Süddeutsche Zeitung

Wunschnachfolgerin Natascha Kohnen:SPD lässt Basis über Pronold-Nachfolge mitbestimmen

  • Generalsekretärin Natascha Kohnen hat am Wochenende verkündet, sich für den Landesvorsitz der Bayern-SPD zu bewerben.
  • Sie ist die erklärte Wunschnachfolgerin des bisherigen Vorsitzenden Florian Pronold. Dessen Vorpreschen bei der Frage kam in der Partei allerdings nicht gut an.
  • Die Basis soll auf Vorschlag Kohnens nun in einer Mitgliederbefragung entscheiden, wer der oder die Geeignetste für das Führungsamt ist.

Von Lisa Schnell

Seit Wochen rufen sie nach ihm, dann ein Knall, ein Wochenende voller Streit und Versöhnung, und jetzt soll er wirklich da sein, der Neuanfang bei der Bayern-SPD. Nur, wer ihn verkörpert, das ist noch nicht klar.

Eine Kandidatin gibt es schon mal. Am Wochenende verkündete Generalsekretärin Natascha Kohnen am Rande einer Vorstandsklausur ihre Bewerbung für den Landesvorsitz. Sie war zuvor von dem jetzigen Landesvorsitzenden Florian Pronold als seine Wunschnachfolgerin ausgerufen worden. Ein Vorpreschen, das einige in der Partei verärgerte. Stundenlang diskutierte der Vorstand am Samstag und schloss sich schließlich einstimmig einem Vorschlag Kohnens an: Die Basis soll in einer Mitgliederbefragung entscheiden, wen sie für das Amt des Landesvorsitzenden am geeignetsten hält.

Sie sei bereit, Verantwortung zu übernehmen, sagte Kohnen, 49. Wenn aus der Partei aber ein Vorschlag für einen anderen Kandidaten komme, dann begrüße sie das. Bis zum 28. Februar können sich mögliche Gegenkandidaten zu erkennen geben. Meldet sich niemand, gibt es keine Befragung. Anders als eine Urwahl ist eine Mitgliederbefragung nicht verpflichtend. Sie soll aber als starke Orientierung für die Delegierten gelten, die im Mai auf dem Parteitag in Schweinfurt einen neuen Landesvorstand wählen.

Es wird davon ausgegangen, dass, wer die Basis nicht überzeugt, seine Kandidatur zurückzieht. Spontane Kandidaturen auf dem Parteitag sind möglich, auch wenn sich derjenige dann wohl dem Vorwurf aussetzen müsste, sich um das Votum der Basis gedrückt zu haben.

Sie stehe für einen anderen Politikstil, warb Kohnen für sich. In der Kommunikation, im Stil und auch bei den Themen wolle sie einiges anders machen. So müsse etwa das Abarbeiten an der CSU-Regierung ein Ende haben. Dafür will Kohnen wieder "fühlbar machen, was Sozialdemokratie ist" und welche Antworten sie auf die starke Verunsicherung in der Gesellschaft habe. Kohnen denkt da an Themen wie bezahlbaren Wohnraum oder eine gerechte Vermögensverteilung.

Sie betonte außerdem, sich ausschließlich für den Landesvorsitz zu bewerben. Pronold hatte zuvor gesagt, für ihn sei sie die ideale Spitzenkandidatin für die nächste Landtagswahl 2018. "Semi-professionell", nennt das Ewald Schurer, Chef der Oberbayern-SPD. Die Entscheidung müsse nach der Bundestagswahl gefällt werden und bis dahin völlig offen bleiben, sagte Markus Rinderspacher, der Chef der Landtagsfraktion. Ob er selbst als Spitzenkandidat zur Verfügung steht, will Rinderspacher weder dementieren noch bestätigen.

Kohnens Kandidatur für den Landesvorsitz nennt er "ein Aufbruchsignal für die SPD". "Verhalten optimistisch", sind die Jusos. Kohnen setze mehr auf Dialog und habe mit ihrem Nein zum Wirtschaftsabkommen Ceta im Bund Bayerns Interessen vertreten, sagt der Juso-Landesvorsitzende Tobias Afsali. Es müsse aber noch "deutlich mehr kommen" wie etwa eine stärkere Betonung der sozialen Gerechtigkeit. Einig sind sich alle in ihrer Begeisterung für die Mitgliederbefragung. Sollte sich aber niemand melden, müsse Kohnen unterstützt werden, "alles andere wäre dumm", sagt Florian Post aus der Landesgruppe. "Ich persönlich finde es gut, wenn es auch noch eine Alternative gibt", sagt Schurer. Er hofft, dass sich so die Aufbruchstimmung seit der Kanzlerkandidatur von Martin Schulz hält. Nur wer soll es machen?

Ambitionen werden vor allem einem nachgesagt: Florian von Brunn aus München. Er ist Landtagsabgeordneter und Verbraucherschützer, bekannt durch sein Engagement beim Bayern-Ei-Skandal. Mit ihm würden zwei Oberbayern gegeneinander konkurrieren. "Dann hätten wir zwei gute Kandidaten", sagt Franz Schindler, Chef der Oberpfalz-SPD, ohne von Brunn vorschlagen zu wollen. "Der kann das", sagen die einen. Ihm fehle noch die notwendige inhaltliche Breite, sagen andere. Manche vermuten, dass Kohnen ihre möglichen Konkurrenten aus dem Spiel nehmen will, indem sie ihnen den Posten des Generalsekretärs anbietet, falls sie Landesvorsitzende wird. Außer von Brunn kämen hier noch die Juso-Bundesvorsitzende Johanna Uekermann in Frage, heißt es.

Auch dem innerparteilichen Bündnis "Zeit für die Mutigen" wird nachgesagt, an einer möglichen Gegenkandidatur zu Kohnen zu arbeiten. Erst einmal sei man dort aber "überglücklich" über die Mitgliederbefragung, sagt Markus Käser, ein Sprecher des Bündnisses. Damit hätte der Landesvorstand eine Forderung umgesetzt, die sie schon seit Langem formulierten. Ohne den Druck des Bündnisses "hätten die das nie gemacht", ist sich Käser sicher. "Die Mutigen" hatten indirekt eine Kampfkandidatur für den nächsten Parteitag angekündigt, falls sich nichts an der Politik des Vorstands ändere. Innerhalb von drei Wochen einen Kandidaten zu finden sei "eine sehr sportliche Aufgabe", sagt Käser.

Ob das überhaupt nötig ist, da ist er sich noch nicht sicher. Kohnen müsse jetzt "nachlegen", inwieweit sie wirklich einen Neuanfang wagen möchte und nicht nur die "Fortsetzung von Florian Pronold mit anderen Mitteln" sei. Notwendig sei nicht nur ein neues Verfahren, sondern auch neue Inhalte. Dazu gehöre auch "eine verbindliche Position zum unverhohlenen Koalitionsflirt mit der CSU", sagt Käser. Ob der postulierte Neuanfang echt oder nur "Theaterdonner" sei, werde sich nun zeigen. Und falls nicht? "Wir haben ja noch 22 Tage und können jeden Tag eine andere Sau durchs Dorf treiben", sagt Käser scherzhaft.

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SZ vom 06.02.2017/imei
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