Nach Veröffentlichung von Gutachten in Würzburg:Bischof Jung nennt Ausmaß von Missbrauch erschreckend

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„Das ist beschämend und erschütternd zugleich“, sagt Würzburgs Bischof Franz Jung über das Missbrauchsgutachten. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Schweigen, vertuschen: Das Leid der Betroffenen durch Missbrauch im Bistum Würzburg sei vielfach dokumentiert, sagt Bischof Jung. Bei Verdacht wird nun die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Bischof Franz Jung hat das Ausmaß von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Bistum Würzburg seit 1945 als erschreckend bezeichnet. Das vergangene Woche vorgestellte Gutachten im Auftrag der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs (Ukam) in der Diözese ziehe eine verheerende Bilanz.

„Sie zeigt immer wieder aufs Neue, dass in den Augen der Verantwortungsträger der Schutz der Institution und die Sorge um das priesterliche Ansehen des Täters Vorrang hatten“, sagte Jung, der seit 2018 im Amt ist. „Das Wohl der Kinder oder der Betroffenen kam, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend in den Blick. Das ist beschämend und erschütternd zugleich.“ Jung sprach von Jahren des Verdrängens, des Verschweigens und des Vertuschens. Die Wunden der Opfer würden nie heilen.

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Laut dem Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen wurden zwischen 1945 und 2019 im Bistum mindestens 226 Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. 51 mutmaßliche Täter, darunter 43 Kleriker, sollen mindestens 449 Taten begangen haben. Aufgrund ungenauer Angaben in Akten wurden für das Gutachten auch Schätzwerte herangezogen: Danach ergäben sich sogar 3053 Taten für denselben Personenkreis. „Ein unvorstellbares Ausmaß“, sagte Jung. Rechtskräftig verurteilt wurden die wenigsten Verdächtigen.

Mittlerweile seien alle haupt- und ehrenamtlich Tätigen im Bistum dazu verpflichtet, jeden Verdacht auf sexualisiertes Fehlverhalten im dienstlichen Kontext zu melden. Dies sei unabhängig davon, ob es sich um strafbares Verhalten handelt, sagte die Interventionsbeauftragte der Diözese, Kerstin Schüller. Auch anonymen Meldungen werde nachgegangen.

„Jeder Verdacht auf ein entsprechendes Fehlverhalten wird konsequent an die Staatsanwaltschaft übermittelt“, sagte Schüller. Das Bistum nehme keine strafrechtliche Einordnung vor. „Nur durch dieses transparente Vorgehen können wir sicherstellen, dass eine Vertuschung von Straftaten nicht möglich ist.“

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