Pressefreiheit:Durchsuchung bei Würzburger Journalist war rechtswidrig

Ein Berichterstatter hatte 2020 eine Demo von Gegnern der Corona-Maßnahmen dokumentiert. Danach standen Ermittler vor seiner Tür.

Von Clara Lipkowski

Es passierte nach einer Demonstration in Würzburg, über die Thomas Herterich berichtet hatte - so wie er das oft tut. Der fränkische Journalist ist immer wieder bei Demos unterwegs, vor allem, wenn im rechten Spektrum aufmarschiert wird. Dann fotografiert er, dokumentiert, postet etwa auf Twitter oder Instagram. Doch nach einer "Eltern-Stehen-Auf"-Demo im Dezember 2020, die dem Querdenker-Milieu zugerechnet wurde, klingelten überraschend Ermittler bei ihm - samt Durchsuchungsbeschluss in der Hand.

Zwei Staatsschutzbeamte in Zivil durchsuchten seinen Computer, speicherten vier seiner Fotos auf einem polizeieigenen USB-Stick und begründeten das mit Beweismittelsicherung. Sie ermittelten damals gegen mehrere Personen im Zusammenhang mit Störaktionen möglicher Linksextremer während der Demo. Auch Herterich, so vermuteten sie, sei ein Gegendemonstrant.

Nun stellte sich heraus: Die Wohnungsdurchsuchung war rechtswidrig. Herterich, der wegen Anfeindungen mit Pseudonym in Erscheinung tritt, hatte Beschwerde eingelegt und hat nun vom Landgericht Würzburg Recht bekommen. Das Gericht hat den entsprechenden Durchsuchungsbeschluss am 10. Mai 2022 aufgehoben. "Die beschlagnahmten Aufnahmen unterliegen (...) einem Beweiserhebungsverbot", heißt es in der Begründung. Herterich gehöre zum "geschützten Personenkreis", er sei sehr wohl Journalist. Die Durchsuchung hätte also nicht stattfinden dürfen.

Das Amtsgericht sah in Herterich einen Aktivisten, keinen Journalisten

Denn das garantiert die Pressefreiheit: Von Journalistinnen und Journalisten recherchierte Materialien dürfen nicht beschlagnahmt werden. Das Amtsgericht Würzburg hatte jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft die Durchsuchung gestattet. Richter und Staatsanwaltschaft sahen in Herterich - der zu rechten Demos auch seine Meinung kundtut, und, wie er sagt, "kein Blatt vor den Mund" nimmt, wenn er Polizeigewalt beobachte - einen Aktivisten aus dem linken Spektrum, der schlicht Demo-Material in sozialen Medien poste. Von der Durchsuchung versprach man sich Beweise zu den Störaktionen.

Daher wird der Beschluss des Landgerichts in der Branche nun als Stärkung des Online-Journalismus gesehen: Er bestätigt, dass wer online veröffentlicht, nicht "nur" Aktivist sein kann, sondern auch Journalist oder Journalistin - so wie auch solche, die im Rundfunk oder in Printmedien veröffentlichen. Herterichs Anwältin Kristin Pietrzyk bescheinigte dem Amtsgericht zuvor eine "höchst bedenkliche, in die Pressefreiheit eingreifende Rechtsauffassung", der das Landgericht Würzburg nun "eine Absage erteilt" habe. Herterich selbst sagte am Donnerstag am Telefon: "Das ist ein sehr starkes Urteil", auf Twitter nannte er den Beschluss "richtungsweisend". Die Staatsanwaltschaft teilte mit, man habe die "sicherlich vertretbare Entscheidung des LG Würzburg zur Kenntnis genommen".

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