Würzburg:39-jährige Schwerverletzte nach Messerangriff nicht mehr in Lebensgefahr

Würzburg: Blumen und Kerzen sind am Barbarossaplatz aufgestellt, wo am Freitag drei Menschen zu Tode kamen. Aus welchen Motiven der Täter handelte, ist bislang unklar.

Blumen und Kerzen sind am Barbarossaplatz aufgestellt, wo am Freitag drei Menschen zu Tode kamen. Aus welchen Motiven der Täter handelte, ist bislang unklar.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Nachdem ein 24-Jähriger in Würzburg drei Frauen getötet und sieben weitere Menschen verletzt hat, suchen die Ermittler nach seinem Motiv. Was über die Tat bekannt ist und wie es den Verletzten geht.

Von Katharina Federl

Was ist in Würzburg passiert?

Offensichtlich ohne jede Vorwarnung hat ein 24 Jahre alter Mann am späten Freitagnachmittag drei Frauen im Alter von 24, 49 und 82 Jahren getötet und sieben weitere Menschen verletzt, fünf davon schwer. Unter den Schwerverletzten befinden sich drei Frauen sowie ein Jugendlicher und ein elfjähriges Mädchen, bei dem es sich um die Tochter der getöteten 49-Jährigen handelt. Die beiden leicht Verletzten konnten das Krankenhaus bereits wieder verlassen; bei ihnen handelte es sich um eine Frau und einen Mann.

Um Punkt 17 Uhr betrat der mutmaßliche Täter das Kaufhaus Woolworth am Barbarossaplatz in der Innenstadt, ging in die Hauswarenabteilung und ließ sich die Messer zeigen, nahm eines aus der Auslage und stach sofort auf eine Frau ein. Sie wurde so schwer verletzt, dass sie starb. Dann tötete er zwei weitere Frauen. Vorherige Angaben, eine der getöteten Frauen habe in dem Laden als Verkäuferin gearbeitet, träfen nicht zu, sagte ein Polizeisprecher. Zudem verletzte der Täter in dem Geschäft einen 57 Jahre alten Mann leicht.

Wie geht es den Verletzen?

Der 24-Jährige griff in dem Laden den Ermittlungen zufolge auch eine 52-jährige Frau an. Sie wurde schwer verletzt, ist aber außer Lebensgefahr. Auf der Straße vor dem Kaufhaus fanden Polizisten ein elfjähriges Mädchen sowie einen 16 Jahre alten Jugendlichen - beide mit schweren Verletzungen. Lebensgefahr bestand bei beiden am Sonntag nicht mehr.

Würzburg: Polizisten vor dem Woolworth, wo drei Menschen starben.

Polizisten vor dem Woolworth, wo drei Menschen starben.

(Foto: Michael Probst/AP)

Der Täter verletzte darüber hinaus eine 26 Jahre alte Frau leicht - sie wurde ebenfalls auf der Straße gefunden. In einer nahe gelegenen Bank soll der Mann eine weitere Frau angegriffen haben. Die 73-Jährige kam mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus, ist aber laut Polizei nun außer Lebensgefahr. Der Zustand einer 39-Jährigen, die der Somalier ebenfalls attackierte, war am Sonntag stabil. Sie sei nicht mehr in einem lebensbedrohlichen Zustand, sagte der Sprecher. Wo der Mann diese Frau angriff, war zunächst unbekannt.

Wie wurde der Täter überwältigt?

Um 17.04 ging der Notruf bei der Polizei ein, alle verfügbaren Einsatzkräfte wurden umgehend zum Barbarossaplatz geschickt, hieß es auf einer Pressekonferenz am Samstagnachmittag. 300 Polizisten und Polizistinnen waren im Einsatz. Als die Beamten eintrafen, hielt der mutmaßliche Täter noch immer das Messer in der Hand und bewegte sich laut Polizei in Richtung der Beamte, als diese auf ihn zugingen. Ein Polizist schoss ihm daraufhin gezielt ins Bein. Der Täter erlitt einen Oberschenkeldurchschuss, befindet sich jedoch nicht in Lebensgefahr. Der Unterfränkische Polizei-Vizepräsident Martin Wilhelm war am Freitag Einsatzleiter. Er sagt, der Täter sei bis zu seiner Festnahme angriffsfähig gewesen. Videos in den sozialen Medien zeigen einen Mann in beigem Pullover, mit weißer FFP2-Maske und einem langen Messer. Und sie zeigen, wie mehrere Passanten versuchen, den Mann aufzuhalten, bis die Polizei eintrifft.

Wer ist der Täter?

Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich nach SZ-Informationen um den 24-jährigen Jibril A.. Er soll 1997 in der somalischen Hauptstadt Mogadischu geboren worden sein. Nach Aussage von Wolfgang Gründler, Generalstaatsanwalt in Bamberg, lebt er seit Mai 2015 in Deutschland, zunächst in Chemnitz, seit 2019 in Würzburg. Er genieße subsidiären Schutz im Rahmen eines Asylverfahrens, sei also legal hier, und war zuletzt in einem Obdachlosenheim gemeldet. Der Mann ist demnach nicht vorbelastet, habe jedoch dennoch einige Verhaltensauffälligkeiten gezeigt.

