Oberfranken:Karl-Willi Beck ist tot

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Karl-Willi Beck war 18 Jahre lang Bürgermeister von Wunsiedel. Nun ist er mit 68 Jahren gestorben. (Foto: Stadt Wunsiedel)

Der frühere Bürgermeister von Wunsiedel wird als Ikone im Kampf gegen den Rechtsextremismus in Erinnerung bleiben.

Von Olaf Przybilla, Wunsiedel

Dass Kommunalpolitiker ins ikonische Gedächtnis eines Landes eingehen, ist selten. Karl-Willi Beck, von 2002 bis 2020 Bürgermeister in Wunsiedel, ist das gelungen, wenn auch wider Willen. Im August 2004 hatte er sich zu anderen Widerborstigen gesellt, die nicht tatenlos zuschauen wollten, wie Tausende Neonazis im dritten Jahr hintereinander durch eine Kleinstadt in Oberfranken marschierten. Beck hatte sie alle miterlebt, die Aufmärsche durch Wunsiedel, wo Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß 1987 bestattet worden ist. 2004 wollte er nicht mehr. Der CSU-Bürgermeister gesellte sich zu jenen, die den Marschierern spontan den Weg versperrten, per Sitzblockade.

Am Tag danach war der Bürgermeister auf der Titelseite der taz und musste sich von Parteifreunden fragen lassen, ob noch alles in Ordnung sei mit ihm: Er, Rathauschef aus der nordbayerischen Provinz, bekomme eine Eloge aus einem Hauptstadtblatt, das notorischer CSU-Sympathiebekundungen grundsätzlich unverdächtig ist? Ob er sich das auch recht überlegt habe, wurde Beck gefragt, sich mit eher links orientierten Demonstrierenden auf die Straße zu setzen? Beck antwortete: Nein, recht überlegt habe er sich das nicht - "ich musste es einfach tun". Wohl wissend, dass es widerrechtlich war.

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Das Mannsbild Beck, Nebenerwerbslandwirt, 1, 99 Meter groß, setzte sich also auf die Straße - und trug damit maßgeblich zum Wandel in der Stadt bei. Bei Amtsvorgängern hatte es noch geheißen: Wir werten die doch nur auf, wenn wir demonstrieren. Lasst uns, wenn sie kommen, lieber aus der Stadt gehen, das ärgert die am meisten. Er verstehe das Argument, erwiderte Beck. Fand aber, das "Wegschauen" keine Haltung sei. Würde man es dabei belassen, so bleibe Wunsiedel für immer die "Nazi-Stadt in Oberfranken". Später berichtete Beck dem Deutschen Bundestag, wie das so ist in einer Kleinstadt, wenn man von Nazis aus halb Europa förmlich überrollt wird. Wie hilflos man sich da fühle, wie erbärmlich.

Beck wurde hart angegangen für seine Haltung. Dass er erfolgreich war damit, bestreitet heute kaum einer mehr. Wunsiedel ist längst nicht mehr die bundesweit bekannte "Nazi-Stadt".

Einfach aber ist die Arbeit im Rathaus von Wunsiedel auch ohne derlei Großaufmärsche nicht geworden. Beck wurde für seine Amtsführung mehrfach hart attackiert, auch juristisch. Konnte aber für sich in Anspruch nehmen, um das Wohl einer selbst für oberfränkische Verhältnisse besonders klammen Stadt bemüht zu sein. Einer Stadt, die zudem mit den Luisenburg-Festspielen Besonderes zu schultern hat.

Sein Amtsnachfolger Nicolas Lahovnik nennt Karl-Willi Beck einen "mutigen Visionär und Macher, dessen Spuren und Wirken noch lange sichtbar sein werden". Spuren, wie etwa die Instandsetzung des Felsenlabyrinths, die Erweiterung am Betriebsgebäude der Festspiele und der von Beck mit erarbeitete "Wunsiedler Weg der Energie", der auf dezentrale Energieversorgung setzt.

Vor allem im Erinnerung indes wird Becks Kampf gegen den Rechtsextremismus bleiben. Dafür bekam er 2008 die Theodor-Heuss-Medaille und 2011 die Bayerische Verfassungsmedaille in Gold verliehen. Am Sonntag ist Beck nach langer schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren gestorben.

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