Süddeutsche Zeitung

Unterfranken:Tragischer Tod eines Polizeischülers in Würzburg

  • Ein 19-jähriger Auszubildender der Polizei soll im Dienstgebäude der Bereitschaftspolizei in Würzburg aus Versehen einen 21-jährigen Kollegen erschossen haben.
  • Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) könnte eine falsch entladene Dienstpistole der Grund für den Tod des jungen Mannes sein.
  • Erst wenige Tage zuvor hatte ein ähnlicher, aber nicht tragisch verlaufender Vorfall in Würzburg Aufsehen erregt.

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Aus Versehen einen Menschen mit der Dienstwaffe zu erschießen, gehört zu den Horrorvorstellungen jedes Polizisten. Nach allem, was bislang bekannt ist, scheint das im Dienstgebäude der Bereitschaftspolizei in Würzburg am Donnerstagabend passiert zu sein. Ein Auszubildender steht im Verdacht, aus Versehen einen Kollegen erschossen zu haben. Viele Polizisten waren danach schockiert. Kollegen und Angehörige des Beamten wurden psychologisch betreut.

Die beiden Auszubildenden hielten sich kurz vor Beginn ihres Wachdienstes gemeinsam in einem Zimmer auf. Dabei muss sich ein Schuss aus der Waffe eines 19-Jährigen gelöst haben. Ein Kollege hörte ein Schussgeräusch und eilte ins benachbarte Zimmer. Dort fand er den Kollegen in einem Schockzustand vor - den anderen, einen 21 Jahre alten Beamten in Ausbildung, von einer Kugel schwer verletzt. Kurz darauf starb der junge Beamte in einer Klinik. "Wir trauern um unseren Kollegen", sagt Polizeisprecher Björn Schmidt. In den Reihen der Polizei habe der mutmaßliche Unfall Bestürzung ausgelöst. Beide Polizisten hatten ihre Ausbildung erst vor eineinhalb Jahren begonnen. Mit den Ermittlungen begann zunächst die Kriminalpolizei. Kurz darauf übernahmen - wie das unter solchen Umständen üblich ist - Landeskriminalamt und Staatsanwaltschaft. Diese ermittle nun wegen des Anfangsverdachts einer fahrlässigen Tötung, sagt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen.

Zwar ist die exakte Ursache des Unglücks noch nicht klar. Nach Angaben von Innenminister Joachim Herrmann (CSU) könnte aber eine falsch entladene Dienstpistole Grund dafür sein. Womöglich hatte der Schütze nur das Magazin entnommen. Und eine Kugel im Lauf vergessen.

Es müsse aber jemand den Abzug betätigt haben. "Die Waffe kann nicht von alleine losgegangen sein", sagt Herrmann.

Erst wenige Tage zuvor hatte ein ähnlicher, aber nicht tragisch verlaufender Vorfall Aufsehen erregt in Würzburg. Am 20. Februar hatte sich ebenfalls bei der dritten Bereitschaftspolizeiabteilung unbeabsichtigt ein Schuss aus einer Dienstwaffe gelöst. Der Vorfall geschah aber nicht in einem Zimmer, sondern in einem Büro der Unterkunft. Das Projektil beschädigte eine Fensterscheibe des Dienstgebäudes. Verletzt wurde niemand. Die Ermittlungen wegen des Vorfalls dauern an, die Kollegen des Polizisten, dem das Missgeschick passiert ist, nehmen derzeit aber an, dass der Beamte ebenfalls davon ausgegangen ist, seine Waffe sei ungeladen.

Diese Patrone zu entfernen, ist eigentlich Routine

Nach SZ-Informationen handelt es sich beim Schützen dieses glimpflich ausgegangenen Vorfalls um einen erfahrenen Beamten. Also nicht um einen Auszubildenden. "Leider passiert das manchmal selbst den Besten", sagt ein langjähriger Polizist. Er berichtet von einem Durchschuss eines Mannschaftswagens und einem Schuss im Inneren eines Einsatzwagens, bei denen jeweils niemand verletzt wurde. Wie so etwas passieren kann? Vor allem in Eile vergessen Beamte mitunter, dass "bei zuvor durchgeladener Waffe trotz anschließend herausgenommenen Magazins sich noch eine Patrone im Patronenlager befindet", berichtet der Beamte. Diese Patrone zu entfernen, ist eigentlich Routine. Wird aber mitunter vergessen.

Die bayerische Bereitschaftspolizei bekommt seit September neue Waffen. Seither wird Polizeianwärtern nicht mehr das Modell P 7 aus den Siebzigerjahren ausgehändigt, sondern die Dienstpistole SFP 9. Sie hat den Vorteil, dass sie von den Beamten in individualisierten, auf die Handgröße des Beamten zugeschnittenen Varianten ausgewählt werden kann. Bei deren Einführung betonte Minister Herrmann die "ausgeklügelten Sicherungsmechanismen" der neuen Waffe, sodass diese eine "optimale Sicherung im dienstlichen Alltag" gewährleiste. 30 Millionen Euro seien gut investiertes Geld in die Sicherheit.

Peter Schall, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, ist weiter überzeugt von dem Modell. Die Waffe sei vielfach getestet und habe sich als "sehr zuverlässig" erwiesen. Das bestätigen auch andere Beamte, auch wenn bei der Einführung der Pistole in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern Probleme auftraten. Nicht aber mit der Sicherheit der Waffe. Mit der Sicherungsmechanik habe der Unfall wohl nichts zu tun, heißt es aus Ermittlerkreisen. Auch mit der alten Dienstwaffe P 7 hätte so etwas passieren können. Langjährige Beamte gehen daher auch nicht vom willkürlichen Lösen eines Schusses aus, sondern von einem anderen Ablauf.

Womöglich habe der Polizist bei einer Wachschicht kurz zuvor seine Waffe ordnungsgemäß entsichert. Habe dann aber kurz vor Antritt seiner nächsten Wachschicht irrigerweise geglaubt, in seiner Pistole sei kein Schuss mehr. Polizei-Anwärter sind gehalten, sogenannte Trockenübungen auszuführen, um sich an die Waffe zu gewöhnen. Diese sollen natürlich nicht in Richtung von Menschen ausgeführt werden. Nicht auszuschließen sei aber, dass den jungen Beamten möglicherweise ein Querschläger getroffen haben könnte, sagt ein erfahrener Beamter. Das aber ist spekulativ. Die Würzburger Staatsanwaltschaft nennt vorläufig keine Ermittlungsdetails.

Sie dürfte nun auch der Frage nachgehen, ob beim Abgeben der Waffe einem Kollegen des Schützen hätte auffallen müssen, dass wohl eine Patrone aus der Polizeipistole fehlte.

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SZ vom 02.03.2019/amm
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