Süddeutsche Zeitung

Franziskaner in Würzburg:Arm, keusch, gehorsam - immer noch

Vor 800 Jahren kamen die Franziskaner nach Deutschland. Das älteste erhaltene Kloster des Ordens steht in Würzburg. Dort sind die Bettelbrüder längst im 21. Jahrhundert angekommen.

Von Carolin Gißibl, Würzburg

Vom Einkaufen in der Würzburger Fußgängerzone zum Beichtstuhl im Franziskanerkloster sind es etwa zehn Gehminuten. Hinter massiven Türen eröffnet sich mit einem Kreuzgang rund um den Innengarten eine Oase der Ruhe, in die jeder eintreten darf. Vor 800 Jahren haben sich die Anhänger von Franz von Assisi in Deutschland niedergelassen - in Würzburg steht das älteste erhaltene Kloster der sogenannten Bettelbrüder.

"Manche spazieren spontan ins Kloster", sagt Bruder Adam, der Hausobere des Würzburger Konvents. "Durch die Probleme der Menschen, die zu uns kommen, werden wir auf die Probleme draußen aufmerksam", erzählt der 55-Jährige. "Viele leiden unter Einsamkeit - und das sind oft junge Menschen. Die Abhängigkeit vom Internet ist eine große Sache."

Bruder Adam trägt eine schwarze Kutte mit weißem Gürtel, der drei Knoten hat. Sie stehen für das Gelübde, das Adam und seine Brüder abgegeben haben: Armut, Keuschheit, Gehorsam. Ordensgründer Franziskus von Assisi, ein Sohn reicher Tuchhändler, soll als junger Mann ausschweifend gelebt haben. Nach einem Krieg gegen die Nachbarstadt Perugia in der italienischen Region Umbrien landete er im Kerker. Da begann eine aufwühlende Suche nach dem Sinn des Lebens. Franz von Assisi verschenkte alles, was er besaß. Nach ihm benannte sich auch der jetzige Papst Franziskus, weil er das bescheidene Leben in seinem Pontifikat ins Zentrum gestellt hat.

Barfuß, in einfachen Gewändern und ohne Geld wollte Franz von Assisi leben wie Jesus. Immer mehr Gefährten schlossen sich an. Im Jahr 1219 passierten Anhänger von Franziskus erstmals die Alpen. Da sie die Landessprache nicht beherrschten, wurden sie verdächtigt, Anhänger einer ketzerischen Bewegung zu sein - wurden verspottet, verprügelt, vertrieben. 1221 folgte der zweite Versuch, diesmal erfolgreich. Der Weg führte die Brüder schließlich nach Würzburg. Sie bekommen 1249 ein größeres Grundstück und bauen dort Stück für Stück Klosterkirche und Konvent. Eigentlich sollte im laufenden Jahr die Jubiläumsfeier zu 800 Jahren steigen. Wegen Corona wurde sie auf Pfingstmontag 2022 verschoben.

15 Minoriten, auch "Mindere Brüder" genannt, von 30 bis 84 Jahren wohnen im Franziskaner Minoritenkloster Würzburg. Sie leben in freiwilliger Armut ohne persönlichen Besitz. Hosen oder Schuhe würden meist erst gewechselt, wenn sie zerschlissen sind. Wenn ein Bruder eine Fahrkarte oder Medikamente braucht, muss er beim Ökonom um Geld aus der Gemeinschaftskasse bitten. Für den Urlaub gibt es eine Art Taschengeld - für das Spa im Luxushotel nebenan reicht das nicht. Die Brüder arbeiten als Seelsorger, halten religiöse Kurse, feiern Gottesdienste, setzen sich für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung ein.

Es gibt auch Exoten: Im Franziskanerkloster Wien lebt Bruder Sandesh Manuel. Der gebürtige Inder ist Rapper und Youtuber. In seinen Videos rappt er mit Sonnenbrille, Kappe und Kutte oder in Hemd und Lederhose Texte wie: "Am Faaker See hob i mei Harley steh'" und "Der Herrgott hot glocht, wie er Kärntn hot gmacht".

Um den Würzburger Hauptbahnhof tourt regelmäßig Bruder Tobias mit seinem Sanitätskoffer entlang und kümmert sich um Bedürftige. Er ist gelernter Pfleger - und Bierbrauer. In einem alten Bauwagen nahe dem Kloster Schönau bei Gemünden am Main, in dem er lebt, wird das Bier verkostet. Die Brüder sagen: Ein Ort für Bibel, Bier und Begegnungen. Die Würzburger Minoriten verteilen traditionell an ihrer Pforte Brotzeiten für Mittellose - mit Butter, Marmelade, Käse, Wurst, manchmal ist ein gutes Wort dabei. "Für viele Gläubige sind die Franziskaner-Minoriten wichtige Anlaufstelle", sagt ein Sprecher der Diözese Würzburg. Die Klöster in Würzburg, Schönau und Mariabuchen in Lohr am Main seien "integraler Bestandteil des seelsorgerlichen Angebots" im Bistum.

In den sechs Niederlassungen in Deutschland leben rund 40 Minoriten - der Altersdurchschnitt liegt bei über 60 Jahren. Die Brüder haben nach eigenen Angaben in der "westlichen Welt" Rückgänge von rund 50 Prozent. Nachwuchssorgen plagen auch die Franziskanerinnen: Die drei bayerischen Provinzen Bamberg, Dillingen an der Donau und Maria Medingen schließen sich von 2022 an zusammen.

Bruder Josef hat sich vor mehr als 40 Jahren dem Orden angeschlossen. Er fand dort eine "familiäre Gemeinschaft", wie der 63-Jährige sagt. "Bei mir am Altar stehen ein Pole, Franke, Inder, Pfälzer. Wir frotzeln zwischendrin schon mal - aber die Gemeinschaft verbindet." Durch die Corona-Pandemie ist es dem Junioratsleiter zufolge noch schwieriger, Interessierte zu finden. Das Programm "Franziskaner Minorit auf Zeit", eine Gelegenheit den Orden und das Klosterleben näher kennenzulernen, konnte lange nicht stattfinden. "Das Image der Kirche ist durch wenig junge Gemeinden und Missbrauchsfälle in Mitleidenschaft gezogen worden", sagt Bruder Josef.

Die Gemeinschaft blickt daher durchaus kritisch aufs Jubiläumsjahr. Im hauseigenen Magazin schreibt Bruder Stefan Federbusch vom Exerzitienhaus in Hofheim: "Unsere franziskanische Präsenz in Deutschland weist neben einem glaubwürdigen Lebensstil ebenso Defizite, Versagen und Schuld einzelner Brüder wie auch der Ordensleitungen auf. Eine 800-Jahr-Feier kann und darf daher keine reine Jubiläumsfeier sein." In diesem Jahr soll deshalb die Geschichte kritisch reflektiert werden.

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