Wunsiedel:Schulschwänzer muss 63 Tage ins Gefängnis

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Mehr als die Hälfte der Unterrichtszeit war der Schüler irgendwo, nur nicht in der Schule. Immer wieder erließ das Landratsmat Bußgeldbescheide, alle ignorierte der heute 20-Jährige. Nun schickt ein Jugendrichter den ehemaligen Berufsschüler in Haft.

Olaf Przybilla

Der junge Mann hat 14 Bußgeldbescheide ignoriert. Offenbar habe er sich darin gefallen, "den Kopf einfach in den Sand zu stecken", formuliert Jugendrichter Martin Hönick vom Amtsgericht Wunsiedel. Und so ist im Lauf der Zeit eine Summe von nicht gezahlten 2720 Euro zusammengekommen, wegen Schwänzens der Berufsschule.

Weil der heute 20 Jahre alte Mann keinerlei Anstalten machte, wenigstens einen Teil der vom Landratsamt verhängten Bescheide zu bezahlen, muss er nun für 63 Tage in Erzwingungshaft in die Justizvollzugsanstalt Hof. Mehr als zwei Monate also kommt der junge Mann aus dem oberfränkischen Marktredwitz hinter Gitter - weil er die Schule geschwänzt hat.

Nicht wirklich drakonisch

An einen solchen Fall kann sich Karl Döhler, Landrat im Kreis Wunsiedel, beim besten Willen nicht erinnern. Und auch Jugendrichter Hönick spricht von einem nicht ganz alltäglichen Vorgang, auch wenn er sein Urteil gar nicht als wirklich drakonisch empfindet.

Hans Donnert, er ist Rektor an der Berufsschule in Wunsiedel, kann sich nur schemenhaft an den Fall erinnern, denn der in Tschechien geborene ehemalige Schüler hat die Berufsschule im Jahr 2009 verlassen.

Immer wieder war er morgens nicht erschienen, immer wieder benachrichtigte die Schule das Landratsamt, immer wieder stellte dieses Bußgeldbescheide aus. Mehr als die Hälfte der Schulzeit, glaubt sich Landrat Döhler erinnern zu können, sei der Schüler irgendwo gewesen, nur nicht in der Schule.

Schulleiter Donnert möchte keine Angaben über ehemalige Schüler machen, er will aber nicht ausschließen, dass es sich bei dem Betreffenden um einen jener Schüler handelte, die nach ihrem Hauptschulabschluss zwar weiter schulpflichtig sind - aber keinen Ausbildungsplatz in einem Betrieb gefunden haben und dadurch "nicht besonders motiviert" sind. Zumindest einen Tag pro Woche müssen diese Schüler trotzdem kommen, manche Berufsschulen organisieren dieses Pflichtpensum blockweise, die Berufsschule in Wunsiedel will das so nicht.

Kein exemplarischer Fall

Ist der Fall exemplarisch, weil im strukturschwachen Wunsiedel immer weniger Berufsschüler einen Ausbildungsplatz finden? Ganz im Gegenteil, sagt der Schulleiter, die Zahl derer, die in den letzten Jahren keinen Betrieb gefunden haben, sei im Fichtelgebirge rückläufig, inzwischen liege man unter zehn Prozent. Auch der Landrat berichtet, dass Wunsiedel "extrem gut aus der Wirtschaftskrise gekommen" sei, mittlerweile suchen Mittelständler nach Auszubildenden. 2007, als der damals 16-Jährige an die Berufsschule wechselte, war das noch anders.

Jugendrichter Hönick hat den Verurteilten übrigens nicht mehr eigens in Augenschein nehmen müssen, bevor er nun Haftbefehl gegen ihn erlassen hat. Zwar kenne er den Betroffenen von früher, "Jugendrichter kennen ihr Klientel fast immer", sagt er, "es bleiben ja meist dieselben." Der Haftantrag aber sei ein reiner Verwaltungsakt, auf Schriftwechsel beruhend. Ein Zeichen setzen will Richter Hönick ebenfalls nicht mit der Höhe der Haftstrafe - diese errechne sich schlicht aus der Zahl der ignorierten Bescheide.

Strafrechtlich besonders in Erscheinung getreten ist der ehemalige Berufsschüler zuvor nicht. "Als Jugendlicher hatte er seine Fäuste nicht immer voll im Griff", berichtet Klaus Prell, der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion im fränkischen Marktredwitz, "insgesamt aber war das alles noch im Rahmen."

© SZ vom 21.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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