieb in Bayern statistisch nur alle 250 Jahre einmal kontrolliert. Zwar ist nur etwa die Hälfte der mehr als 1,1 Millionen Kleinstbetriebe prüfungsrelevant.

Doch selbst diese, Bäckereien, Metzgereien oder Gaststätten, würden nur einmal im Jahrhundert kontrolliert. Es gilt die ungeschriebene Regel: Was der Prüfer nicht schafft, wird eben nicht geprüft. "Das ist ungerecht, aber politisch gewollt", sagt der Mitarbeiter des Finanzamts. Der Oberste Rechnungshof geht von Steuerausfällen im dreistelligen Millionenbereich insgesamt aus.

Dass der Freistaat laut Jahresbericht 2012 den schlechtesten Schlüssel zwischen tatsächlich besetzten Stellen und errechnet notwendigen Stellen hat, empört Josef Bugiel, den Vorsitzenden der Bayerischen Finanzgewerkschaft (bfg): "Der Personalmangel zwingt die Mitarbeiter, Zahlen nicht so genau zu prüfen, wie es notwendig wäre", sagt er.

Der psychische Druck sei immens: "Bei der Gewerkschaft kommen die Klagen an: Viele sagen, dass sie nicht mehr können." Bei einem durchschnittlichen Alter der Angestellten von über 50 Jahren bleibt die Lage wohl noch einige Zeit angespannt. "In den kommenden Jahren werden wir 40 Prozent unseres Personals verlieren", sagt bfg-Bezirksvorstand Matthias Bauregger.

Selbst mit fast 1000 Anwärtern wie in diesem Jahr besetze die Behörde gerade einmal die freiwerdenden Stellen nach, sagt er. Grund dafür ist die Einstellungspolitik bis zum Jahr 2007 mit jährlich wenigen Dutzend Auszubildenden: "Das hat uns das Genick gebrochen." Bis der Nachwuchs im mittleren und gehobenen Diensts ankommt, dauert es zwei bis drei Jahre.

Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte in der Vergangenheit mehrfach, dass die Staatsregierung nicht vorhabe, "den Personalapparat noch deutlich zu vergrößern". Ähnlich äußerte sich das Finanzministerium mit Verweis auf zunehmenden IT-Einsatz und ehrliche Steuerzahler. Kritiker werten das als Indiz, dass Bayern seine Betriebe schonen möchte. "Der Rechnungshof hat den Mitarbeitermangel moniert", sagt bfg-Chef Bugiel, "und der ist ein unverfänglicher Zeuge."

Nach Meinung von Kritikern wolle der Freistaat nicht für zusätzliche Personalkosten aufkommen, da Mehreinnahmen teilweise an den Bund gingen. Dabei wäre das dennoch zugunsten Bayerns, wie der Oberste Rechnungshof sagt: Es würden "Mehreinnahmen erzielt werden, die die zusätzlichen Personalkosten bei Weitem übersteigen."

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