Süddeutsche Zeitung

Würzburg:Wie ein grellbuntes Bündnis die Volksparteien ausbootet

In Würzburg haben sich sieben Parteien gefunden, um ohne CSU und SPD einen Parkplatz zu bepreisen. Funktioniert Stadtpolitik auch ohne die Großen - wenn dafür sogar FDP und Linke zusammenarbeiten?

Glosse von Olaf Przybilla

Kann man in Bayern etwas Richtungsweisendes auf den Weg bringen ohne CSU und SPD? Klingt erst mal wenig realistisch, aber in Würzburg wird es genau über diese Frage zum Schwur kommen. Dort werden die Bürger in zwei Monaten darüber zu entscheiden haben, ob ein Großparkplatz am Main (bekannt unter dem Namen "Talavera") weiterhin kostenfrei bleibt - oder besser künftig nicht mehr. Was sich wie eine Nebensächlichkeit anhören mag, ist zur politischen Grundsatzentscheidung geworden. Und eben zur Frage: Geht's womöglich auch ohne Volksparteien?

Um Würzburgs grünen Bürgermeister Martin Heilig - der den klingenden Titel "Klimabürgermeister" trägt - hat sich in der Universitäts- und Domstadt ein loses Parteienbündnis gebildet, das mit grellbunt noch eher zurückhaltend umschrieben wäre. Die Grünen haben die außergewöhnliche Liaison geschmiedet und sie umfasst so ziemlich jede Couleur und politische Richtung. Einzige Gemeinsamkeit: Eine Volkspartei ist nicht dabei.

Die FDP arbeitet in dieser Allianz - kein Witz - mit den Linken zusammen. Und die ÖDP mit der Freien Wählergemeinschaft. Insgesamt wirken sieben Parteien und Gruppierungen mit, deren gemeinsamen Nenner unter normalen Umständen selbst unter Zuhilfenahme kreativitätsfördernder Substanzen schwer erkennbar wäre. Aber es gibt ihn offensichtlich, und zwar in einer der Kernfragen der Stadt. Sämtliche Partner wollen eine andere Verkehrspolitik, was in jeder Großstadt zentral ist, im Würzburger Talkessel aber geradezu fundamental.

Das eingenommene Geld soll für kostenlose Trambahnfahrten verwendet werden

Das symbolträchtigste Ziel dieser farbenfreudigen Allianz ist es, eine jahrzehntelang kostenfreie Blechpiazza am Main - sie bietet 1000 Autos Obhut - künftig zu bepreisen; und das eingenommene Geld stattdessen für kostenloses Trambahnfahren in der Würzburger Innenstadt herzunehmen. Eine Art City-Zone wäre das also, ähnlich wie in Augsburg.

Eine Initiative freilich kämpft fürs - angebliche - Recht auf kostenloses Parken, am 24. Juli kommt es zum Bürgerentscheid. Ausgang völlig offen. In der CSU steigt derweil die Nervosität. Sollte das Großbündnis Erfolg haben, gäbe es womöglich eine dauerhaft bunte Mehrheit im Stadtrat. Dann würde die CSU zwar weiter den Oberbürgermeister (mit CDU-Parteibuch) stellen. Der würde dann aber eher wie ein Stadtfrühstücksdirektor wirken.

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