Zeugnis für Erwin Huber:Der gutmütige Drache

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Wie hat sich Bayerns Regierung geschlagen? Hat Finanzminister Erwin Huber trotz der BayernLB-Affäre das Klassenziel erreicht? Die Süddeutsche Zeitung zieht Bilanz.

Kassian Stroh

Die einen haben sich ins Zeug gelegt, die anderen ließen es ruhiger angehen. Die einen haben vor sich hin gewerkelt, die anderen mussten mit Herausforderungen kämpfen. Manche haben es gepackt, andere nicht. Die Süddeutsche Zeitung hat die Leistung der bayerischen Minister unter die Lupe genommen.

Erwin Huber: Wenn die CSU über die 50 Prozent kommt, ist seine Versetzung nicht gefährdet. (Foto: N/A)

Finanzminister sind bemitleidenswerte Geschöpfe. Nie haben sie genug Geld für all die Ausgabenwünsche ihrer Politikerkollegen. Stets sind deren Begehrlichkeiten größer als der Kassenstand. Ihr Geld müssen die Finanzminister hüten wie ein Drache seinen Schatz - und werden so zum Buhmann.

Vor zehn Monaten, kaum, dass er CSU-Vorsitzender geworden war, verdrängte Huber seinen ziemlich erfolgreichen Vorgänger Kurt Faltlhauser aus dem Chefzimmer des Finanzministeriums. Das Unangenehme daran war: In dieser Position wurde Huber mitverantwortlich für das Kommunikationsdesaster der Landesbank, die - im Verein mit dem sie beaufsichtigenden Minister - nur scheibchenweise einräumte, welche Milliardenbelastungen sie aus der Immobilien- und Finanzmarktkrise trafen.

Ein Untersuchungsausschuss legte viele Pannen offen, konnte letztlich aber nicht beweisen, dass Huber den Landtag belogen hatte. Die Angelegenheit hatte für ihn gleichwohl großes Buhmann-Potenzial.

Die schönen Seiten des neuen Jobs dagegen zeigen sich in seinem Kernaufgabengebiet, der Haushaltspolitik. Hier kommt Huber kaum hinterher mit dem Zählen des vielen Gelds, das Monat für Monat in die freistaatlichen Kassen gespült wird.

So ist er ein verhältnismäßig freigiebiger Finanzminister geworden: Quer durch alle Ressorts hat die CSU in den vergangenen Monaten Geld versprochen, für zukunftsträchtige Forschungsinvestitionen ebenso wie für Kläranlagen, für Blaskapellen wie für neue Lehrerstellen.

Für die Opposition ist das die alte Masche, vor der Wahl mit Geld für gute Stimmung im Land zu sorgen. Für die CSU ist das nur der Schlusspunkt des 2003 von Edmund Stoiber als "Credo" verkündeten Mottos: "Sparen, reformieren, investieren".

Wenn von der auslaufenden Legislaturperiode neben Stoibers Sturz in den Geschichtsbüchern etwas stehen bleiben wird, dann wird das die Haushaltspolitik sein. Im Jahr 2006 erreichte der Freistaat sein bereits sechs Jahre zuvor gestecktes Ziel, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Drei Entwicklungen trugen maßgeblich dazu bei: Zum einen strich die CSU kurz nach der Landtagswahl für 2004 Ausgaben in Höhe von bald zwei Milliarden Euro zusammen. Betroffen waren davon viele Bereiche, deren Wichtigkeit die CSU im vergangenen Jahr plötzlich wiederentdeckte: Baumaßnahmen an den Hochschulen beispielsweise.

Auch in der Bildungspolitik und bei den Sozialausgaben wurde gekürzt - wo schon kleine Beträge oft große Wirkung hatten und bei den Betroffenen entsprechenden Ärger auslösten. Für viele Verbände wurde der Begriff "Nachtragshaushalt 2004" somit zum Synonym für eine brutale Kürzungsorgie. Andererseits erspart sie dem Freistaat seither jedes Jahr Zinszahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.

Weil er 2006 keine Schulden mehr machen sollte, verschaffte sich Faltlhauser zudem einfach im Jahr davor ein angenehmes Polster von 1,8 Milliarden Euro, die er sich von den Banken lieh. Und die dritte Entwicklung war jener unverhoffte Boom der Steuereinnahmen, der 2006 einsetzte, der bis heute anhält und der Huber das Leben leichter macht.

Ohne diesen Steuerfluss hätte schon Faltlhauser den ausgeglichenen Etat 2006 nur mit Spezialtricks, vor allem dem Verkauf von Staatsvermögen, erreichen können. So hoch waren die Mehreinnahmen, dass Huber 2007 erstmals seit sieben Jahren im nennenswerten Umfang Altschulden tilgte: 300 Millionen Euro.

Damit blieb er allerdings unter den Vorstellungen seines Vorgängers, der 500 Millionen Euro tilgen wollte und dies mit dem Argument "Wann, wenn nicht jetzt?" unterstrich. Doch damit stieß er auf den Widerstand der CSU-Landtagsabgeordneten, von denen viele das ständige Verkünden von Sparmaßnahmen satt hatten.

Huber wiederum ist nebenher ja noch CSU-Vorsitzender, muss also die Landtagswahl gewinnen und weiß um die wählerwirksame Bedeutung einer etwas laxeren Haushaltspolitik. Und da die Steuern so gut laufen, kann sich Huber das zurzeit erlauben, ohne das hehre Ziel des ausgeglichenen Haushalts aufzugeben. Auch aus dem Kabinett ist zu hören, man merke dem Finanzminister deutlich seine Doppelrolle an: Er sage nicht gleich zu allem kategorisch Nein.

Eine Milliarde Zinsen

Das heißt aber nicht, dass es ohne Risiken wäre, von der strikten Haushaltskonsolidierung, die die CSU im Wahlkampf 2003 noch predigte, abzuweichen. In den wachsenden Pensionslasten für Beamte oder im zu sehr vernachlässigten Unterhalt von Straßen und Staatsgebäuden verstecken sich Belastungen für die Zukunft - in dieser Kritik wird die Opposition auch vom Obersten Rechnungshof unterstützt.

Und nach wie vor drücken die Altschulden von derzeit knapp 23 Milliarden Euro. Sie kosten den Freistaat jedes Jahr etwa eine Milliarde Euro an Zinszahlungen - Geld, das für andere Ausgaben fehlt.

Vor allem aber muss auch im Freistaat spätestens dann wieder gespart werden, wenn der derzeitige Steuerboom abflaut, wovon alle Experten ausgehen. Doch das wird nicht mehr Huber treffen. So er CSU-Chef bleibt, will er in einem Jahr in die Bundespolitik wechseln.

Als seinen Nachfolger baut er Finanzstaatssekretär Georg Fahrenschon auf. Der 40-Jährige dürfte dann schon bald wieder - wie einst Faltlhauser - die traditionelle Ministerrolle des Drachens auf dem Schatz einnehmen. Huber war da eine seltene Ausnahme.

© SZ vom 03.09.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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