Wunsiedel:Luisenburg-Drama endet ohne Prozess

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Auf der Luisenburg in Wunsiedel finden die ältesten deutschen Theater-Festspiele statt. Michael Lerchenberg machte sie überregional bekannt. (Foto: Florian Miedl/oh)

Die Anklage wegen Sozialversicherungsbetrugs bei den Festspielen gegen Michael Lerchenberg und Karl-Willi Beck war vor drei Jahren ein Aufreger. Übrig bleibt eine Geldauflage.

Von Olaf Przybilla, Hof/Wunsiedel

Die Razzien bei den Luisenburg-Festspielen waren vor fünf Jahren ein Schock für die Region. Staatsanwaltliche Ermittlungen beim - neben den Bayreuther Festspielen - profiliertesten Festival Oberfrankens? Das hatte man erst mal zu verdauen. Zumal die Staatsanwaltschaft im Mai 2018 die beiden wohl prominentesten Wunsiedler anklagte: Den damaligen Bürgermeister Karl-Willi Beck (CSU), der seit seiner Sitzblockade gegen marschierende Neonazis zum Mythos geworden ist - und den Teilzeit-Wunsiedler Michael Lerchenberg, Ex-Stoiber-Darsteller auf dem Nockherberg und künstlerischer Leiter der Luisenburg-Festspiele bis 2017. Der Vorwurf: Sozialversicherungsbetrug.

Fünf Jahre waren die beiden Beschuldigte, fast drei Jahre Angeklagte. Nun ist das Verfahren eingestellt worden, unter der Auflage, dass der frühere Intendant 5000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlt und der Ex-Rathauschef 10 000 Euro. Unter den Verfahrensausgängen dürfte die Einstellung mit Auflage die am schwersten vermittelbare sein. "Kein Freispruch und kein Schuldspruch", sagt der Hofer Gerichtssprecher Carsten Sellnow - und das schon deshalb, weil es zu keinem öffentlichen Verfahren gekommen ist. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann ein Gericht so verfahren, wenn die Auflagen "dazu geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen", und "die Schwere der Schuld" dem nicht entgegenstehe. "Eine blöde Zeit", diese fünf Jahre, sagt Lerchenberg im SZ-Gespräch. Er sei froh, dass es nun endlich vorbei sei.

Fast drei Jahre zwischen Anklage und Einstellung? Die Kammer habe vorrangige Verfahren auf dem Tisch gehabt, erklärt der Gerichtssprecher. Auch habe sich der Kammervorsitz geändert während des Verfahrens. Die Staatsanwaltschaft war 2018 noch davon ausgegangen, dass Krankenkassen in 111 Fällen Beiträge von Festspiel-Mitarbeitern zur Sozialversicherung vorenthalten wurden. Die Ankläger gingen von einem Gesamtschaden von 292 000 Euro aus. Keine Petitesse. Nun aber scheint davon sehr wenig übrig geblieben zu sein. In Rechtsgesprächen sei die Kammer von "deutlich geringeren Schäden" ausgegangen, sagt der Gerichtssprecher.

In einer Mitteilung geht Lerchenberg in die Offensive: "Wir haben heute im Kulturbereich ein fürchterliches Durcheinander an Beschäftigungsmodellen" - woran der Staat nicht unschuldig sei. "Abhängig Beschäftigte, Ich-AGs, Solo-Selbständige, Freiberufler, unständig Beschäftigte, Existenzgründer", die nur zum Teil durch die Künstlersozialversicherung versicherbar seien. "Das ist eine Zumutung für alle Betroffenen", findet Lerchenberg. Die Staatsanwaltschaft habe "einseitig" ermittelt. Und, schiebt er noch per Mail nach, "der bösartige Teil der Wunsiedler Kommunalpolitik" habe alles dafür getan, um den damaligen Bürgermeister "noch in seiner Amtszeit an den Galgen zu hängen".

Beschäftigungsverträge an Theatern gelten als hochkomplex, mit dem Streit über deren Bewertung ist die Justiz immer wieder beschäftigt. Auch nach fast drei Jahren war die Hofer Wirtschaftsstrafkammer von einer endgültigen Bewertung des Falls offenbar weit entfernt. "Der Verfahrensausgang war bei Einstellung völlig offen", sagt der Gerichtssprecher. Man habe also nicht vorhersehen können, was bei einem Prozess "herausgekommen wäre".

© SZ vom 11.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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