Kommunalpolitik:Mehr Luft

St.Kilian Dom mit Turm des Rathauses in Würzburg, Unterfranken, Bayern, Deutschland *** St. Kilian Cathedral with tower

Würzburg wird die erste bayerische Stadt mit Klimabürgermeister.

(Foto: Imago)

Würzburg bekommt Bayerns ersten Klimabürgermeister. Den Posten übernimmt der Grüne Martin Heilig, der als OB-Kandidat unterlegen war. Das Binnenklima bei der Ökopartei ist unterdessen ähnlich schlecht wie in der Stadt

Von Olaf Przybilla, Würzburg

Vor acht Wochen war Martin Heilig ein enttäuschter Mann. Kein gebrochener, das nicht, immerhin hatte er als OB-Kandidat der Grünen mit 32 Prozent der Stimmen ein historisch gutes Wahlergebnis in Würzburg eingefahren - hatte aber andererseits schon im ersten Wahlgang den Kürzeren gezogen gegen OB Christian Schuchardt (CDU). Zuvor hatte es lange so ausgesehen, als wäre mindestens die Stichwahl ausgemachte Sache für Heilig, wenige Tage vor der Wahl indes hatte der 44-Jährige eine Stimmungswende wahrgenommen. Klimawandel? Selbst in Würzburg, in seiner Kessellage besonders betroffen, redeten sie an den Wahlständen fast nur noch über Corona. Heilig scheiterte als OB-Kandidat. Darf sich nun aber "erster Klimabürgermeister Bayerns" nennen.

Grüne und CSU haben ihn dazu gewählt. Der Titel soll aufmerksam machen auf ein Problem, das im Maintal noch spürbarer ist als andernorts. Heilig hat selbst einige Jahre in einem der engsten Stadtteile Würzburgs gelebt, wo in den Straßen kaum Bäume stehen und man im Sommer nach Luft ringt. Er hat darüber viel geredet im Wahlkampf, und seine Vorschläge, wie man wenigstens kommunal ankämpfen könnte dagegen, haben die Leute wie kaum etwas anderes interessiert. Bis Corona alles überlagerte. Am Ende ist Heilig nun zwar kein OB, aber als hauptamtlicher Bürgermeister für Umwelt und Klima verantwortlich. Manche sprächen bereits von der "heißesten und trockensten Großstadt Deutschlands", erklärt Heilig, "da müssen wir das Thema hoch anhängen". In der Stadt deuten das viele als stimmige Lösung, immerhin ist Heilig der Mandatsträger, der mit den meisten Stimmen in den Stadtrat gewählt wurde. Andere wiederum gar nicht.

Die SPD übt harsche Kritik. In Würzburgs Historie hat keine andere Partei länger den Rathauschef gestellt, bei der OB-Wahl aber kamen die Genossen diesmal nicht mal auf fünf Prozent. Im Stadtrat hat die SPD vier von 50 Sitzen, Bayerns Parteichefin Natascha Kohnen sprach nach der Wahl gar von einem notwendigen "Wiederaufbau" der Würzburger Sozialdemokratie. Acht Wochen danach aber zeichnet sich ab, dass die SPD die Rolle als lautstärkste Oppositionspartei einnehmen will. Dass es nun zwei hauptamtliche Bürgermeister gibt, passe nicht in die Zeit, moniert Fraktionschef Alexander Kolbow. Bisher hatte man ehrenamtliche Bürgermeister. Grüne und CSU bedienten sich "am Selbstbedienungsbüffet". Für besonders ärgerlich hält er den "menschliche Umgang" der Grünen mit ihrer Stadträtin Barbara Lehrieder. Tatsächlich galt sie bisher als das Gesicht der Stadtrats-Grünen - wurde nun aber von Heilig, der sich zuvor nicht im Stadtrat engagiert hatte, überrundet. Kolbow hat grundsätzliche Bedenken dagegen: "Hier zeigt sich, dass auch bei den Grünen Macht- über Gleichstellungspolitik steht."

Kommunalwahl in Bayern - Würzburg

Martin Heilig ist hauptamtlicher Bürgermeister Würzburgs.

(Foto: Daniel Peter/dpa)

Dass bei den Grünen keine reine Harmonie herrscht, dementiert Heilig nicht. "Wir sind die größte Fraktion, das muss sich erst finden", sagt er. Einer, der nah dran ist, berichtet von drei Teilfraktionen, "die sich absolut nicht grün sind untereinander". Dass es in Würzburg keine grün-schwarze Koalition gibt, ist wiederum CSU-Fraktionschef Wolfgang Roth wichtig. In vielen Fragen liege man "weit auseinander". Zwar unterstützten die Grünen die neue Schulbürgermeisterin Judith Jörg, die CSU wiederum Heilig - auf Dauer aber soll mit wechselnden Mehrheiten operiert werden.

Das Regieren für OB Schuchardt dürfte das nicht leichter machen, zumal ihm der Stadtrat schon bei seiner letzten Sitzung in alter, noch stabilerer Formation eine Niederlage beigebracht hat. Gegen den OB-Willen hatten die Räte beschlossen, dem Theaterintendanten Markus Trabusch doch einen Anschlussvertrag anzubieten. Das Prozedere war an Kuriosität kaum zu überbieten, denn vier Wochen zuvor hatte der Notausschuss des Stadtrates noch mit neun zu acht Stimmen gegen einen neuen Vertrag votiert. Weil aber ein Stadtrat nach eigenem Bekunden versehentlich falsch abgestimmt hatte, wurde die Abstimmung im großen Plenum wiederholt. Nun wird dem Intendanten - dem der OB offenbar Fehler in der Menschenführung vorwirft - also doch ein weiterer Vertrag angeboten.

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