Zoff um Auftritt von LaBrassBanda:Der Haferlschuh drückt

LaBrassBanda

Die Band LaBrassBanda im Prinzregententheater bei der Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises. Auch hier waren sie barfuß.

(Foto: dpa)

Im Bierzelt auf dem Gautrachtenfest in Ruhpolding soll LaBrassBanda spielen - eigentlich. Die Blasinstrumente sind traditionell, die Texte bairisch, die Lederhosen stilecht. Aber die Musiker treten barfuß auf. Teile der Trachtenwelt sind in Aufruhr.

Von Heiner Effern, Ruhpolding

Sibirien würde ihn so stark an Bayern erinnern wie keine andere Region, hat der Musiker Stefan Dettl einmal gesagt. Dort sei es kalt und menschenfeindlich, aber wenn man an einer Tür klingle, bekomme man sofort eine Suppe und einen heißen Tee. Diese Urteil muss der Kopf der Band LaBrassBanda dieser Tage womöglich revidieren. Denn in seiner Heimat Bayern wollen ihm just die obersten Hüter von Brauchtum und Kultur am liebsten die Türe gar nicht aufmachen.

Beziehungsweise ihn nicht in ihrem Bierzelt spielen lassen. Unter den Trachtlern ist ein heißer Streit darüber ausgebrochen, ob LaBrassBanda würdig ist, auf einem Gautrachtenfest zu spielen. "Barfuß und mit Rasta-Locken, das ist nicht unsere Sache", sagt etwa Otto Dufter, Ehrenvorsitzender des Bayerischen Trachtenverbands.

Liedtexte von tadelloser bairischer Qualität

D'Miesenbacher in Ruhpolding sehen dagegen kein Problem. Der Gebirgstrachtenerhaltungsverein ist Ausrichter des 124. Trachtenfestes des Gau 1 und buchte Dettl und seine Band am 23. Juli fürs Festzelt. Weil die versierten Musiker aus der Region bestens zu jungen modernen Trachtlern passen, wie der 1. Vorstand Hermann Feil sagt. "Die verkaufen das, was wir auch verkaufen."

Tatsächlich spielt LaBrassBanda in Lederhosen, vornehmlich auf traditionellen Blechblasinstrumenten und die Liedtexte sind von tadelloser bairischer Qualität. Gut, Rhythmus und Lautstärke können Veteranen der Trachtenerhaltung schon nervös machen. Und natürlich die Sache mit den fehlenden Haferlschuhen. Die fünf Musiker spielen tatsächlich barfuß.

Um die Aufregung darüber zu verstehen, muss man wissen, dass ein Gautrachtenfest in der Welt der Trachtler eine Bedeutung hat wie eine Wallfahrt nach Altötting für die Marianische Männerkongregation. In Ruhpolding werden 8000 Teilnehmer für den 3,7 Kilometer langen Festzug erwartet. Das Bierzelt als Ort der Erholung und Erquickung wird 7500 Trachtlern Platz bieten. In den zehn Festtagen ist ein Preisplatteln angesetzt, der Gauheimatabend und auch ein Volksmusiktreffen.

Ein Auftritt von LaBrassBanda "lässt sich nicht vereinbaren mit unserem Traditionsbewusstsein. Das ist bayerische Rockmusik, das hat mit uns nichts zu tun", sagt der Ehren-Vorsitzende Dufter. "Wir stehen für traditionelle Volksmusik." Es sei bedauerlich, dass die Ruhpoldinger nicht auf Linie lägen, sondern "aus einem Heimatfest ein Großfest" machten. Er rufe aber nicht zum Boykott auf, da sei er falsch verstanden worden.

"Das ist ja lächerlich"

Er gehe halt nicht hin. Der Streit schwappt bereits über Trachtlerkreise hinaus. Sprach-Traditionalist Sepp Obermeier aus dem Bayerischen Wald, landesweit bewundert oder gefürchtet wegen seines unermüdlichen Einsatzes für das Bairische, zeigt wenig Verständnis für die Traditionalisten in Oberbayern. "Das ist ja lächerlich. Der Dufter gibt jetzt den Trachten-Ayatollah."

Da hilft es auch nichts, dass Obermeier den langjährigen Obertrachtler Dufter für den Kampf gegen die volkstümliche Musik ausdrücklich schätzt. Dufter legte in seinen Tagen als aktiver Chef den Volksmusikern nahe, Auftritte im Musikantenstadl wegen des hohen Peinlichkeits-Faktors abzulehnen. Nun sei aber bei den Apparatschiks des Trachtenwesens eine gewisse "Hirschhornzugeknöpftheit" zu spüren, findet Obermeier.

"Das ist wie bei Sechzig und Bayern"

Die Trachtler ein Haufen zugeknöpfter Gegenwartsverweigerer? Ein Anruf beim Ruhpoldinger Bürgermeister Claus Pichler. Der muss es wissen, schließlich war er selbst lange Vorstand eines Trachtenvereins. In der Warteschleife passend: astreine bayerische Blasmusik. Der Bürgermeister, gewöhnlich ein Freund von Wortgirlanden, hält sich erstaunlich bedeckt. Schließlich sei er Vorstand des kleineren Ruhpoldinger Vereins D'Rauschberger Zell und nicht der größeren Miesenbacher gewesen, die LaBrassBanda eingeladen haben. "Das ist wie bei Sechzig und Bayern, da redet man sich lieber nicht drein", sagt Pichler.

Eine gesunde Rivalität gebe es auch unter Trachtlern, doch über Sticheleien gehe diese nicht hinaus, wie er an sich selbst belegt. "Ich stamme schließlich aus einer Mischehe." Und LaBrassBanda? Ja mei, sagt der Bürgermeister schließlich, er könne halt nicht an allen Abenden auf dem Gautrachtenfest präsent sein. Die Zeit werde zeigen, ob dieser Trend von Ruhpolding sich durchsetze oder verpuffe wie der Ententanz auf dem Oktoberfest.

Natürlich hat Chef-Organisator Hermann Feil gewusst, dass der Tabubruch auf seinem Gautrachtenfest für Aufregung sorgen werde. Ihm gehe es darum, über die Zukunft der Trachtler einen Dialog anzustoßen, sagt er. "Wir reden viel zu wenig und nur in Hinterzimmern. Wir haben viele junge Mitglieder, die anders denken als in den Fünfziger- oder Sechzigerjahren." Seinem Verein gehe es nicht um einen Stil- oder Wortbruch, sondern um eine dezente Öffnung der Trachtler. "Wir haben ja nicht Status Quo eingeladen." Sondern LaBrassBanda, die mit ihren bayerischen Wurzeln und Texten ebenfalls "als Satelliten unter dem bayerischen Schutzschild kreisen".

Ruhpolding sei der richtige Platz für eine Neuorientierung mit Maß, findet Feil. Tatsächlich wurde hier manches Tabu gebrochen. Man denke an die Heimatfilme der anderen Art wie "Das Sündige Dorf". Oder an den Auftritt der Oberkrainer beim letzten Gautrachtenfest in Ruhpolding 1988, der bei Puristen für Empörung sorgte. Über den Oberkrainer Abend am 26. Juli regt sich im Jahr 2014 keiner mehr auf.

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