Helfer in Würzburg:Ein Pass als Belohnung?

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(Foto: privat)

Ein Asylbewerber aus Iran stellte sich dem Angreifer in Würzburg entgegen. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass bei der Messerattacke nicht noch mehr Menschen starben. Nun fordern viele für ihn die deutsche Staatsbürgerschaft. Geht das so einfach?

Von Dietrich Mittler und Lea Weinmann

Eines der Handy-Videos, angefertigt am Freitagabend in der Würzburger Innenstadt, lässt keine Zweifel aufkommen: Chia Rabiei, kurdischer Asylbewerber aus Iran, stellt sich dem mit einem langen Messer bewaffneten Attentäter entgegen, der, so der Vorwurf der Strafermittler, zuvor bereits drei Menschen erstochen und weitere sieben verletzt haben soll, fünf davon schwer. Rabiei rennt auf den Mann zu - es handelt sich um einen abgelehnten Asylbewerber aus Somalia - und schlägt mit einer hellen Tasche in dessen Richtung, bis die Tasche schließlich zu Boden fällt. Sodann treibt Rabiei den mutmaßlichen Täter kurzzeitig mit kampfsportartigen Bewegungen in die Defensive und hält ihn so davon ab, weitere wehrlose Menschen zu attackieren.

Am Wochenende feierte die Twitter-Welt Chia Rabiei als einen der Helden von Würzburg, die sich dem Mann mit dem Messer selbstlos entgegengestellt hatten. Der 42-Jährige ist Kurde, kommt aus Iran und ist seit 17 Monaten in Deutschland. Sein Asylverfahren läuft noch. Ein Redakteur der FAZ veröffentlichte am Samstag auf Twitter ein Bild von dem Mann mit dem kleinen dunklen Haarzopf und stellte ihn als den Mann vor, der den Angreifer "in Schach gehalten" habe. In den Kommentaren unter dem Twitterbeitrag überschlägt sich der Beifall für den Mut des Mannes, für seine Zivilcourage. Viele fordern, ihm zum Dank nun direkt die deutsche Staatsbürgerschaft zu verleihen. "Bleiberecht und Bundesverdienstkreuz sind da wohl das Mindeste", schreibt einer. Ein anderer schlägt eine "ehrenhafte Einbürgerung" vor. Und noch jemand kommentiert: "Er hat sich um unser Land verdient gemacht."

Manche ziehen auch Parallelen zu einem Fall in Paris im Mai 2018. Damals hatte ein junger Mann aus Mali ein Kleinkind von einem Balkon gerettet, indem er in Sekundenschnelle an der Außenfassade des Wohnhauses emporkletterte. Ein Video der Rettungsaktion ging viral, der Retter wurde als "Spiderman" berühmt. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron belohnte ihn mit der sofortigen Einbürgerung. Wäre so etwas in Deutschland auch möglich? TV-Aufnahmen des Bayerischen Rundfunks zeigen, wie sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntagnachmittag am Tatort bei Rabiei bedankte. Wie ein Sprecher der Staatskanzlei bestätigte, will Söder nun all jene für eine Rettungsmedaille vorschlagen, die sich dem Messerstecher in den Weg gestellt haben.

Auch wenn es damit wahrscheinlich ist, dass Chia Rabiei ebenfalls mit einer Auszeichnung rechnen kann, so unwahrscheinlich ist es doch, dass er - wie das nun einige im Internet fordern - die deutsche Staatsbürgerschaft bekommt. "Freihand zu sagen, der bleibt jetzt da, das funktioniert nicht", sagt Hubert Heinhold. Der Münchner Rechtsanwalt, Experte im Ausländer- und Asylrecht sowie im Einbürgerungs- und Staatsangehörigkeitsrecht, nennt die Gründe dafür: "Eine Naturalisation, also eine Einbürgerung, einfach so ins Blaue hinein, das kennt das deutsche Staatsangehörigkeitsgesetz nicht." Auch eine Ermessenseinbürgerung, von der bisweilen Spitzensportler profitieren, sei für Rabiei "überhaupt nicht drin".

Tatsächlich erfüllt Rabiei zum Beispiel weder die Anforderungen bezüglich der Mindestaufenthaltszeit in Deutschland, noch ist er augenblicklich in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbständig zu erwirtschaften. Der mutige Einsatz wird dem 42-Jährigen überdies aber auch im regulären Asylverfahren nicht weiterhelfen können, heißt es aus dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ein Sprecher betonte am Montag: "Mutiges Engagement, wie es Herr Rabiei gezeigt hat, ist nicht selbstverständlich und kann daher nicht hoch genug geschätzt werden." Generell aber prüfe das Bundesamt im Asylverfahren ausschließlich, ob und welche Gefahr dem Asylsuchenden bei Rückkehr in sein Herkunftsland droht. "Andere Leistungen kann und darf das Bundesamt bei der Entscheidung im Asylverfahren nicht berücksichtigen", teilte der Sprecher mit.

Einer der Paragrafen im Aufenthaltsgesetz (Paragraf 23) ermögliche es indes, Ausländern "zur Wahrung besonders gelagerter politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland" eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Niederlassungserlaubnis zu erteilen. Doch ob dieser Paragraf im Fall des 42-Jährigen greift, steht dahin.

Rechtsanwalt Heinhold möchte indes nicht ausschließen, dass Rabieis Handeln im Asylverfahren doch noch von Bedeutung sein könnte. Durch Medienberichte sei nun dessen voller Name auch den iranischen Behörden zugänglich. "Es ist doch nicht gänzlich auszuschließen, dass dort jemand den Fall so sieht, dass er einen muslimischen Menschen davon abgehalten hat, gottgefällige Taten zu vollbringen." Daraus könnte womöglich in Teheran die Schlussfolgerung resultieren: "Wenn der nach Iran zurückkehrt, dann müssen wir ihn einsperren." Theoretisch denkbar wäre im Fall Rabiei zudem, dass ihm hier aus humanitären Gründen der Aufenthalt ermöglicht wird - unter dem Gesichtspunkt, "dass er sich hier so eingesetzt hat".

Rabiei ist es unangenehm, dass die Leute ihn einen Helden nennen. "Ich bin nur ein normaler Mensch", sagt er am Telefon. Er habe das nicht für eine Medaille oder einen deutschen Pass gemacht. "Deutschland hat mich unterstützt, ich bin hier aufgenommen worden." Er sei stolz, dass er helfen konnte. Natürlich würde er sich freuen, sollte er für sein Engagement tatsächlich die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen. Doch klar sei auch das: "Falls nicht, warte ich einfach wie alle anderen Asylbewerber auf einen Termin bei der Ausländerbehörde."

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