Im Januar 2021 sei er mit Mitbewohnern und Verwaltern der Obdachlosenunterkunft in Streit geraten und habe zu einem Küchenmesser gegriffen und dieses bedrohlich in der Hand gehalten, es gab aber keine Verletzten. Zudem wurde ein Hinweis eines anderes Asylbewerbers geprüft, wonach der Beschuldigte am Telefon gesagt haben soll, dass er als Zwölfjähriger in Somalia Straftaten begangen habe. Die Ermittlungen wurden schließlich eingestellt, weil sich das nicht verifizieren ließ. Im Juni wollte er nicht aus einem Auto aussteigen, das er gestoppt hatte. Daraufhin wurde der 24-Jährige in eine psychiatrische Einrichtung eingewiesen, aber nach einem Tag wieder entlassen.

Laut Frank Gosselke, Leitender Oberstaatsanwalt in Würzburg, wurde der mutmaßliche Täter am Samstag einem Ermittlungsrichter vorgeführt und Haftbefehl wegen Mordes in drei Fällen, wegen versuchten Mordes in sechs weiteren Fällen sowie wegen vorsätzlicher Körperverletzung in einem Fall erlassen. Der 24-Jährige machte demnach keine weiteren Angaben zur Tat und befindet sich jetzt in einer bayerischen Justizanstalt. Der Pflichtverteidiger des verdächtigen Somaliers, Hanjo Schrepfer, erklärte, sein Mandant sei haftfähig trotz der Beinschussverletzung. Er hält es allerdings für möglich, dass sein Mandant suizidgefährdet sein könnte. "Was ich feststelle, ist, dass er psychisch auffällig ist", sagte Rechtsanwalt Schrepfer am Sonntag. Auch die Ermittler sehen offensichtlich diese Gefahr: "Die zuständige Justizvollzugsanstalt ist über eine mögliche Selbstgefährdung informiert", sagte ein Sprecher des Landeskriminalamtes in München.

Welches Motiv hatte der Mann?

Das Motiv ist noch nicht vollends geklärt. Es müsse jetzt ermittelt werden, inwiefern die Psyche des Somaliers eine Rolle gespielt habe und inwiefern islamistische Einstellungen zur Tat beigetragen hätten, sagte Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Pressekonferenz in Würzburg. Seine Opfer habe er wohl wahllos attackiert, sie "waren zur falschen Zeit am falschen Ort".

Nach neuesten Erkenntnissen gibt es zumindest Hinweise auf ein islamistisches Motiv. Bei seiner Vernehmung habe der Mann eine Äußerung gemacht, die auf religiösen Fanatismus schließen lasse, heißt es nach dpa-Informationen aus Sicherheitskreisen. Hinweise auf Kontakte zu militanten Salafisten gebe es bisher jedoch nicht. Innenminister Herrmann zufolge habe ein Kaufhausdetektiv angegeben, der Verdächtige habe bei der Tat "Allahu Akbar" (deutsch: Gott ist groß) gerufen. Auch Polizisten bestätigten das.

Aber die Ermittler schließen auch nicht aus, dass der 24-Jährige unter einer psychischen Krankheit leidet und diese Hintergrund der Tat ist. Nach Gesprächen mit dem 24-Jährigen könne er bisher kein islamistisches Motiv erkennen, sagte auch dessen Pflichtverteidiger. "Offiziell hat er sich noch nicht zur Sache eingelassen", so Schrepfer. "Hinweise auf radikale Gesinnung und auf psychische Probleme des Täters schließen sich auch nicht gegenseitig aus", so Herrmann.

Auf der Pressekonferenz bittet der Leiter der Kriminalinspektion Würzburg um weitere Zeugenhinweise. Ungeklärt sei nach wie vor: Wo hat sich der mutmaßliche Täter vor der Attacke bewegt und mit wem? Inzwischen hat die Generalstaatsanwaltschaft in München die Ermittlungen übernommen.

Wie gehen die Ermittlungen weiter?

Die Ermittlungen zu den genauen Hintergründen der Tat laufen derzeit auf Hochtouren. Die Beamten waren am Samstag auch in der Obdachlosenunterkunft unterwegs, wo der 24-Jährige zuletzt lebte. Sie stellten ein Handy sicher und wollen nun die Daten auswerten. Das gestaltet sich aber schwierig, weil dafür ein Dolmetscher nötig ist. Auch Schriftmaterial wurde sichergestellt. Ob sich darauf wirklich Hassbotschaften befänden, sei nach wie vor nicht klar, hieß es auf der Pressekonferenz. Zudem wurden zahlreiche Zeugen befragt.

Laut Ministerpräsident Markus Söder (CSU) müssen nun Sicherheitsbehörden von Bund und Land klären, warum so etwas passieren konnte. Die Kriminalpolizei Würzburg stehe in engem Austausch mit dem Bayerischen Landeskriminalamt und der Staatsanwaltschaft Würzburg, heißt es in einer Mitteilung der Polizei. Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) äußerte sich am Samstag zu der Attacke. "Ich bin von dieser unfassbar brutalen Tat tief erschüttert", sagte er. Eine abschließende Bewertung des Tatmotivs sei noch immer nicht möglich.

Bereits am späteren Abend wurde ein Großteil des Gebietes rund um den Barbarossaplatz abgeriegelt, auch am Samstag ist die unterfränkische Polizei verstärkt in der Würzburger Innenstadt präsent, ein Hubschrauber ist im Einsatz. Hinweise auf einen zweiten Täter haben die Ermittler nicht.

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