Wahl eines neuen OberbürgermeistersSchmutzeleien im Würzburger Wahlkampf

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Am Sonntag sind die Würzburgerinnen und Würzburger aufgerufen, ein neues Stadtoberhaupt zu wählen. Das Bild zeigt die Doppeltürme des Kiliansdoms und vorn den Turm des Rathauses.
Am Sonntag sind die Würzburgerinnen und Würzburger aufgerufen, ein neues Stadtoberhaupt zu wählen. Das Bild zeigt die Doppeltürme des Kiliansdoms und vorn den Turm des Rathauses. (Foto: Ralph Peters/imago-images.de)

Die CSU-Kandidatin Roth-Jörg trägt der Lokalzeitung einen Verdacht über den Grünen-Bewerber Heilig zu. Doch dieser erhärtet sich nicht. Nun hat die Stadt eine E-Mail-Affäre und die CSU-Frau steht schlecht da.

Von Max Weinhold

Am Sonntag steht in Würzburg die Wahl eines neuen Oberbürgermeisters oder einer neuen Oberbürgermeisterin an und der Ausgang galt schon bisher als maximal offen. Drei Frauen und ein Mann bewerben sich auf die Nachfolge von Christian Schuchardt (CDU), der im Juli Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags wird – und kaum jemand wagt eine Prognose. Zumal es nach dem ersten Wahlgang am Sonntag vermutlich einen zweiten geben wird, eine Stichwahl.

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Seit dem vergangenen Wochenende ist die Situation aber noch einmal diffiziler. Ursächlich hierfür ist eine Recherche der Main-Post, die Judith Roth-Jörg, als dritte Bürgermeisterin bisherige Stellvertreterin Schuchardts und nun Bewerberin der CSU, nicht gut aussehen lässt – und das, obwohl die 49-Jährige mutmaßlich genau das Gegenteil im Sinn hatte. Denn sie selbst war es, die der Zeitung den Ausdruck eines Eintrags aus einem Terminkalender aushändigte, wie sie bestätigt. Weil es sich um einen Termineintrag bei „Outlook“ handelt, ist in Würzburg nun die Rede von der „E-Mail-Affäre“.

Der Eintrag soll von Mitarbeitern aus dem städtischen Gartenamt stammen und an Kollegen aus demselben gerichtet gewesen sein. Roth-Jörg erhielt von diesem über ihren Ehemann Wolfgang Roth Kenntnis, der CSU-Fraktionschef im Würzburger Stadtrat ist. Ihm wiederum war er anonym zugegangen. In dem Eintrag ist von einer „Spielplatztour für Wahlkampf Herr Heilig und Pressemitteilung“ die Rede. Herr Heilig, das ist Martin Heilig, in dessen Zuständigkeitsbereich als zweiter Bürgermeister das Gartenamt fällt, und der als OB-Bewerber der Grünen Roth-Jörgs Konkurrent ist. Es stand also der Verdacht im Raum, städtische Angestellte könnten ihn im Wahlkampf unterstützen, was freilich untersagt ist.

Judith Roth-Jörg tritt für die CSU bei der OB-Wahl an.
Judith Roth-Jörg tritt für die CSU bei der OB-Wahl an. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Dies veranlasste Roth-Jörg, Nachforschungen anzustellen. Und, wie sie ebenfalls bestätigt, ihr Büro zu beauftragen, ihren Fahrer – der auch Heiligs Fahrer ist – nach einem Foto aus dem Fahrtenbuch zu fragen von jenem Tag, an dem die Spielplatztour stattfand. Sie habe sich persönlich ein Bild davon machen wollen, wie mit dem Termin umgegangen worden sei, erklärt sie dazu auf Anfrage schriftlich.

Die städtische Compliance-Stelle indes informierte sie nicht, „da ich durch Gespräche wusste, dass die Nachricht die Verwaltung auch erreicht hatte“. Dieser ging der Eintrag auf anderem Wege zu, auch sie stellte Recherchen an. Und die bisherigen Untersuchungen gäben „keinen Anlass zur Vermutung, dass es sich bei der Spielplatztour […] um eine Wahlkampfveranstaltung von Herrn Martin Heilig handelte“, teilt ein Stadtsprecher mit. Nach einer internen Prüfung sehe man „keine Verletzung des Neutralitätsgebotes“. Das Wort Wahlkampf sei zwar verwendet und wegen mangelnder Sensibilität auch „hausintern beanstandet“ worden, habe aber „offensichtlich einen anderen Tenor“ gehabt als den eines echten Wahlkampftermins. Eine Unsauberkeit offenbar, aber keine gravierende Verfehlung.

Martin Heilig möchte für die Grünen ins Rathaus einziehen.
Martin Heilig möchte für die Grünen ins Rathaus einziehen. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Martin Heilig kann sich derweil auf Nachfrage nicht erklären, wie das Wort in den Eintrag geraten ist. „Dazu müsste sich die betreffende Person äußern“, teilt er schriftlich mit. In seinem Referat sei „klar geregelt, dass Wahlkampf und Amtsgeschäfte strikt getrennt werden“. Das Vorgehen seiner Wettbewerberin befremde ihn sehr, schreibt Heilig, der seinerseits die Frage aufwirft, „ob Bürgermeisterin Roth-Jörg hier die in unseren Ämtern erforderliche klare funktionale und organisatorische Trennung zwischen Amtsführung und Wahlkampf beachtet hat“.

Und Roth-Jörg? Wittert nun einen „persönlichen Rachefeldzug“ zweier Main-Post-Journalisten und hält die Berichterstattung so kurz vor der Wahl für „unfair“, wie sie in einer öffentlichen Stellungnahme mitteilte. Die Zeitung verweist hingegen darauf, dass die Recherche erst jetzt abgeschlossen gewesen, ein öffentliches Informationsinteresse gegeben und Roth-Jörg als dritte Bürgermeisterin sowie OB-Kandidatin Person des öffentlichen Lebens sei. Überdies habe sie die Information „bewusst und ohne Bitte nach einer Anonymisierung an die Main-Post weitergegeben“.

Roth-Jörg dagegen schreibt in ihrer Stellungnahme, sie wäre „nie auf die Idee gekommen, den Vorgang oder den Verdacht öffentlich zu machen“. Auf Nachfrage, warum sie den Eintrag dann trotzdem ausgerechnet einer Zeitung zukommen ließ, erhebt sie weitere Vorwürfe gegen Heilig. Er sei bereits in der Vergangenheit mehrfach aufgefallen, „Regeln nicht so genau zu nehmen beziehungsweise Grenzbereiche auszutesten“, meint sie. Sie sei der Überzeugung, „dass Regeln für alle gleich gelten sollten“ und habe die Hoffnung gehabt, „dass Öffentlichkeit durch die Main-Post in Bezug auf den adressierten ,Wahlkampf mit städtischen Ressourcen‘ den Blick auf die geltenden Regeln wieder etwas schärfen kann“. Also doch: Öffentlichkeit.

Was all das für die Wahl am Sonntag bedeutet? Fast alle Prognosen verbieten sich. Nur diese eine nicht: Es ist alles noch ein wenig unvorhersehbarer geworden in Würzburg.

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