Süddeutsche Zeitung

Würzburg:Zwischen ÖDP und Linke

Flüchtlingshelfer und politisch Enttäuschte setzen auf Claudia Stamms neue Partei

Von Claudia Henzler, Würzburg

"Es ist Zeit zu handeln. Deswegen gründen wir eine neue Partei für Bayern", hat Claudia Stamm an die Wand des Saals beamen lassen. Mit dem Thema Zeit gehen die möglichen Mitglieder ihrer neuen Partei bei dieser ersten Regionalkonferenz in Würzburg allerdings recht entspannt um. Das Programm beginnt mit viertelstündiger Verspätung, dann fallen die Begrüßungsreden des Kernteams um die ehemalige Grünen-Abgeordnete und den Münchner Soziologieprofessor Stephan Lessenich deutlich länger aus als geplant, schließlich geht es mit halbstündiger Verspätung in die Workshops.

Es ist halt kein Parteitag, der am Sonntag in den Räumen der evangelischen Studierendengemeinde über die Bühne geht. Noch gibt es keine Partei, noch werden vor allem Mitstreiter gesucht. Deshalb sind das Kennenlernen und die informellen Gespräche am Anfang fast ebenso wichtig wie die Workshops, in denen es um mögliche Punkte fürs Parteiprogramm geht. Gut 50 Teilnehmer sind gekommen, mehr als die Hälfte aus Franken, einige aus Ober- und Niederbayern, der Altersdurchschnitt liegt wohl knapp über 50.

Von den Besuchern erfährt man, dass viele in der Flüchtlingshilfe engagiert sind und bisher nicht politisch aktiv waren. Vor allem die Wut über Abschiebungen nach Afghanistan nennen sie als Grund, das zu ändern. Einige äußern das Bedürfnis, denjenigen eine Stimme zu geben, die sich seit 2015 für Geflüchtete einsetzen. Sie sagen, dass sie der AfD etwas entgegensetzen wollen. Inhaltlich bewegt man sich hier zwischen ÖDP und der Linken, doch mit den etablierten Parteien sind die Teilnehmer unzufrieden. Zu viele Kompromisse. Und vor allem die Abschiebungen.

Dieter Weberpals etwa ist von den Grünen enttäuscht, er hat sich aus Nürnberg auf den Weg nach Würzburg gemacht, "in der Hoffnung, dass es vielleicht Menschen gibt, die zum grünen Ursprung zurückwollen". Christine Kornprobst hat einen noch weiteren Weg hinter sich, aus München nämlich. Dort war sie schon beim Stammtisch der neuen Bewegung im Hofbräukeller und so von der "positiven Grundstimmung" beeindruckt, dass sie gerne mehr sehen wollte. Kornprobst engagiert sich schon lange für Flüchtlinge und wünscht sich eine "Gegenströmung", die die Menschenrechte in den Vordergrund stellt. Sie beklagt, dass die "normalen Menschen, die ein Herz haben", nicht mehr berücksichtigt würden in der Politik und fordert von den Parteien: "Man muss nicht über jedes Stöckchen hüpfen, das die AfD hinwirft."

Auch Barbara Griesbach ist in Würzburg in der Flüchtlingshilfe aktiv. Was Asylpolitik angeht, stellt sie fest: "Dieses Thema ist in Gesamtdeutschland ziemlich traurig und in Bayern besonders." Bisher ist sie in keiner Partei, genau wie Christine Deutschmann, die aus Rückersdorf bei Nürnberg angereist ist. Dort kümmert sie sich ehrenamtlich um Flüchtlinge. "Ich hatte bisher Vertrauen in unsere Parteien, dass sie sich nicht so verhalten wie sie es jetzt tun", sagt sie mit Blick auf die Abschiebungen. Sie kritisiert, dass der Umgang mit Geflüchteten nur wegen der anstehenden Wahlen härter geworden sei. "Man hat auch das Gefühl, das die Asylanträge gar nicht richtig geprüft werden." Deshalb sei es wichtig, dass "die vielen engagierten Menschen" ihre Stimme erheben.

Auch einen echten Bürgermeister hat "Zeit zu handeln" in ihren Reihen. Der bisher parteilose Robert Herold aus der unterfränkischen 2400-Einwohner-Gemeinde Burgsinn bleibt bei der Begrüßung inhaltlich vage (will sich in der Landespolitik dafür einsetzen, dass Kommunen besser ausgestattet werden), kann sich aber vorstellen, zu kandidieren. Erklärtes Ziel der Parteigründer ist es nämlich, bei der Landtagswahl 2018 mit eigener Liste anzutreten. Um Pfingsten herum will das Kernteam den Namen der Partei bekannt gegeben, kündigt Stamm an.

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SZ vom 08.05.2017
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