Wunsiedel in Oberfranken:Vision von Kögi-City

Wunsiedel in Oberfranken: Bisher noch eine Fotomontage: Würde die Vision eines Stadtrats Wirklichkeit, stünde der höchstgelegene Ratssaal der Republik auf dem Berg Kösseine bei Wunsiedel.

Bisher noch eine Fotomontage: Würde die Vision eines Stadtrats Wirklichkeit, stünde der höchstgelegene Ratssaal der Republik auf dem Berg Kösseine bei Wunsiedel.

(Foto: Harry Ipfling/oh, Architekturbüro Kuchenreuther/oh)

Verlorene Arbeitsplätze und wachsende Schulden: Matthias Popp ist CSU-Stadtrat im oberfränkischen Wunsiedel. Er hat die politische Ratlosigkeit satt. Seine Vision: Rund um das Kösseine-Massiv soll eine neue Stadt entstehen - ohne all diese lästigen Probleme.

Von Olaf Przybilla, Wunsiedel

Neulich hat der Unternehmer Kai Hammerschmidt einen Brief an den Ministerpräsidenten geschrieben. Der Geschäftsmann wollte mal für die Staatskanzlei zusammengefasst wissen, wie die Lage so ist im Landkreis Wunsiedel, und es kam da einiges zusammen: 18 000 verlorene Arbeitsplätze durch den Niedergang der Porzellanindustrie. Die Stadt Selb, die mal 23 000 Einwohner zählte und inzwischen nur noch 15 000. Und insgesamt 15 - in Worten: fünfzehn - Landkreisgemeinden, denen es einfach nicht mehr gelingt, einen genehmigungsfähigen Haushalt auf die Beine zu stellen. Im Freistaat Bayern. Hammerschmidts Brief war eine Art Schrei.

Es kam dann das zurück, was in solchen Fällen immer zurückkommt, irgendwas mit den Textbausteinen "gleichwertige Lebens- und Arbeitsverhältnisse", "Heimatstrategie" und Unterstützung der Kommunen "seit Jahren in hohem Maße". Und dass dies selbstredend auch für den Kreis Wunsiedel gelte. Was man halt so antwortet, wenn man nicht recht weiß, was man auf so was überhaupt antworten kann.

Ein neues Oberzentrum

Matthias Popp ist selbst in der CSU, er ist Stadtrat in Wunsiedel und war dort auch schon Zweiter Bürgermeister. Natürlich kennt er solche Aufschreie. Und er kennt die geschäftsmäßige Routine, das allgemeine Achselzucken im Rest des Freistaats, mit der inzwischen zur Kenntnis genommen wird, dass sie da oben in diesem Wunsiedel offenbar echte Probleme haben. Probleme, wie man sie in Vorpommern erwarten würde. Aber gut, ist halt so. Und es gibt ja da auch eine bayerische "Heimatstrategie", wird schon werden.

Wird gar nicht werden, glaubt Popp, der als Ingenieur an der Ohm-Hochschule in Nürnberg unterrichtet. Jedenfalls dann nicht, wenn alles so bleibe, wie es ist im kleinräumigen Kreis Wunsiedel. Denn dann, sagt Popp, werde man noch auf alle Zeiten auf so was wie Hochschulansiedelungen warten. Und werde sich öffentlich verprügeln lassen müssen, weil man als Kommune versuche, mit Investitionen irgendwie gegenzusteuern. Trotz Kratern im Haushalt. Weniger als 10 000 Einwohner leben inzwischen in der Hauptstadt des Landkreises, in Wunsiedel.

Der Stadtrat Popp hat nun auf eigene Faust einen Vorschlag eingebracht, der auf Leserbriefschreiber in der Lokalpresse wie ein Faschingsscherz wirkt. Damit habe er gerechnet, sagt Popp, aber das sei ihm wurscht. Der Plan des CSU-Mannes: Gründung eines neuen Oberzentrums in Oberfranken mit 42 000 Einwohnern rund um den örtlichen Berg Kösseine. Beteiligung von zehn Kommunen. Zusammenlegung der kommunalen Verwaltungsstrukturen. Ein Oberbürgermeister statt zehn Rathauschefs. Bau des höchsten Ratssaals der Republik als Identifikationsobjekt auf dem Berg in der Mitte der zehn Orte. Und damit, jawohl, sogar "die Schaffung des größten Stadtparks der Republik". Weil der Berg mit seinem Wald plötzlich mitten in der City liegen würde. Einer Stadt in der Größe von Hof, Coburg, Kulmbach. Genannt: Kögi. Kö wie Kösseine, Gi wie Gipfel.

Keiner würde die Identität verlieren

Das Wort, findet Popp selbst, ist noch verbesserungswürdig. Ein Arbeitstitel halt. Aber die beteiligten Kommunen würden ohnehin ihren Namen behalten, künftig aber Doppelnamen tragen: Kögi-Wunsiedel, Kögi-Nagel, Kögi-Neusorg, Kögi-Pullenreuth und so weiter. Keiner würde seine Identität verlieren, sagt Popp, aber die Kleinststrukturen wären weg. Jeder Teil des Oberzentrums bekäme irgendwas Verwaltungsmäßiges. Um den Personalausweis zu verlängern, müsse man auch künftig nicht auf den Berg, dort oben fänden nur die Ratssitzungen statt. Sitzungen mit Überblick sozusagen. Und ja, sagt Popp, er habe seinen Plan schon vor der Kommunalwahl in seiner Fraktion vorgestellt. Dort bat man dringend, doch bitte noch zu warten bis nach der Wahl. Darauf ließ Popp sich ein. Auf mehr nicht.

In den Nachbarorten scheint die Begeisterung noch ausbaufähig zu sein. Im potenziell künftigen Kögi-Marktredwitz etwa sagt die CSU-Fraktionsvorsitzende Uta Siegle: "Ja, der Kollege Popp." Dann sagt sie erst mal nichts mehr, bis sie nachschiebt: "Ist halt ein Visionär." Wobei die Welt, da ist sich Siegle sicher, nicht so weit wäre, wie sie jetzt ist, gäbe es keine Visionäre. Vielleicht sei es ja ein Anstoß für etwas, was die Region wirklich weiterbringe.

Der Bürgermeister in Tröstau, Heinz Martini, hätte es gerne gesehen, von den Visionen des Kollegen "nicht aus der Zeitung zu erfahren". Zumal ja das Amt des Bürgermeisters in Kögi-Tröstau nicht vorgesehen ist, und der Plan seinen Lebensbereich also nicht unwesentlich betreffen würde. Und die Bürgermeisterin im Städtchen Waldershof, Friederike Sonnemann, gibt zu bedenken, dass ihre Kommune jetzt schon auf 26 Ortsteile verteilt und nur mit einigem Aufwand zu verwalten ist, die City Kögi aber künftig mindestens das Zehnfache an Fläche hätte. Und sich als Stadt im Übrigen über zwei bayerische Regierungsbezirke erstrecken würde, weil Waldershof in der Oberpfalz liegt. Sonnemann lehnt Popps Plan ab.

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