Xavier Naidoo:"Ich erwarte nichts Gutes von der katholischen Kirche"

Der Sänger Xavier Naidoo ist gläubig, aber an der Kirche lässt er kein gutes Haar. Ein Gespräch über sein Verhältnis zu Gott - und warum der Papst Buße tun sollte.

Bernhard Blöchl

Seine zweite Soloplatte trägt den Untertitel "Alles für den Herrn", seine Texte sind geprägt von katholischen Gedanken, und auch mit seinem Musikerkollektiv Söhne Mannheims beschäftigt sich der bibelkundige Sänger eindringlich mit dem Thema Glauben. Am Freitag tritt Xavier Naidoo im Kloster Benediktbeuern auf, wo er sein Album "Alles kann besser werden" vorstellt - ein besonderes Konzert für den 38-Jährigen, der zwar gläubig ist, aber mit der Institution Kirche auf Kriegsfuß steht, wie er sagt. Bernhard Blöchl sprach mit Naidoo.

Xavier Naidoo in München, 2009

"Der Papst sollte auf seinem Balkon stehen und in die Knie gehen": Sänger Xavier Naidoo bezeichnet sich als gläubig, steht aber mit der katholischen Kirche auf Kriegsfuß.

(Foto: sz.lokales)

SZ: Sie sind römisch-katholisch erzogen worden und bringen Ihren Zugang zu Gott in vielen Ihrer Songs zum Ausdruck. Ist das Kloster Benediktbeuern ein besonderer Konzertort für Sie?

Xavier Naidoo: Er ist insofern besonders, als hinter den Klostermauern Menschen leben, die ihr Leben komplett Gott gewidmet haben. Und das finde ich interessant. Es ist das erste Mal, dass ich in einem Kloster auftrete. Ich hoffe, dass ich mit einigen von ihnen sprechen kann. Das sind ja Salesianer, und ich bin gespannt, wie die so drauf sind. Es gibt genügend Orden und Ordensgemeinschaften, die ich kritischer begutachte, zum Beispiel die Piusbrüder oder die Jesuiten. Aber ich bin gespannt und offen und freue mich auf den Auftritt im Kloster.

SZ: Stellen Sie Ihr Tourneeprogramm für das Kloster um?

Naidoo: Nein, ich werde speziell in Benediktbeuern keine Songs weglassen oder so.

SZ: Beten Sie vor Ihren Konzerten?

Naidoo: Nein, mein Gebet ist meine Musik. Ich versuche das immer mit einer großen Intensität und Leidenschaft zu machen. Viele meiner Songs sind an Gott gerichtet. Wir hatten zwar schon viele Konzerte mit den Söhnen Mannheims, wo wir uns im Kreis aufgestellt und gebetet haben, aber das machen wir nicht immer.

SZ: Man hat Ihnen immer wieder vorgeworfen, Ihre Texte seien missionarisch. Sie würden sich der Musik bedienen, um Ihren Glauben anderen aufzudrücken.

Naidoo: Wenn ich zurückblicke, dann waren die ersten Songs, die ich veröffentlicht habe, schon geprägt von katholischen Gedanken. Ich musste das einfach loswerden. Ich habe schon immer gesagt, dass ich in den Liedern, die ich schreibe, ehrlich und offen sein muss, sonst kann ich sie nicht voller Inbrunst singen. Die Erlebnisse, die man hatte, verarbeitet man in Songs. Und dann kommen dabei Sachen raus, durch die sich andere vielleicht angegriffen fühlen. Nach dem Motto: Was wedelt der da jetzt mit der Bibel rum? Ich musste das verarbeiten, um einen neuen Zugang dazu zu finden. Ich habe auch versucht, die Dogmen, die die Kirche vorgibt, in gewisser Weise noch einmal zu verdeutlichen, um mir selber zu sagen: Das ist ein Wahnsinn!

"Ich ziele mehr auf den Klerus als jemals zuvor"

SZ: Die katholische Kirche wird derzeit mit zahlreichen Missbrauchsvorwürfen konfrontiert. Sie waren Messdiener, haben in Gospel- und Kirchenchören gesungen. Was haben Sie gedacht, als Sie von den Skandalen erfahren haben?

