Wunsch nach Abspaltung:Bayern, die neue Großmacht

Wunsch nach Abspaltung: Wo samma? Do samma! Würde sich Bayern von Deutschland abspalten, so stünde der Freistaat besser da. Oder?

Wo samma? Do samma! Würde sich Bayern von Deutschland abspalten, so stünde der Freistaat besser da. Oder?

Schottland, Katalonien - und auch Bayern? Wenn es um Käse und Fußball geht, könnte ein unabhängiger Freistaat international mithalten. Vorausgesetzt, die Franken spalten sich nicht ab.

Ein Gedankenspiel

Unsere Streitkräfte

Innerhalb der Nato-Staaten würde die bayerische Armee eine im wahrsten Sinne gewichtige Rolle spielen: Die Streitmacht besteht derzeit zwar nur aus 12 000 Mann Gebirgsschützen in 47 Kompanien. Zusammen bringen sie aber ungefähr so viel auf die Waage wie die 200 000 Mann der US-Marines. Die Standardbewaffnung besteht aus altbewährten 98er Mauser-Karabinern, robusten Vorderladern und Böllerkanonen verschiedenen Kalibers. Weil viele Kameraden schon ein bisschen älter sind, müsste das Verteidigungsministerium in München bis 2020 den Plan "Barrierefreies Gefechtsfeld" ausarbeiten: Dazu gehören XXL-Fallschirme für Bandscheibengeschädigte, extra laute Mobiltelefone, Tagsichtgeräte und Geländerollatoren.

Unsere Milch

Allen Spöttern zum Trotz müssen wir hier festhalten: Ja, wir Bayern produzieren wirklich den meisten Käse in Deutschland, und wir sind sogar richtig stolz darauf. Und ja, wir haben auch die meisten Rindviecher - und dabei zählen wir wirklich nur jene, die auf den Weiden, den bayerischen Bergwiesen oder im Stall stehen. Ihnen verdanken wir eine außerordentliche Milchproduktion von mehr als sieben Millionen Tonnen im Jahr. Da kann der Rest von Deutschland nur neidisch Richtung Süden blicken.

Und dank dieser gewaltigen Euterausbeute ist es uns Bayern möglich, 400 verschiedene Käsesorten mit einzigartigem Aroma zu produzieren, gegen die national und international kaum anzustinken ist. Im Prinzip müsste längst die Kuh den Löwen im Staatswappen ablösen. Ja, wir lieben unsere Milchproduzenten so sehr, dass wir sie von Stylisten föhnen lassen, Fotoshootings für Kuh-Kalender veranstalten und die Vierbeiner reich bekränzt im Herbst wieder von den Bergen herunterholen.

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Unsere Größe

Das unabhängige Bayern wäre leider kleiner als Österreich, aber deutlich größer als die Schweiz oder Togo. Auf hochauflösenden Weltkarten und von der Raumstation ISS aus ist Bayern bereits jetzt als Flächenland deutlich zu erkennen.

Unsere Bevölkerungszahl

Fläche hin oder her, was wirklich zählt, sind doch die Menschen, die in einem Land leben. Die Zahl der Abgeordneten im Europaparlament zum Beispiel richtet sich nicht nach der Fläche, sondern nach der Einwohnerzahl eines Staates. Und da würde Bayern mit Sicherheit nicht unter die Räder kommen: Im europaweiten Vergleich nimmt es in Punkto Bevölkerung einen stolzen neunten Platz ein. Unmittelbar hinter den Niederlanden, vor Belgien, Griechenland und - Österreich. Selbst das mächtige Schottland, das nun auch nach Eigenständigkeit strebt, hat nur halb so viele Einwohner.

Übrigens: Ein unabhängiges Bayern könnte in dieser Hinsicht für Restdeutschland richtig unangenehm werden. Das müsste dann nämlich befürchten, dass es irgendwann von Frankreich überholt wird. Schließlich haben die Franzosen eine wesentlich höhere Geburtenrate. Zumindest mit dem Kinderkriegen kennen sie sich einfach besser aus.

Unser Wintersport

Gab es bei den jüngsten Olympischen Winterspielen in Sotschi überhaupt einen deutschen Goldmedaillen-Gewinner, der nicht aus Bayern kam? Nach den ersten Wettkampf-Tagen hätte Bayern als eigenständige Nation sogar den Medaillenspiegel angeführt - vor Russland und Norwegen und all den anderen Wintersport-Großmächten. Und ganz weit vor dem Wintersport-Zwerg Restdeutschland. Bei den Rodel-Rennen war es sogar so, dass alle vergebenen Gold-Plaketten ins Bayernland gingen.

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Am Ende der Putin-Spiele hatten die Bayern sechs goldene, zwei silberne und zwei bronzene Medaillen um den Hals baumeln. Damit hätten sie im Welt-Ranking immerhin den siebten Platz belegt. Und wenn sich der Neureuther Felix auf dem Weg nach Russland nicht bei einem Unfall auf der Starnberger Autobahn verletzt hätte, was wäre dann alles noch möglich gewesen. Egal, denn auch so waren die Bayern zwei Plätze besser als die Österreicher mit ihren mickrigen vier ersten Plätzen, obwohl Österreich mehr Schneekanonen als Panzer hat und die bayerische Zugspitze auf nur 2964 Meter kommt. Bis sie zum Dreitausender wird, kann es noch dauern, da die Auffaltung der Alpen sehr zäh voranschreitet.

