Zeppelintribüne in Nürnberg:Bauschutt mit Nazi-Vergangenheit

Zeppelintribüne in Nürnberg

Verfallen lassen oder für mindestens 70 Millionen Euro sanieren? - die Diskussion um die Zukunft der Zeppelintribüne wird in Nürnberg anhalten.

(Foto: Karmann/dpa)

Die Sanierung der Zeppelintribüne, eines der letzten großen Relikte aus der NS-Zeit, ist in Nürnberg ein Streitthema. Das Plädoyer eines Historikers für den "kontrollierten Verfall des Bauwerks" dürfte den Konflikt jetzt neu anheizen.

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Hermann Glaser hat den Artikel in der Zeit mit Genuss gelesen. Der frühere Kulturdezernent der Stadt Nürnberg dürfte derjenige sein, der sich am nachhaltigsten verdient gemacht hat um die Frage, wie Nürnberg mit dem NS-Erbe umgehen soll. Aber der 86-Jährige macht auch keinen Hehl daraus, dass er die anstehende Sanierung der Zeppelintribüne für 70 Millionen Euro nicht für die einzig selig machende Lösung hält - und schon gar nicht für alternativlos. Es wäre unfair zu sagen, dass Glaser damit in Nürnberg gar kein Gehör findet. In Glaser sehen vor allem viele Sozialdemokraten der Stadt weiter eine Art Spiritus rector.

Mit seiner Haltung zur Zeppelintribüne aber steht er, zumindest in der politischen Sphäre, bisher ziemlich alleine. Nun aber dieser großflächige Gastbeitrag in der Zeit, geschrieben von einem Professor für Neueste Geschichte, der infrage stellt, ob es "wirklich sinnvoll, ja moralisch angemessen" ist, die NS-Tribüne mit immensem Aufwand zu retten. "Jeden Satz kann ich unterschreiben", sagt Glaser.

Zeppelintribüne als Infotainment?

Der Beitrag stammt von Norbert Frei, Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er attestiert, dass sich Nürnberg "aufrichtig um die Auseinandersetzung mit dem NS-Erbe" bemühe. Dass man aber wohl auch begriffen habe, "dass eine böse Vergangenheit sich, wenn schon nicht ändern, dann wenigstens offensiv vermarkten lässt". Den Aufwand - erst in der vergangenen Woche wollte Nürnbergs Baureferent nicht ausschließen, dass die Sicherung der bröckelnden Tribüne auch deutlich mehr als 70 Millionen Euro kosten könnte - stellt Frei offensiv in Frage. Gerade bei NS-Bauten, die im Unterschied zum Berliner Olympiastadion kaum mehr genutzt würden. Wie eben die Zeppelintribüne, der nur bei Autorennen und Rockkonzerten noch eine Funktion zukommt.

Siebzig Jahre nach dem Ende des Weltkrieges wäre es an Zeit, schreibt Frei, "einmal innezuhalten und sich zu fragen, wo man eigentlich hinwill mit dieser infrastrukturell immer weiter perfektionierten, gedanklich jedoch zusehends leerlaufenden Erinnerungspolitik, die keine Gegner mehr kennt, niemanden mehr berührt - und in Gefahr ist, bestenfalls noch gehobene Unterhaltung, medial gesprochen: Infotainment zu produzieren". Der Historiker plädiert dagegen für das "Prinzip des kontrollierten Verfalls", wie es ortskundige Architekten bereits vorgeschlagen hätten. Künftige Generationen könnten dann gegebenenfalls neu entscheiden, "wann es genug ist mit dem braunen Bauschutt".

Dass der Beitrag des Historikers die Debatte neu belebt, dürfte außer Frage stehen. Dass sich Freis Überlegungen tatsächlich noch durchsetzen, darf aber als unwahrscheinlich gelten. Nürnbergs Rathausparteien stehen in der Frage fest zueinander, ebenso wie - und das ist eher ungewöhnlich - Nürnbergs CSU-Chef Markus Söder und SPD-OB Ulrich Maly. Die Tribüne verfallen zu lassen, wäre falsch, ist Söder überzeugt. "Es handelt sich um das letzte wirklich erhaltene Ensemble aus der NS-Zeit", dieses müsse begehbar bleiben. Den Erhalt nur von Teilen der Tribüne hält Söder für einen Fehler, die gewaltige Dimension müsse erkennbar bleiben. Alles andere käme einer "Verniedlichung" gleich.

Der Stadt geht es um den Erhalt des Baus

Maly zeigt sich "verwundert" über den Vorstoß des Historikers. Frei rühre "einen Cocktail an, der nicht recht zu ihm passen will". So führe der Vorwurf, Nürnberg gehe es um "Infotainment", in die Irre. "Uns ging es immer um politische Aufklärung", sagt Maly. Auch verkenne Frei "die Singularität der Nürnberger NS-Bauten". Um "Rekonstruktion" gehe es der Stadt auch nicht - sondern ausschließlich um den Erhalt.

Glaser kennt die Haltung Malys, oft genug habe man schon gestritten darüber, sagt der 86-Jährige. Glaser hält den Rathauschef für einen "sehr klugen Mann", in der Frage aber blieben die eigenen Argumente "durchschlagend wirkungslos". Es bleibe offenbar das Ziel der Stadt, "einen Steinhaufen trittfest zu machen". Trotzdem hofft Glaser auf eine neue Debatte. Wie auch Josef Reindl, einer der Sprecher der Architektenvereinigung "Baulust", von der die Idee stammt, mindestens Teile der Tribüne dem Verfall anheim zu geben, womöglich hinter Glas. Auch wenn sich Reindl keinen übermäßigen Hoffnungen hingibt, sich noch durchsetzen zu können - den Text eines renommierten Historikers zu lesen, der die Ideen von "Baulust" aufnehme, "hat schon gutgetan", sagt er.

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