Naidoo: Ein paar Monate davor habe ich auf meinem neuen Album einen Song veröffentlicht, der heißt "Sie verdienen einen besonderen Schutz". Daraufhin habe ich Briefe von Christen bekommen, die sich darüber echauffiert haben, wie ich Kindesmissbrauch und Taufe in einem Satz nennen kann. Da habe ich genau das im Kopf gehabt, was jetzt eben passiert ist. Es geht nicht, dass wir als Christen nicht die Verantwortung übernehmen und uns nicht kümmern wollen um die Kinder, die getauft werden. Wir können nicht die Augen verschließen vor dem, was seit Jahrhunderten passiert. Was wir jetzt erleben, ist doch wirklich nur nur die Spitze des Eisbergs!

SZ: Wie meinen Sie das?

Naidoo: Für mich ist das nur das Fußvolk der Macht, das sind Priester, ein paar Bischöfe sind auch dabei. Es gibt Rituale, die will ich nicht näher beschreiben. Und diesen Leuten muss man das Handwerk legen, egal, wo die sitzen. Diese Rituale sind teilweise schon Tausende Jahre alt. Darüber will natürlich niemand sprechen. In Belgien ist das an die Oberfläche getreten durch den Dutroux-Fall, das Ganze ist aber nie richtig verhandelt worden. Das hat jetzt achteinhalb Jahre gedauert, Zeugen sind getötet worden. Da muss ich sagen: So etwas gibt es auch in Deutschland, aber sehr organisiert.

SZ: Was ist Ihr Anliegen?

Naidoo: Das ist einfach: Es muss in meiner Kirche, dort, wo ich herkomme, geforscht werden, was da los ist. Was ist da im Gange? Ich hab jetzt bestimmt schon fünf Lieder geschrieben, in denen ich sage: Ich mag wieder einmal kein Blatt vor den Mund nehmen, ich ziele mehr auf den Klerus als jemals zuvor.

SZ: Ihr Verhältnis zur Institution Kirche ist wohl nicht besonders gut?

Naidoo: Ich stehe mit dieser Institution auf Kriegsfuß. Ich erwarte nichts Gutes von der katholischen Kirche.

SZ: Vor einigen Jahren sprachen Sie öffentlich darüber, wie Sie als Kind in Südafrika von einem 60-Jährigen missbraucht wurden. Kommen all die schrecklichen Erinnerungen nun wieder hoch?

Naidoo: Nein, weil ich damals schon hellwach war in diesen Momenten. Ich habe gleich kapiert, da ist jetzt was schief gelaufen. Im ersten Moment denkt man natürlich, man hat selbst einen Fehler gemacht. Ich habe dem Mann gesagt, er erinnert mich an meinen Vater, und dann denkt man als Acht- oder Neunjähriger, man sei selber schuld. Aber ich habe auch gleich verstanden, dass ich besser nichts mache, was den Typen jetzt aufregt, weil er mir sonst den Hals umdreht. In ein paar Minuten wird man erwachsen und durchschaut diese Sache. Für mich war dieses Erlebnis ein Augenöffner, dass die Welt auch noch eine ganz andere sein kann als die, die man so gekannt hat. Im Nachhinein war das für mich wie ein Ausflug in die Hölle, aber ich konnte halt wieder raus. Ich weiß jetzt, wie sich ein Kind fühlt, das gekidnappt und in diese Kreise eingeführt wird. Diese ersten Momente kann ich sehr gut nachfühlen.

SZ: Was kann man tun, damit Christen vor dem Hintergrund der jüngsten Skandale den Glauben an Gott nicht verlieren?

Naidoo: Das können nur Leute schaffen, die die Kirche kennen und die, wie ich, katholisch sind. Die aber sagen: Sorry, das, was die hier machen, hat mit Gott nichts zu tun! Sie haben uns unsere Sexualität genommen, das ist ein ganz schwerwiegender Eingriff in unser Leben gewesen, den die Kirche da vollzogen hat. Das müssen sie wieder geraderücken. Der Papst sollte auf seinem Balkon stehen und in die Knie gehen. Und das ist noch nicht passiert. Ich kann das nicht verstehen: In Japan bringen sich Politiker um, wenn sie Scheiße gebaut haben. Und bei uns? Die weinen noch nicht mal. Furchtbar!

Xavier Naidoo, Maierhof, Kloster Benediktbeuern, Freitag, 16. Juli, 20.30 Uhr

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