Kicken, brauen, abspalten

Unsere Nationalmannschaft

Der Anruf des bayerischen Fußball-Nationaltrainers ist eine Ehre, aus drei Gründen: Weil er für den Angerufenen ein Nachweis seiner fußballerischen Fähigkeiten ist. Weil er ein Nachweis seiner ausgewiesenen bayerischen Mannhaftigkeit ist. Und weil der Anrufer der weltweit anerkannte Fußballtrainer und Mannhaftigkeit-Experte Lothar Matthäus ist, genannt: Loddarmaddäus.

Der Bayern-Trainer Loddarmaddäus achtet natürlich sehr auf das technische Talent seiner Mannschaft, deswegen nominiert er zum Beispiel Holger Badstuber oder Philipp Lahm (als Rechtsverteidiger!). Mit diesen Spielern spielt er ein 4-3-3-System, das vielleicht nicht das modernste ist, aber das angriffslustigste, alles klar? Besonders wichtig ist es Loddarmaddäus jedoch, dass Kerle da sind, wegen Männerfußball und so. Kantige Typen wie Georg Niedermeier, Lars Bender, Bastian Schweinsteiger.

Thomas Müller, der gewiss keine Kante ist, hat seine Nominierung sicher, weil er selbst kolumbianische TV-Reporterinnen mit seinem Dialekt verschreckt. Christopher Schindler ebenfalls, aus Proporzgründen, als einziger vom TSV 1860. Weil der Loddarmaddäus auch ein Gefühl für Sprache hat, lädt er gerne Spieler wie Philipp Tschauner, Benjamin Lauth oder Steffen Krautschneider ein (alles auch: Kerle). Der wichtigste Spieler in einer bayerischen Nationalmannschaft ist jedoch Stefan Kießling. Der hat immerhin schon vor einem Jahr erklärt, dass er nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft spielen will.

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Unsere Brauereien

Dass es in Bayern (623) fast so viele Brauereien gibt wie im restlichen Deutschland (716), ist unter anderem dem Umstand geschuldet, dass sich bayerische Fußballer täglich mit Bier duschen. Aber auch der Durst prägt diese Statistik, was in der weiß-blauen Literatur gut belegt ist. Der Bayer wird darin häufig als gwampert und biersüchtig beschrieben. Das Wasser, so war man lange überzeugt, verursache den Einheimischen heftiges Leibweh und starken Durchfall. Bayerische Mägen, so hieß es, können Wasser auf die Dauer nicht vertragen. Jeder Versuch, das Biertrinken aufzugeben, war zum Scheitern verurteilt. Noch immer fürchtet sich das Volk vor einem Brauerstreik und seinen gesundheitlichen Folgen.

Obwohl sich dieses Leiden spürbar gebessert hat, setzte Bayerns Brauwirtschaft im ersten Halbjahr 2014 stattliche 11,4 Millionen Hektoliter Bier ab, eine Menge, die den Ausstoß aller anderen Bundesländer weit übertraf. Das liegt daran, dass nun auch viele Ausländer glauben, sie vertrügen kein Wasser, sondern nur noch bayerischen Gerstensaft. Bayerns Bierexport flutscht wie bei den Ölförderstaaten das Rohöl. Überdies gelten Biere aus dem Norden hierzulande von Haus aus als minderwertig. Der Bierdimpfl schimpft den Wirt: "Den Blembbe konst selber sauffa!" Blembbe (Plempel) ist ein Synonym für ein Bier, das wie Rohöl schmeckt.

Unsere Franken

Richtig groß ist Bayern aber nur, falls die Franken bei der Stange bleiben. Andernfalls würden plötzlich 4,1 Millionen Einwohner fehlen. Einmal schien das ernsthaft in Frage zu stehen, jedenfalls wenn man die Leserbriefspalten der Lokalzeitungen studierte. Im Oktober 2008 war das, nach fränkischer Lesart war da gerade Günther Beckstein einer altbayerischen Intrige zum Opfer gefallen. Ausgerechnet Beckstein, der Inbegriff fränkischer Bescheidenheit.

Von Hof bis Aschaffenburg, überall fand sich der gleiche gesamtfränkischen Wutbürgertenor: "Edz langd's fei." Als sich daraufhin im Klosterbräu Bamberg die "Partei für Franken" gründete und die Franken als "Schotten von Bayern" verstanden wissen wollte, drohte die Sache heikel zu werden. Kocht da was hoch, werden die womöglich wichtig in Zukunft? Sie wurden es nicht. Weil die Franken sich immer nur kurz aufregen. Und dann ist wieder gut. Bei der Landtagswahl bekamen die Parteifranken 0,7 Prozent. Und bei der Kommunalwahl reichte es nicht mal, um in Nürnberg überhaupt antreten zu dürfen.

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