Zeugnis für Beate Merk:Auf eigenen Wegen zwischen den Gewalten

Als Justizministerin hat Beate Merk ihre Lektionen gelernt, inzwischen setzt sie auch eigene Akzente.

Stefan Mayr

Es ist ein ganz normaler Wahlkampfauftritt vor der Seniorenunion Augsburg. Doch der Herr Professor präsentiert Beate Merk wie die Spitzenkandidatin bei einem US-Parteitag. "Sie ist jung, gut aussehend und hoch erfolgreich", ruft Konrad Weckerle, der Chef der Seniorenunion Bayern.

Zeugnis für Beate Merk: Eine jugendlich-energische Dynamikerin, die bei Bedarf wie eine Löwin für ihre Ziele kämpft.

Eine jugendlich-energische Dynamikerin, die bei Bedarf wie eine Löwin für ihre Ziele kämpft.

(Foto: Foto: dpa)

"Diese Kombination ist im bayerischen Landtag selten, und darum ist sie meine Lieblingsministerin." Die derart hochgelobte Justizministerin zuckt mit den Mundwinkeln, nestelt an ihrer violett glitzernden Handtasche und lacht dann laut über die galanten Einführungsworte des Chefseniors in den einsetzenden Applaus hinein.

Beate Merk, 51, genießt solche Worte durchaus. Das Haar blondiert, das Gesicht akkurat geschminkt, das Dekolleté geschmückt mit modernem Collier, gibt sie die jugendlich-energische Dynamikerin, die bei Bedarf wie eine Löwin für ihre Ziele kämpft. Vor fünf Jahren legte Beate Merk einen Riesensprung aus dem Nichts in die Münchner Machtzentrale hin: Bis Anfang 2003 war sie als Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm und Schriftführerin des CSU-Präsidiums lediglich regional in Erscheinung getreten. Dann ging alles ganz schnell: Im Juli wurde sie als erste Kommunalpolitikerin zur stellvertretenden CSU-Vorsitzenden gewählt. Im Oktober folgte die Vereidigung zur Staatsministerin.

In ihrem neuen Revier wurde sie zunächst beäugt wie eine bunte Katze inmitten eines Rudels wilder Hunde. Zwar war sie als promovierte Juristin alles andere als fehl am Platze, aber ihr fehlten zwei andere Dinge: ein Landtagsmandat und ein Trauschein für die Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner, wo doch gerade die CSU auf geregelte Verhältnisse Wert legt.

"Es war ein sehr schwerer Einstieg", sagt Merk ohne Umschweife. Zu den Vorbehalten aus der Fraktion gesellte sich bald eine offene Abneigung durch die Justizbediensteten. Grund hierfür: Als sich Edmund Stoiber an die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts machte, hätten viele Richter gerne gesehen, dass Merk ihre Krallen ausfährt und sich gegen Stoibers Pläne wehrt. Denn aus Sicht der Justiz war dies nicht irgendeine Sparmaßnahme, sondern die Enthauptung Justitias.

Es war, als verstümmelte die gesetzgebende Gewalt die rechtsprechende Gewalt. Und die zuständige Ministerin leistete keinerlei Widerstand, sondern half noch, das Stoiber'sche Schwert zu führen. "Wir alle müssen unseren Beitrag leisten", sagte sie - anstatt sich auf das Ressortprinzip zu berufen und die liebgewonnene Einrichtung zu verteidigen. Die Richterschaft sagt ihr in dieser Angelegenheit bis heute "Versagen" nach.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Impulse Merk in der Vergangenheit gesetzt hat.

Auf eigenen Wegen zwischen den Gewalten

"Das Bayerische Oberste Landesgericht war die Perle und Krone der Justiz", sagt selbst Merk, "aber wir können darauf ohne Qualitätseinbußen verzichten." Sie verteilte die Aufgaben des "Obersten", wie die einstige höchste Instanz in Justizkreisen genannt wurde und wird, auf die Oberlandesgerichte. "Wir haben eine hervorragende Rechtsprechung auch in diesem Bereich", beteuert Merk. Ein Richter ist da anderer Meinung: "Die Abschaffung des Obersten war eine Ungeheuerlichkeit." Diese Wunde wird wohl auch in der kommenden Legislaturperiode nicht verheilen.

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Allerdings räumen selbst jene Kritiker, die ihr das Todesurteil für das "Oberste" nie verzeihen werden, ein, dass Beate Merk auch positive Impulse gesetzt hat. Sie baute die Sozialtherapie in den Gefängnissen für Gewaltstraftäter aus, sie etablierte die Strafbarkeit von Stalking, sie drängte erfolgreich auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung von Tätern, sie kämpft für das Staatsexamen im Jurastudium und gegen die Verwässerung durch Bachelor und Master-Abschlüsse. In einem Ressort, das wenig Gestaltungsspielraum lässt, bringt sie im Bundesrat regelmäßig Gesetzesinitiativen mit bayerischer Handschrift ein, immer wieder schaltet sie sich in den öffentlichen Diskurs ein.

Liberalere Pfade

Letzteres wird der Ministerin ohne Mandat zwar mitunter als Wahlkampf in eigener Sache ausgelegt. Nicht wenige Justizbeamte fühlen sich angesichts Merks Ambitionen vernachlässigt. Ein Richter merkte bei einem Festakt zu Beginn ihrer Amtszeit irritiert an, "dass Frau Merk nur das Gespräch mit den Parteikollegen suchte und nicht mit den Bediensteten".

Inzwischen hat Beate Merk dazugelernt - wie auch Fraktion und Justiz ihr Wirken schätzen lernten. Vor allem die Vertreter der Rechtspflege nehmen mit Wohlwollen zur Kenntnis, dass sie bei Bedarf auch CSU-Pfade verlässt, um liberalere Wege zu gehen - von der Patientenverfügung bis hin zur psychotherapeutischen Fachambulanz für rückfallgefährdete Sexualstraftäter.

Inzwischen hat sich Merk von ihrem Lebenspartner getrennt, und das Landtagsmandat hat sie als Nummer eins der schwäbischen CSU-Liste so gut wie sicher. Insofern ist künftig noch mehr Arbeit für und mit der Justiz möglich - und weniger Selbstmarketing nötig.

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